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Horst Seehofer und eine Abordnung des Bundes der bayerischen Gebirgsschützen-Kompanien. (Archiv)

© dpa/Christina Sabrowsky

CSU-Chef wechselt nach Berlin: Was Horst Seehofer aus der Heimat machen könnte

Als Bundesinnenminister mit Heimataufgaben will der CSU-Chef abgekoppelte Regionen stärken. Nebenabsichten sind nicht ausgeschlossen. Aus NRW kommen schon Warnungen.

Er kommt also. Horst Seehofer wechselt ins nächste Bundeskabinett. Das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten gibt er an Markus Söder ab, den Parteivorsitz der CSU behält er vorsichtshalber noch eine Weile, und in Berlin betritt er Neuland. Den schmerzhaften Abschied verbindet er so geschickt mit Kontinuität und Ankunft – Seehofer ist eben ein gewiefter Hund, wie man in Bayern sagt. Den Neustart als Bundesinnenminister hat er mit der Entscheidung, den Ressortnamen um den Begriff „Heimat“ zu erweitern, zu einem kleinen Ereignis gestaltet, das bis in die Feuilletons ausstrahlt. Bundesheimatminister – darauf muss man kommen. Aber das Regionale mit dem Nationalen zu verbinden, ist ja eine Spezialität der CSU.

Ina Scharrenbach ist nur für das Regionale zuständig. Sie hat Seehofer aber ein knappes Amtsjahr voraus. Die CDU-Politikerin ist auch Heimatministerin, und zwar in Nordrhein-Westfalen, das groß ist und so aus vielen Heimaten besteht. Ihr Ressort hat ähnliche Aufgaben wie Seehofers neu zugeschnittenes Bundesinnenministerium – es geht ebenfalls um das Bauen und das Kommunale.

Was die Ressortaufgabe Heimat betrifft, hat Scharrenbach einen kommunitarischen Ansatz: Sie will dazu beitragen, den lokalen und regionalen Zusammenhalt zu stärken und das politische Leben in kleinen Räumen, vor allem den ländlichen, zu aktivieren. Geld ist dabei hilfreich, aber der Etat von 1,2 Milliarden Euro (2018) gehört zu den kleinen innerhalb ihrer Landesregierung, und ein Teil davon ist für Gleichstellung reserviert, eine zusätzliche Aufgabe Scharrenbachs. Die Ministerin will daher mit Heimatkongressen und Heimatkursen für Ehrenamtliche bürgerschaftliches Engagement stärken – das Gefühl des Abgehängtseins hat schließlich auch mit regionaler Selbstaufgabe zu tun, eine Lehre aus Ostdeutschland. Dazu soll es in NRW erst gar nicht kommen.

Ein Amt gegen die AfD?

Dass die AfD vor allem im Osten punktet und sich dort zur Regionalpartei aufplustern konnte, hängt durchaus mit einem Verlust an Heimatgefühl zusammen. Nicht umsonst arbeiten die Rechtspopulisten mit dem Slogan, der schon beim Brexit-Referendum in Großbritannien und bei der Wahl von Donald Trump eine Rolle spielte: „Holt euch euer Land zurück“, skandieren die Weidels und Gaulands.

Während sie im Westen eher bei Niedrigverdienern im Arbeitermilieu punkten oder bei Europagegnern im bürgerlichen Lager, wo man auch stets besorgt ist um die Haltbarkeit des zusammengekratzten Vermögens, sprechen sie im Osten tatsächliche Heimatverlustgefühle an, die von CDU- oder SPD-geführten Landesregierungen offenbar bisher zu wenig angesprochen wurden. Gerade in überalternden Regionen, in denen eher kleine und mittlere Handwerksbetriebe die Wirtschaftsstruktur prägen als große Produktionsstätten, ist die AfD nach einer Wählerstudie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) erfolgreich – oft an den Grenzen zu Polen und Tschechien.

Und da kann Seehofer mitreden. Denn an Tschechien grenzen auch viele bayerische Problemregionen. Schon seine Entscheidung von 2013, in Bayern das Finanzministerium um eine Heimataufgabe zu ergänzen (Digitalisierung inklusive), sollte einer tatsächlichen oder gefühlten Perspektivlosigkeit in solchen Gegenden entgegenwirken. Es sind gerade die fränkischen Randregionen und auch die Oberpfalz, in denen sich die Bewohner zunehmend entkoppelt fühlen, weil das große Geld anderswo investiert wird und die Zukunftsaussichten so trüb sind wie die Funklöcher weiträumig. Die Lade- und Sendezeiten im Internet sind oft zu langsam. Jüngere ziehen weg, weil die Chancen anderswo liegen.

Dass der neue Finanzminister Söder bald eine heimatministerielle Außenstelle nach Nürnberg, in seine fränkische Heimat verlegte, hatte mit dessen eigenem Machtinteresse zu tun, zeigte aber auch die Wirksamkeit der Überlegung, mit Heimat wieder Politik zu machen. Das Heimatressort sollte ein Signal sein, dass die in München verstanden haben. Das will Seehofer im Bund wiederholen: Sankt Horst, der Patron verärgerter und verängstigter Heimaten.

Ein Amt für Bayern?

Aber wer nun glaubt, Seehofer wolle nur ein konservativ gefärbtes Gefühlsministerium zum Einfangen abtrünniger Wählerseelen installieren, der kennt die Christsozialen schlecht. Sie sind knochenharte Materialisten, insbesondere die, die im Bundestag dafür sorgen sollen, dass Bayern nicht zu kurz kommt. Was im Finanzausgleich an andere Regionen geht, soll irgendwie und so üppig wie möglich über den Bundeshaushalt kompensiert werden.

Die CSU-Politiker sind Meister im Geldzapfen, denen der Bundesetat als großes Fass erscheint, von dessen Met so viel als möglich in weiß-blaue Krüge fließen soll. Aus diesem Grund ist die CSU auch stets scharf auf das Bundesverkehrsministerium, zumal es seit einigen Jahren die Digitalpolitik mitverantwortet – also den Breitbandausbau in ländlichen Gebieten.

Scharrenbach in NRW hat das schon verstanden. Ein Bundesheimatminister, gibt sie zu bedenken, müsse „die Vielfältigkeit der Länder und Regionen wertschätzen“. Deutschland bestehe nicht nur aus einem Land. Keines dürfe bevorzugt werden. Und ganz konkret: „Nordrhein-Westfalen ist Hauptabnehmer bei der Städtebauförderung des Bundes, und ich gehe davon aus, dass das so bleibt.“ Seehofer bekommt die Bauförderung – nicht auszuschließen , dass er im Zuge der im Koalitionsvertrag vereinbarten stärkeren Berücksichtigung ländlicher Räume die Wohnungsbaumittel vermehrt dorthin streuen möchte.

Dass die Kommunalprogramme des Bundes zuletzt stark auf die Bedürfnisse von NRW zurechtgeschneidert waren, muss keineswegs für weitere Programme gelten. Seehofer könnte durchaus auf eine Art Ostgrenzenförderung zielen, im Verein mit den ostdeutschen Ministerpräsidenten. Allerdings hat er im Kampf um Zuständigkeiten offenbar nicht erreicht, dass dafür Kompetenzen aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium auch noch ins neue Innenministerium wandern.

Ein Amt zum Schutz vor allem Fremden?

Noch eines könnte Seehofer mit seiner neuen Aufgabe als Heimatminister verbinden. Schließlich bleibt das Innenministerium vor allem für das Konglomerat aus innerer Sicherheit und Migrationspolitik wichtig, jene Felder, auf denen aus seiner Sicht die alte Bundesregierung in der Flüchtlingskrise suboptimal agierte. Und nicht zuletzt Angela Merkel. Die Kanzlerin vor allem haben die obersten Christsozialen als Schuldige dafür ausgemacht, dass die CSU bei der Bundestagswahl einbrach und nun vor der Landtagswahl im Herbst nervös bangen muss.

Nun kann Seehofer in weiterer Funktion auftreten: als Schutzmann gegen die seit jeher größte Bedrohung der Heimat – das Fremde und die Fremden. Gut möglich auch, dass der ans Repräsentieren gewohnte Ministerpräsident sich auf etwas verlegen könnte, was in NRW die Kollegin Scharrenbach gerade angeht, in Gesamtdeutschland aber Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hauptamtlich betreibt: Heimattouren veranstalten und im Kontakt mit den Leuten Heimatgefühl vermitteln.

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