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Lisa Badum, klimapolitische Sprecherin Bündnis 90/Die Grünen, lässt kein gutes Haar am Klimapaket.

© Doris Spiekermann-Klaas / TSP

„Das ist doch plemplem“: Das Klimapaket ist aus Sicht der Grünen nicht mehr zu retten

Lisa Badum, klimapolitische Sprecherin der Grünen erklärt im Interview, wo die Regierung versagt hat – und wie sie Kohlekumpel vom Klimaschutz überzeugen will.

Laut Lisa Badum, klimapolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, würde nicht mal ein höherer CO2-Preis das Klimapaket der großen Koalition besser machen. Im Tagesspiegel-Interview spricht sie über Verbote als wichtige Maßnahme für mehr Klimaschutz und ihr Verständnis für die Kohlekumpel.

Frau Badum, haben die Grünen sich schon Gedanken gemacht, unter welchen Bedingungen sie dem Klimapaket im Bundesrat zustimmen werden?
Da wird man erstmal abwarten müssen, welche Gesetze konkret zustimmungspflichtig sind. Die große Koalition wird sicher darauf achten, die Gesetze so zu formulieren, dass wir Grüne möglichst wenig Einfluss nehmen können über den Bundesrat. Da sehe ich unseren Handlungsspielraum leider als begrenzt an.

Wie wollen Sie denn sonst dafür sorgen, dass das Klimapaket besser wird?
Meiner Ansicht nach ist das komplette Paket gescheitert und muss neu aufgesetzt werden. Die Denkfabrik Agora Energiewende hat vorgerechnet, dass nur ein Drittel der Emissionseinsparungen, die für die Klimaziele 2030 nötig sind, mit den Maßnahmen erreicht werden. Das Hauptziel des Klimapakets war es, dass die Klimaziele sicher erreicht werden und nicht, dass die Pendlerpauschale erhöht wird. Also: Das Ziel wurde ganz klar verfehlt. Damit ist das Paket für die Tonne.

Die Klimalücke, die trotz der vielen Maßnahmen im Verkehr- oder Gebäudebereich bleibt, könnte durch einen angemessenen CO2-Preis geschlossen werden. Da zeigen sich Union und SPD gerade gesprächsbereit. Warum lehnen Sie das Paket trotzdem ab?
Der Ansatzpunkt, der in dem Paket aus meiner Sicht deutlich wird, ist, dass dem Verbraucher nach wie vor Fördermaßnahmen für fossile Technologien versprochen werden, etwa bei Erdgas-Heizungen. Der Einbau von Ölheizungen soll ab 2026 verboten werden, aber das ist aus meiner Sicht viel zu spät. Sechs Jahre haben Heizungsverkäufer jetzt noch Zeit, ihre Ölheizungen massiv in den Markt zu bringen. Die Unternehmen haben schlicht keinen Anreiz, jetzt schnell umzustellen. Und sind die Ölheizungen einmal im Haus, bleiben sie dort Jahrzehnte. 

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Wenn man sich die Emissionsentwicklung in Deutschland anschaut, wird aber auch deutlich: Ordnungsrecht hat bisher nicht viel gebracht. Es gibt beispielsweise CO2-Standards für Pkw, die Emissionen im Verkehrsbereich sind trotzdem gestiegen. Deshalb sagen die Ökonomen: Führt einen ehrlichen CO2-Preis ein.
Ja, auch ein CO2-Preis ist wichtig, aber Ordnungsrecht gehört für uns zwingend dazu und das gehört schnell umgesetzt. Sonst wird es immer Unternehmen und Verbraucher geben, die sich aus dem Klimaschutz rauskaufen können und das ist schlicht nicht fair gegenüber denen, die das Geld nicht haben. Aber wo wir schon beim CO2-Preis sind, der angeblich das Herz des Klimapakets der großen Koalition sein soll: Zehn Euro CO2-Enstiegspreis sind ein Witz. Der Preis macht kaum einen Unterschied an der Zapfsäule. Professor Edenhofer vom PIK hat 50 Euro pro Tonne CO2 gefordert. Seinen Rat und den vieler Wissenschaftler hat die große Koalition einfach in den Wind geschlagen.

Die Grünen wollten als Einstieg 40 Euro pro Tonne CO2 durchsetzen. Das hätte vielleicht zu einem Aufschrei in der Gesellschaft geführt.
In unserem CO2-Preis-Konzept ist ein „Energiegeld“ in Höhe von 100 Euro vorgesehen, das pro Kopf an den Bürger zurückgeht. Damit hat am Ende der mehr übrig, der weniger fossile Energien verbraucht. Das ist meiner Meinung nach fair. Im übrigen ist es absolut lächerlich, dass die große Koalition so auf die soziale Fairness ihres Pakets abstellt. Die ist nicht gegeben.

Sie stellen darauf ab, dass die Höhe der Entlastung über die EEG-Umlage für die Verbraucher verglichen mit den Einnahmen aus dem neugeschaffenen Emissionshandel im Verkehr- und Wärmebereich eher gering ist.
Das auch. Aber wir haben auch hohe soziale Ungleichheit bei anderen Maßnahmen. Im Gebäudebereich richten sich etwa die meisten Maßnahmen an Wohneigentümer, um Mieter geht es in dem Papier überhaupt nicht. Da soll lediglich das Wohngeld um zehn Prozent erhöht werden. Dazu, wie Menschen aber an Mieterstrom, also die PV-Anlage auf ihrem Hausdach, kommen können, steht nichts drin. Und der Steuervorteil der Pendlerpauschale kommt vor allem den Besserverdienern zugute.

Manche in der großen Koalition signalisieren schon die Bereitschaft, beim Paket nachzubessern. Wie groß ist Ihre Hoffnung?
Vor allem werden ja Zweifel innerhalb der SPD laut. Ich kann der SPD nur raten, das Paket nicht mitzutragen. Ich habe SPD-Umweltministerin Svenja Schulze vor einigen Tagen im Umweltausschuss gehört: Sie konnte keine eigenen Einsparberechnungen vorlegen. Im Maßnahmenpaket sind diese jetzt auch vollständig verschwunden. Die SPD stellt ja immer wieder auf den angeblich so harten Kontrollmechanismus ab. Dieser soll in einem Klimaschutzgesetz verankert sein, dabei taucht der Begriff „Klimaschutzgesetz“ im ganzen Eckpunktepapier gar nicht auf und auch im Kabinettsbeschluss nur unter ferner liefen.

[Dieses Interview erschien zuerst im Entscheider-Briefing Tagesspiegel Background. Mehr Informationen gibt es unter diesem Link]

Was fehlt Ihnen denn beim Kontrollmechanismus?
Das ist doch ehrlich plemplem: Die Bundesregierung weiß von Beginn an, dass die Klimaziele mit ihren Maßnahmen nicht eingehalten werden und stellt darauf ab, dass es ja offiziell durch den Kontrollmechanismus bestätigt und in Ordnung gebracht werden wird. Eigentlich muss es doch so sein, dass man am Anfang alles dafür tut, sicherzustellen, dass die Ziele erreicht werden. Die Kontrolle dient dann nur der letzten Absicherung. Was mir außerdem sauer aufstößt ist, dass so ein Kontrollmechanismus immer zu spät greifen wird. Das Expertengremium, das die Zielpfade überprüft, wird immer erst im Nachhinein feststellen können, wo die Ministerien stehen. Das alles nimmt die große Koalition billigend in Kauf.

Wie werden Sie nun weiter am deutschen Klimaschutz arbeiten?
Ich habe gerade einen Antrag in den Bundestag eingebracht, wie wir Klimaneutralität möglichst noch vor 2050 erreichen können. Das mag zwar eine Luxusdiskussion sein vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung die Klimaziele 2030 mit ihren Beschlüssen krachend verfehlen wird. Aber deswegen kann ich ja nicht aufhören mit meiner Arbeit. Im Gegenteil.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagt, mit der Debatte um Klimaneutralität werde man auch CCS-Technologien wieder diskutieren müssen. Das haben die Grünen zuletzt abgelehnt. Hat sich an der Einstellung etwas geändert?
Ich bin offen dafür, alle Technologien sachlich zu bewerten. Man muss aber schauen, was effizient ist, auch im Hinblick auf die Kosten, und auch, was mit der Bevölkerung machbar ist. Der Widerstand aus der Bevölkerung war bisher immer massiv gegen CCS. Bisher schneidet CCS also in allen Punkten ziemlich schlecht ab. Daher lehne ich es ab.

Derzeit wird viel darüber diskutiert, dass das Klimathema die Gesellschaft spalten könnte. Ist es auch Aufgabe der Grünen, Menschen mitzunehmen, die sich schwer tun mit schnellen Änderungen für mehr Klimaschutz?
Meiner Ansicht nach liegt das Problem viel tiefer, nämlich darin, dass viele Menschen das Gefühl haben, die Politik entscheide über ihre Köpfe hinweg. Eine Lösung liegt darin, Menschen mehr zu beteiligen, etwa über direkte Volksentscheide, die konkrete Sachverhalte beschreiben, nicht „Ja“ oder „Nein“ wie etwa beim Brexit oder auch BürgerInnenräte. Dann sind die Bürger gleichzeitig auch mehr in der Verantwortung.

Nehmen wir mal den Kohlekumpel in der Lausitz, der ja oft als Paradebeispiel eines Bürgers herhalten muss, der sich mit Klimaschutz schwertut: Für ihn geht es nicht mehr allein nur darum, dass seine Region einen neuen ICE-Anschluss bekommt, sondern er wird im Gespräch mit anderen Bürger auch realisieren, dass es ein breites Interesse an Klimaschutz gibt. Bereits indem er Teil des Diskussionsprozesses ist, wird er das Gefühl haben, mitwirken zu können. So ein Austausch findet aber auch schon beispielsweise in der Lausitz statt.
Sie sind eine Politikerin der Grünen, Sie wissen über den Klimaschutz Bescheid und sind informiert darüber, welche Auswirkungen der Klimaschutz schon heute hat. Wie weit geht Ihr Verständnis denn überhaupt für den Kohlearbeiter in der Lausitz?
Ich möchte das nicht gegeneinander ausspielen. Wir sitzen alle in einem Boot. Es geht um Klimagerechtigkeit, die weltweit stattfinden muss, auch hier bei uns in Deutschland. Der Kohlearbeiter hat ein klares Recht auf soziale Absicherung, ebenso wie der Arbeiter in der Windbranche. Gleichzeitig haben junge Menschen ein Recht darauf, auf einem gesunden Planeten alt werden zu können. Klimaschutz muss natürlich ein Gemeinschaftsprojekt sein für die ganze Gesellschaft. Das erreichen wir, wenn wir alle miteinbeziehen, die Menschen auf eine Ebene stellen und eine faire Diskussion führen.

Wie klimafreundlich leben Sie denn?
Ich bin wie alle anderen in meinen Alltag eingebunden, treffe eine Vielzahl von Entscheidungen jeden Tag und natürlich kann ich mich nicht immer klimafreundlich verhalten. Über vieles haben wir Verbraucher auch gar keine Informationen, welche konkreten Konsequenzen mein Handeln nun für Umwelt- und Klima hat. Ich versuche, meinen Alltag bewusster zu gestalten: Wo kann ich mein Rad benutzen? Kann ich vielleicht mehr auf Fleisch verzichten? Das mögen jetzt kleine Handlungen sein, aber in der Masse machen sie einen Unterschied.

Können wir so das Klima retten?
Die Verantwortung für mehr Klimaschutz sehe ich zuallererst bei uns PolitikerInnen. Sie müssen die Rahmenbedingungen setzen und können die Bürde der Verantwortung nicht auf den einzelnen Verbraucher abladen. Das wäre ja noch schöner! Da stehen wir Grüne in klarem Gegensatz zur Union, wo etwa Vize-Fraktionschef Andreas Jung jüngst meinte, der Klimaschutz fange zuerst bei jedem einzelnen an. Nein! Für den Klimaschutz müssen wir PolitikerInnen sorgen und die Rahmenbedingungen setzen, die den Menschen und Unternehmen auch ermöglichen, sich klimafreundlich zu verhalten.

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