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Herthas neuer Trainer Bruno Labbadia hat noch viel zu tun.

© Jan-Philipp Burmann/dpa

Dagmar Freitag zum Bundesliga-Neustart: „Das gesamte Konstrukt ist fragil“

Die Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag fordert von Bundesliga-Klubs die strikte Einhaltung der Regeln - und ist skeptisch, dass sich etwas ändert.

Von Katrin Schulze

Dagmar Freitag, 67, ist seit mehr als zehn Jahren Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag. Im Interview spricht die SPD-Politikerin über die Probleme, die der Neustart der Fußball-Bundesliga nach sich ziehen könnte, kritisiert das Verhalten von Angestellten des Berliner Bundesligisten Hertha BSC - sowie das Geschäftsmodell der DFL.

Frau Freitag, für wie verantwortungsvoll halten Sie einen Neustart der Bundesliga?
Zunächst sehe ich das ernsthafte Bemühen der DFL, mit einem stringenten Konzept die Durchführung von Geisterspielen überhaupt möglich zu machen. Die strikte Einhaltung der Regelungen ist Mindestvoraussetzung, liegt aber in der Verantwortung der Vereine. Jedes Konzept ist nur so gut wie seine Umsetzung in konkretes Handeln. Und Spieler und Angestellte von Hertha BSC haben vor einigen Tagen alles getan, um an diesem Willen Zweifel aufkommen zu lassen. Somit steht der Start des Neustarts hoffentlich unter verschärfter Beobachtung durch die Klubs selbst, die DFL und die Gesundheitsämter, die ohnehin das letzte Wort haben.

Welche Bedenken haben Sie?
Meine Sorge ist, dass noch nicht alle verstanden haben, wie fragil das gesamte Konstrukt ist. Oder, schlimmer noch, dass sie es gar nicht wirklich interessiert. Es liegt doch auf der Hand, dass das Treiben auf dem Platz und in den Kabinen in der Regel der Öffentlichkeit verborgen bleiben wird. Ich hoffe auch, dass die Fußballfans verstanden haben, dass sie die Spiele vor dem heimischen TV schauen oder - ich weiß, das hört sich altmodisch an - im Radio verfolgen. Was keinesfalls geht, sind Fanansammlungen vor den Stadien oder Geisterspiel-Partys in Hinterzimmern.

Wie ist es denn den Menschen zu vermitteln, dass etwa noch nicht alle Kinder Schulen oder Kitas besuchen dürfen, aber die Elite schon wieder Fußball spielt?
Ich werde ja auch aus meinem Wahlkreis mit diesem Fragen konfrontiert und verstehe manchen Unmut über die Entscheidung der Länder, den Spielbetrieb der Bundesliga wieder aufzunehmen. Ein wichtiges Signal war es daher, dass auch andere Sportaktivitäten wieder möglich sind und auch der Breitensport in den Vereinen, zwar langsam und unter besonderen Vorkehrungen, wieder ins Rollen kommt. Darauf haben alle Sportbegeisterten gewartet - und das ist mindestens so wichtig wie das Saisonfinale als Geisterspielbetrieb.

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Überzeugt Sie das Hygienekonzept der DFL?
Im Prinzip ja, denn es deckt jedenfalls nach meiner Einschätzung die wesentlichen Risikobereiche ab. Aber selbst wenn sie diszipliniert eingehalten werden, bleibt immer ein Restrisiko. Aber das ist im "richtigen" Leben nicht anders. Und wie wir gesehen haben, reagieren die einzelnen Gesundheitsämter vor Ort bei Coronafällen unterschiedlich. In Köln mussten nur positiv getestete Spieler in Quarantäne, in Dresden das gesamte Team. Wenn noch mehr Mannschaften für zwei Wochen aus dem Verkehr gezogen werden sollten, hätte das erhebliche Auswirkungen auf den Spielplan. Das kann dann schon das gesamte DFL-Konstrukt noch einmal ins Wanken bringen.

Dagmar Freitag (SPD) ist seit 2009, Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag.
Dagmar Freitag (SPD) ist seit 2009, Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag.

© Christoph Soeder/dpa

Was halten Sie davon, dass keine unabhängigen Ärzte, sondern Mannschaftsbetreuer die Corona-Tests vornehmen?
Die Bedeutung unabhängiger Tests kennen wir aus dem Bereich der Dopingbekämpfung. Hier würde niemand auf die Idee kommen, Tests von involvierten und damit eben nicht unabhängigen Personen zu akzeptieren. Transparenz ist wichtig und ich würde mir hier mehr Unabhängigkeit wünschen.

Einige Spieler haben zuletzt geäußert, dass Sie in die Entscheidung nicht einbezogen waren und sehen den Restart kritisch. Müssen Sie künftig besser einbezogen werden?
Ich habe diese Stimmen ebenfalls vernommen. Ein großer Aufschrei allerdings blieb nach meiner Wahrnehmung aus. Das mag unterschiedliche Gründe haben, zum Beispiel, dass Spieler Sorge um ihren Marktwert haben. Da gibt es dann für die meisten nicht mehr viel abzuwägen.

Glauben Sie, dass sich durch die Coronakrise wirklich längerfristig etwas am Bundesliga-Geschäft ändern wird, wie es die Liga vorgegeben hat?

DFL-Chef Seifert hat jedenfalls völlig zu Recht angemahnt, dass diese Krise und auch die kritische Haltung der Bevölkerung zu Geisterspielen Grund genug sei, über mögliche Fehlentwicklungen im Profifußball ernsthaft zu reden. Was ist das für ein Geschäftsgebaren, wenn Vereine einräumen müssen, dass allein ein mögliches Ausbleiben der letzten TV-Rate sie an den Rand der Insolvenz treiben würde? Aber persönlich bin ich eher skeptisch, dass sich etwas verändert. Diese Skepsis ist verstärkt worden durch einen Bericht, dass Investor Windhorst hat verlauten lassen, dass er auch noch gut und gerne 100 oder 150 Millionen Euro bei Hertha zuschießen könne, wenn gewünscht oder notwendig. Warum sollte unter solchen Umständen ein Umdenken in der Branche einsetzen?

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