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CSU-Kurswechsel: NPD-Verbot: Zur Wiedervorlage

Nach dem Anschlag auf den Passauer Polizeichef wird nun über ein Verbot der NPD gestritten. Warum wird diese alte Idee aufs Neue hervorgeholt?

Von Frank Jansen

Der Täter ist noch nicht gefasst. Doch das Attentat auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl hat die CSU derart erschreckt, dass jetzt ein Kurswechsel ansteht. Der bayerische Regierungschef Horst Seehofer und sein Innenminister Joachim Herrmann denken nun laut über einen neuen Anlauf zu einem NPD-Verbotsverfahren nach – und geben damit das frühere Nein, zumindest rhetorisch, auf. Doch selbst in der CSU gibt es Widerspruch. Aus dem Bundestag kam am Dienstag eine klare Absage von Hans-Peter Uhl, dem innenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion. Vor einer übereilten Gangart warnte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer. Nach Ansicht von Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) hat auch der Anschlag von Passau nichts an dem Dilemma geändert, dass das Bundesverfassungsgericht den Abzug der V-Leute des Verfassungsschutzes aus der NPD verlangt, bevor ein Verfahren eingeleitet werden kann. Und der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan J. Kramer, nannte die Debatte „populistisch und verlogen“. Doch sie ist nun wieder entfacht.

Was spricht für ein Verbot?

Die NPD dominiert das rechtsextreme Spektrum. Sie ist mit der DVU in einem „Deutschland-Pakt“ verbündet, außerdem wird die Partei von vielen ungebundenen Neonazis zumindest in Wahlkämpfen unterstützt. Bräche die NPD weg, gingen der Szene wichtige Strukturen und viel Geld verloren, gerade auch aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Vermutlich würden allerdings viele Ex-Mitglieder der NPD in die DVU eintreten, um sie zu kapern. Dann müsste ein weiteres, langwieriges Parteiverbotsverfahren eingeleitet werden.

Wer unterstützt so ein Verbotsverfahren?

Vor dem Angriff auf Alois Mannichl haben „nur“ die SPD, mehrere Gewerkschaften und Lorenz Caffier, CDU-Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern (hier sitzt die NPD im Landtag), kampagnenartig einen neuen Anlauf zu einem NPD-Verbotsverfahren gefordert. Die anderen Innenminister der Union waren angesichts des Desasters von 2003 dagegen. Damals stellte das Bundesverfassungsgericht das NPD-Verbotsverfahren ein, das Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung beantragt hatten. Dem Gericht war nicht klar, wie stark der Staat über V-Leute des Verfassungsschutzes Einfluss auf die NPD-Führung genommen hatte.

Dass Seehofer und Herrmann nun über ein Verbot der NPD nachdenken, könnte einen Konflikt mit dem Koalitionspartner FDP bedeuten. Der ist strikt gegen einen weiteren Anlauf. Der aus Passau stammende Max Stadler, Innenexperte der FDP-Bundestagsfraktion und Mitglied des Vorstands der bayerischen Liberalen, hat am Dienstag ein NPD-Verbotsverfahren erneut abgelehnt. Gegen die FDP, die in drei weiteren Ländern mitregiert, wäre zumindest im Bundesrat ein Antrag auf ein NPD-Verbot kaum durchzusetzen.

Könnte mit einem Verbot der NPD rechtsextreme Gewalt eingedämmt werden?

Seit der Wiedervereinigung wurden in Deutschland 27 rechtsextremistische Organisationen verboten. Viele, wie die Nationalistische Front, die Skinheads Allgäu, der Hamburger Sturm oder die Kameradschaft Tor in Berlin waren dem gewaltbereiten Spektrum nahe oder gehörten ihm an. Auf die Entwicklung der Fallzahlen bei rechtsextremer Gewaltkriminalität hatten die Verbote nur begrenzte Wirkung. Nach den pogromartigen Angriffen auf Asylbewerber in Rostock, Hoyerswerda und anderen Orten Anfang der 90er Jahre nahm die Zahl der rechten Straftaten 1994 und 1995 ab, als Folge verschärfter staatlicher Repression in Kombination mit dem Verbot mehrerer Neonazi-Vereine. Doch die Szene bildete neue Strukturen, vor allem eher lose organisierte „Kameradschaften“. Außerdem nahm ab 1996 die rechte Gewalt wieder deutlich zu – und es zeichnet sich, trotz einiger Schwankungen, kein Ende ab.

Daran würde sich vermutlich auch mit einem Verbot der NPD nichts ändern. Rechtsextreme Gewalt ist ein Dauerphänomen, wie sich vor allem im Osten zeigt.

Wie stark ist rechte Gewalt mit der NPD verbunden?

Während der rassistischen Ausschreitungen 1991 und 1992 war die NPD in den neuen Ländern kaum präsent. Als die Partei ab 1996 stärker im Osten agitierte und 2004 sogar in den sächsischen Landtag einziehen konnte, heizte sie mit ihren Parolen den Fanatismus der jungrechten Szene zusätzlich an. Allerdings hätten viele Neonazis und Skinheads auch ohne die NPD weiter gewütet. Eine taktische Zurückhaltung, um Wahlchancen der NPD nicht zu gefährden, hat es bei den braunen Cliquen kaum je gegeben. Außerdem werden viele Gewalttaten spontan verübt, unter Einfluss von Alkohol. Ein rechter Schläger denkt meist nicht darüber nach, ob seine Tat der NPD schaden könnte. Und ein Teil der gewaltbereiten Szene driftet von der Partei weg. Viele der „Autonomen Nationalisten“, die das linksradikale Pendant imitieren, sind auf action geeicht und verachten die NPD. Ein Verbot der Partei würde diese gewaltbereiten Neonazis erst recht in ihrem Wahn bestärken, das 4. Reich müsse mit einem gewaltsamen, revolutionären Umsturz erzwungen werden.

Was haben Parteienverbote gebracht?

In der Bundesrepublik sind bislang zwei Parteien verboten worden. Das Bundesverfassungsgericht beendete 1952 die Existenz der tiefbraunen „Sozialistischen Reichspartei (SRP)“, 1956 war die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) an der Reihe. Im Fall der SRP stoppte das Urteil den Versuch alter Nazis, die NSDAP unter neuem Namen wiederzubeleben. Das Verbot hat die noch junge Bundesrepublik vor Verwerfungen bewahrt, auch wenn rechtsextreme Gewalt damals kaum eine Rolle spielte. Altnazis und andere Rechtsextremisten sammelten sich allerdings wieder in neuen Parteien, die sich um ein gemäßigtes Image bemühten. 1964 wurde die NPD gegründet, die eher nationalkonservativ auftrat und rasch enorme Wahlerfolge errang. Die weitere Radikalisierung erfolgte mit dem Niedergang der Partei nach der Niederlage bei der Bundestagswahl 1969.

Von der KPD, beim Verbot schon marginalisiert, überlebten Reststrukturen. 1968 entstand als eine Art Wiedergänger die ebenfalls moskautreue DKP.

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