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Etwas härter, etwas länger – und dann soll die Impfung greifen. Michael Müller, Angela Merkel und Markus Söder verkünden neue Maßnahmen.

© Michel Kappeler/Pool via REUTERS

Dann halt Party im Büro: Die Lockdown-Verlängerung ist hart – aber gefährlich inkonsequent

Bund und Länder verlängern und verschärfen den Lockdown. Eine bessere Strategie haben sie nicht. Das könnte nach hinten losgehen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Benjamin Reuter

Monat Drei des Lockdowns, fast ein Jahr Pandemie und die Politik ist immer noch nicht schlauer. Sie reagiert auf Corona mit dem Mittel des vergangenen Frühjahrs. Allerdings ziemlich halbherzig. Das ist zugleich ein Armutszeugnis - und gefährlich.

Warum halbherzig? Weil die am Dienstag von Bund und Ländern verlängerten und neuen Maßnahmen, so weh sie tun, doch inkonsequent bleiben.

Nach dem Shutdown light im November folgte der Lockdown light im Dezember und jetzt der etwas härtere Lockdown im Januar. Weder der November noch der Dezember brachten Entspannung. Aus einem einfachen Grund: Die Menschen haben immer noch zu viele Kontakte. Und die werden auch die neuen Regeln nicht ausreichend reduzieren. Entspannung wird so wohl auch der Januar nicht bringen.

Denn die Menschen werden weiter in vollen Bussen und Bahnen zur Arbeit in die Fabriken und Büros fahren. Sie werden Einkaufen gehen. Kinder werden sich auf Spielplätzen treffen. Die Familie wird morgens Oma besuchen, nachmittags dann Opa und abends trinkt der Papa dann mit dem besten Freund ein Bier beim Fußball.

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Zugespitzt: Wer Party machen will, tut das am besten jetzt im Großraumbüro, denn dort können sich theoretisch immer noch eine uneingeschränkte Zahl von Menschen treffen. Natürlich mit Abstand. Aber wer soll den schon kontrollieren.

All das geht, all das werden die Bürger weiter tun. Ist das klug? Nein. Allerdings ist die Politik derzeit auch nicht klüger.

Radiusbeschränkungen bringen wenig

Auch die Bewegungseinschränkungen in den Hotspots werden wenig helfen. Ein Blick nach Sachsen, wo sie seit Mitte Dezember gelten, genügt. Dort stiegen die Infiziertenzahlen bis Weihnachten. Am 30. Dezember waren sie dann immer noch so hoch wie vor Weihnachten. Seitdem sinken sie leicht, aber wohl nicht, weil die Bürger vernünftiger werden und die Regeln wirken, sondern weil weniger getestet und übermittelt wird.

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Sprich, mit hoher Wahrscheinlichkeit ist das angepeilte Ziel von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in sieben Tagen mit den aktuellen Regeln bis Ende Februar nicht zu erreichen.

Von einem sehr strengen Lockdown, wie ihn Italien im Frühjahr 2020 teilweise mit der Abriegelung von Städten und dem Schließen von Fabriken hatte, ist Deutschland noch weit entfernt.

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Das Problem: Aktuell scheint es so, als würden erst solche superstrengen Maßnahmen helfen, um die Infizierten-Zahlen deutlich zu drücken. Aber um die ganz harten Entscheidungen, die zu den Zielen passen würden, drückt sich die Politik bisher.

Stattdessen setzen die Regierenden auf das Prinzip Hoffnung.

Wer sich auf sein Glück verlässt, steht am Ende vielleicht dumm da

Vielleicht hat die Politik ja auch Glück und es sind tatsächlich bis Ende Januar alle Bewohner in Alten- und Pflegeheimen in Deutschland durchgeimpft, wie Gesundheitsminister Jens Spahn es anpeilt. Das würde die Todeszahlen deutlich senken. In Berlin gehen rund die Hälfte der Covid-Todesfälle auf die Heimbewohner zurück, in anderen Bundesländern sind es noch deutlich mehr.

Je mehr Ältere in der Folge geimpft werden, desto leerer werden die Intensivstationen. Sinkende Todeszahlen könnten ein Argument sein, auch bei höheren Inzidenzwerten zu lockern – oder zumindest nicht weiter zu verschärfen.

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Aber das Prinzip Hoffnung ist ein schlechter Ratgeber für nachhaltige Politik. Wer sich auf sein Glück verlässt, steht dumm da, wenn er Pech hat.

Der Worst Case: Es träte eine Virusmutation auf, gegen die die entwickelten Impfstoffe wirkungslos sind (Experten warnen vor dieser Möglichkeit). Die westlichen Staaten würden in der Folge in kollektive Depression verfallen. Ihnen fehlt ein Plan B, es würden wieder nur Lockdowns bleiben.

Anders in den asiatischen Ländern, sie kommen mit Maßnahmen jenseits von Lockdowns bisher vergleichsweise ungeschoren durch die Pandemie. Und sie reagieren früh und sehr entschieden, wenn es sein muss. Japan hat aktuell eine Inzidenz von 21 und will in den Lockdown – mit dem klaren Ziel schnell und sicher zur alten Strategie zurückzukehren. Deutschland mit einer Inzidenz von 150 laviert.

Bleibt die fast mittelalterlich anmutende Hoffnung auf besseres Wetter, das das Virus zurückdrängt, wenn es menschliches Handeln nicht mehr vermag. Das half auch vergangenes Jahr schon, die Zahlen niedrig zu halten und ein halbwegs normales Leben zu ermöglichen. Und dann kam der Winter mit den bekannten Folgen.

Vorausschauend wäre es von der Politik, sich jetzt schon für den Worst Case vorzubereiten und Pläne jenseits des Lockdowns zu entwickeln und zu erproben. Denn Lockdown können wir jetzt, so halb zumindest.

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