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Obszöne Geste. Alexander M. war mutmaßlich der Drohbriefschreiber NSU 2.0. Im Frankfurter Prozess tritt er aggressiv auf. Die Opfer verunsichert jedoch weit mehr, dass ihm womöglich Polizisten halfen.

© Arne Dedert/dpa

Das große Rätsel „Einzeltäter“: Ein sicherheitspolitischer Alptraum

Der Drohbriefschreiber NSU 2.0 gilt bei den Ermittlern als Einzeltäter. Doch die Rolle rechtsextremer Polizisten müsste stärker untersucht werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Jansen

Es ist ein Dauerkonflikt, schon seit Jahrzehnten. Nun steht wieder ein Fall im Vordergrund. Im Fall der rechtsextremen Seriendrohungen von „NSU 2.0“ muss sich der Berliner Alexander M. in Frankfurt/Main vor dem Landgericht verantworten. Eine Frage, die ihn begleitet, lautet: hat er als Einzeltäter gehandelt?

Die Opfer von NSU 2.0, darunter die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz, gehen davon aus, dass rechtsextreme Polizisten dem Täter private Daten von Personen zugespielt haben, die dann bedroht wurden. Basay-Yildiz wirft der Frankfurter Polizei vor, sie wolle die Verstrickungen von Kolleginnen und Kollegen nicht aufklären. Die Wut der Anwältin ist verständlich. Es fällt schwer zu glauben, dass der Psychoterror von NSU 2.0 ohne Komplizen in der Polizei ablief.

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Es ist ein sicherheitspolitischer Alptraum. Bei vielen Menschen haben die Hinweise auf Rechtsextremisten bei der Polizei Entsetzen ausgelöst, das Vertrauen bekam erhebliche Risse. In Hessen hatte der Fall Konsequenzen, bis hin zur Auflösung des Spezialeinsatzkommandos. Doch auch in anderen Bundesländern gab es ähnliche Skandale. Sie alle nährten den Verdacht, dass die Sicherheitskräfte ein Sicherheitsproblem haben.
Auch wenn ein rechtsextremer Krimineller ein Drohschreiben alleine verschickt oder ein Attentat alleine verübt, heißt das noch lange nicht, dass er ohne Umfeld agiert. Doch immer wieder ist umstritten, welchen Beitrag zur Tat rechte Kumpane geleistet haben könnten. So wird bis heute diskutiert, ob der Rechtsextremist Gundolf Köhler im September 1980 den Anschlag auf das Münchner Oktoberfest ohne Hintermänner verübt hat. Die Bundesanwaltschaft rollte 2014 die Ermittlungen wieder auf, konnte dann aber nach sechs Jahren intensiver Recherche keine Mittäter benennen. Doch der Verdacht bleibt, dass Köhler von Neonazis aus dem Dunstkreis der Wehrsportgruppe Hoffmann zumindest angestiftet wurde.

Täter von Hanau im Sog von Verschwörungstheoretikern

Die Frage einer zumindest geistigen Beihilfe stellt sich auch im Fall Hanau. Vor zwei Jahren erschoss ein neun Menschen aus Einwandererfamilien. Zuvor war er im Internet in den Sog von Verschwörungstheoretikern geraten. Und der Vater des Täters interpretierte das Massaker als Operation von Geheimdiensten. Auch wenn die Ermittlungen zur Rolle des Vaters keinen Beleg für eine Mittäterschaft erbrachten, ist doch zu vermuten, dass an der Radikalisierung bis hin zum rassistischen Mörder mehrere Stimmen beteiligt waren.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser will demnächst einen Aktionsplan zur Bekämpfung von Rechtsextremismus vorstellen. Ein Punkt sollte sein, das Umfeld angeblicher Einzeltäter stärker auszuleuchten. Auch wenn es, wie im Fall NSU 2.0, der Polizei weh tut.

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