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Die Rodungen gehen weiter. Die Abholzarbeiten bei Grünheide wurden am Freitag fortgesetzt.

©  Annegret Hilse/Reuters

Das Dilemma der Grünen in Grünheide: Warum der Wald auf einmal „Kiefernplantage“ heißen muss

Naturschutz gegen Klimaschutz: Der Streit um die Rodungen der US-Firma Tesla in Grünheide zeigt die Zwickmühle, in der die Grünen stecken.

Für Tesla-Chef Elon Musk dürfte die Grüne Liga bisher kein Begriff gewesen sein, doch inzwischen kennt er die deutsche Umweltbewegung vielleicht. Sie hätte fast die erste europäische „Giga-Factory“ des US-Pioniers in Sachen Elektromobilität gestoppt.

Doch nun hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) die Klagen der Grüne Liga und des Vereins für Landschaftspflege und Artenschutz Bayern gegen die Rodung von 92 Hektar Kiefernwald für den Bau des Tesla-Werks in Berlin-Grünheide abgelehnt.

Der Fall zeigt allerdings, wie gespalten die Umweltbewegung hierzulande ist. Einer der Mentoren der „Fridays-for-Future“-Bewegung, der Professor für regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin, Volker Quaschning, nannte die Klage gegen die Rodung des Kiefernwaldes für das Tesla-Werk absurd. „Jede Bauverzögerung sorgt für mehr Benzin- und Dieselautos, mehr CO2 und verschärft die Klimakrise“, sagt Quaschning. Der Fall wirft auch die Frage auf, wann ein Wald überhaupt schützenswert ist?

Die Fläche in Grünheide wurde einst nach dem Zweiten Weltkrieg zur Holzproduktion gepflanzt. „Eine Kiefernholzplantage zum Kampffeld zu machen, ist absurd“, sagte der Grünen-Bundestagsfraktionsvize Oliver Krischer. Das habe mit Naturschutz nichts zu tun.

„Wie ökologisch wertvoll ist der Wald?“

Auch Berlins Grünen-Wirtschaftssenatorin Ramona Pop kritisierte: „Wie abwegig, eine Kieferplantage zu einem Wald zu erklären.“ Dagegen betont Thomas Weber, Vorsitzender des Waldbesitzerverbandes Brandenburg: „Es gibt keinen guten und schlechten Wald. Man kann Mischwald und Kiefernwald nicht gegeneinander aufwiegen.“

Jannes Stoppel von Greenpeace sagt, es sei klar, dass mehr Wald geschützt werden müsse. „Wir müssen uns aber überlegen: Wie ökologisch wertvoll ist der Wald?“ Die „Kiefernmonokultur“ in Grünheide, sei „eher ein Holzacker als ein Wald.“ Stünde dort ein älterer Mischwald, wäre die Abholzung aber ein No-Go.

Durch das Werk in Grünheide sollen 12 000 Arbeitsplätze entstehen, bis zu 500 000 Elektrofahrzeuge sollen ab 2021 vom Band laufen. Elektroautos, die man im Kampf gegen den Klimawandel dringend braucht. Tesla verspricht, den Wald an anderer Stelle aufzuforsten. Das Problem war der Zeitdruck: Sobald die Vegetationsperiode beginnt und Vögel anfangen zu brüten, darf nicht gefällt werden.

Auch im Kiefernwald gibt es eine Reihe von Moosen und Kräutern

Natürlich gebe es Unterschiede zwischen alten Mischwäldern und Kiefernwäldern, sagt Norbert Weber, Professor für Forstpolitik an der TU Dresden. In einem Mischwald gebe es deutlich mehr Pflanzen- und Tierarten. Aber auch ein Kiefernwald sei keine Plantage oder gar eine Monokultur.

„Diese Begriffe werden politisch eingesetzt“, sagt er. Bei einer Monokultur würden alle anderen Pflanzen „totgespritzt“, erklärt der Forstwissenschaftler. Im Kiefern- oder Fichtenwald gebe es eine Reihe von Moosen und Kräutern. „Und Plantagen gibt es in Deutschland nur auf landwirtschaftlichen Flächen“, sagt er.

Grünen-Politiker nutzen offenbar einen ganz neuen Begriff, den der „Kiefernplantage“, um ihrer Politik ein industriefreundlicheres Antlitz zu verleihen. Zumal es hier ja um „grünes Wirtschaften“ geht, Klimaschutz durch Elektroautos. Dabei ist für die Batterien auch ein erheblicher Rohstoffeinsatz notwendig, zum Beispiel Lithium aus Südamerika.

Der Interessenkonflikt

„Das ist ein Interessenskonflikt“, sagt Weber. „Einerseits geht es um den Natur- und Artenschutz vor Ort, andererseits um den Klimaschutz durch E-Mobilität.“ Zwar hat Tesla versprochen sogar mehr Wald aufzuforsten, als sie abholzen – aber es wird Jahre dauern, bis die Bäume eine ähnliche Größe haben. Kohlenstoff werde sowohl im Holz als auch im Boden gespeichert. Man dürfe nicht vergessen, dass auch der Wald einen Beitrag zum Klimaschutz leistet, sagt Weber.

Für Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie ist die Wald- oder Plantagenfrage zweitrangig, er sagt: „Die Herausforderungen mit Naturschutz und Umweltrecht sind im europäischen Vergleich einmalig“. Die Klagebefugnisse von Umweltverbänden müssten auf den Prüfstand, „sonst droht der Investitionsstandort Deutschland nachhaltig Schaden zu nehmen“. Die Autofabrik sei schließlich eine Riesenchance für Ostdeutschland.

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