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Annegret Kramp-Karrenbauer beim Bundesparteitag der CDU in Hamburg vergangenen Dezember.

© Florian Gaertner / imago images / photothek

Das Dilemma der CDU: Schlagartig ergrünen wäre der nächste Fehler

Die CDU steht vor einem Dilemma: Sie ist fixiert darauf, die rechte Flanke zu schließen. Dabei übersieht sie die Gefahr durch den grünen Trend. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

Ach, wenn sie doch besser ganz geschwiegen hätte! Aber Annegret Kramp-Karrenbauer musste sich ja unbedingt mit einer Welt anlegen, von der sie selbst und die Leute um sie herum nichts verstehen. Der ironische Titel, den der Youtuber Rezo seinem Video verpasst hat, bekommt dadurch nachträglich fast eine innere Wahrheit: „Die Zerstörung der CDU“ durch die CDU selbst war jedenfalls effektiver, als es der Auftritt der plötzlichen Pop-Berühmtheit von sich aus je geworden wäre.

Doch hinter der PR-Panne steckt mehr als ungeschicktes Tapsen im Neuland. Die CDU-Spitze hat ein schlechtes Gewissen und ein strategisches Dilemma, und aus beiden führt so leicht kein Weg hinaus.

Das schlechte Gewissen rührt aus dem nur zu berechtigten Gefühl her, dass man schon der ersten Rückkehr des Klima-Themas auf die politische Bühne sprachlos gegenüberstand. Die „Fridays for Future“-Demos erwischten die Christdemokraten kalt. Ihre Reaktionen erinnerte mehr an Piraten- denn an Volkspartei: Äh – nee – erst beraten – demnächst – haben wir irgendwie noch kein Haltung zu ...

Das stimmte ja. Es stimmt auf vielen Themenfeldern. Bei intaktem Selbstwertgefühl könnte die CDU dazu stehen. Als genetische Regierungspartei brauchte sie nie idealistische Gesamtkonzepte, sondern konnte sich auf das konkret Machbare berufen. Nicht mal die Idee für ein Konzept haben, ist allerdings auch zu wenig, besonders wenn einem die „Klimakanzlerin“ absehbar abhanden kommt.

Die CDU hat nicht aus Klimagründen an die Grünen verloren

Was also tun? Soll sich Kramp-Karrenbauer rezoblaue Strähnchen färben und die Partei schlagartig ergrünen? Die ersten frisch Bekehrten säuseln schon. Es wäre aber nur der nächste Fehler. Die CDU hat bei der Europawahl nicht aus Klimagründen so massiv an die Grünen verloren.

Die Ökotruppe legt zu, weil sie in den Augen vieler liberal-bürgerlichen Wähler schlicht für pragmatische Vernunft steht. Man muss Forsa-Umfragen nicht wörtlich nehmen, die unbedingt als erste die Grünen vor der CDU sehen wollen. Aber ein Trend ist unübersehbar.

Einen Teil dieser Wählerschaft hatte lange Merkel gebunden. Kramp-Karrenbauer, obwohl ihrer Vorgängerin eigentlich nicht unähnlich, schafft das bisher nicht. Sie hat es aber auch nicht versucht.

Die CDU steht für nichts mehr.Das Erfolgsrezept, dem politischen Gegner SPD pragmatisch die Themen weg zu kopieren funktioniert nur so lange wie dieser nicht politisch bedeutungslos wird. Dann bringt eine Koalition mit ihm einfach keine rechnerische Mehrheit mehr.

schreibt NutzerIn maxost

Da kommt das strategische Dilemma ins Spiel. In den letzten Jahren fast überall und im Osten immer noch von der AfD bedrängt, wollte die CDU-Chefin im Europawahlkampf verlorenen Boden nach rechts zurückerobern. Niemand merkte, dass „Sicherheit“ nicht mehr das Thema war – und in Sachsen, Thüringen und Brandenburg eh mit allem Möglichen verbunden wird, nur nicht mit der EU.

Es droht der alte Gegner

Der christdemokratische Generalstab beging den klassischen Fehler: Er versuchte die letzte Schlacht noch mal, aber diesmal siegreich zu schlagen und übersah die neue Gefahr. Den Fehler jetzt hektisch andersrum zu wiederholen, bleibt immer noch falsch. Das glaubt kein Mensch, und bei den Landtagswahlen im Herbst droht eh wieder der alte Gegner.

Wie man das Dilemma löst, ist schwer zu sagen. Vielleicht steht Kramp-Karrenbauer früher als gedacht vor der gleichen Frage, die Merkel für sich durch den Feldzug in einen beweglichen Ort namens „Mitte“ entschied: Wen kann ich gewinnen – und wen muss ich dafür verprellen? Nur sollte das eine bewusste Entscheidung sein. Die Generation Rezo versehentlich zu verscheuchen ist jedenfalls keine zukunftsträchtige Idee.

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