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Berlins Regierender Bürgermeister Müller: Denn er weiß nicht, was er tut

© John Macdougall/AFP

Coronavirus in Berlin: Michael Müllers Planlosigkeit macht mir Angst

Statt auf Experten zu hören, duckt sich der Regierende Bürgermeister weg, um dann die Schuld beim Föderalismus zu suchen. Ein Wutausbruch unserer Kolumnistin.

In den sozialen Medien kursiert ein Video einer älteren Frau. Gut gelaunt plaudert sie in die Kamera: „In Kassel ist noch gar nichts. In Kassel ist auch kein Conora (sic!). Und jetzt haben wir erst mal Berlin gebucht, drei Tage, und ich sag' mir ganz einfach: Ich krieg das nicht. Ich will das nicht.“ Warum ich Ihnen davon erzähle? Nun, diese 15 Sekunden hätten sinngemäß auch vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller sein können. So ungefähr nimmt er nämlich seine politische Verantwortung in der Corona-Krise wahr.

Entschuldigen Sie meinen Zynismus, aber ich muss ein wenig meine Wut kompensieren. Als am Freitag die Nachricht kam, dass sich nun endlich auch Berlin bequemt, Schulen und Kitas zu schließen, habe ich HEUREKA geschrien. Meine Nachbarn haben bestimmt gedacht, dass ich mich über meinen negativen Corona-Test freue.

Dem Virologen Alexander Kekulé sollte man zuhören

Warum ich so erleichtert bin, hat damit zu tun, dass seit Tagen alle Experten dringend dazu raten, die sozialen Kontakte soweit es möglich ist, einzustellen. Der Virologe Professor Alexander Kekulé sagte zum Beispiel schon am 5. März: „Wenn wir jetzt 14 Tage Corona-Ferien für Schulen, Kitas und Großveranstaltungen verordnen, können wir die Zahl der künftigen Erkrankungen und Toten erheblich reduzieren.“

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Nachdem ich in vielen Experten-Berichten gelesen habe, warum es so wichtig ist, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, schrieb ich unserem Schulleiter eine E-Mail. Sachlich, mit Fakten und Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts und des Charité-Virologen Christian Drosten, wollte ich unseren Schulleiter sensibilisieren, zügig eine Entscheidung einzufordern.

Die Antwort kam prompt: „Liebe Frau Akyün, obwohl die Schule Ihre Besorgnis versteht und teilt, sind wir von den Behörden informiert worden, dass jede Entscheidung zur Schließung der Schule im Interesse der Verlangsamung der Verbreitung des Covid-19-Virus vom Gesundheitsamt getroffen werden muss. Wir haben keine unabhängige Gerichtsbarkeit über eine solche Entscheidung.“

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Einerseits kann ich natürlich verstehen, dass unserem Schulleiter die Hände gebunden sind, andererseits haben wir es aber mit einer Not-Situation zu tun, die nach einem Notfallplan ruft. Aber mir geht es nicht darum, die großartige Arbeit des Lehrpersonals an unseren Schulen zu kritisieren. Sie haben alles Mögliche versucht, in dem Chaos zu informieren und Ruhe zu bewahren.

Abwarten und Tee trinken und gucken, was die anderen machen

Ich bin wütend auf Michael Müller, auf seine Schulsenatorin und auf seine Gesundheitssenatorin, wie sie seit Tagen alle Experten ignorieren, statt konsequent Maßnahmen gegen die Ausbreitung zu beschließen. Abwarten und Tee trinken scheint die Devise zu sein, gucken, was die anderen machen. Mittlerweile gibt es in Berlin 158 bestätigte Fälle, stündlich werden es mehr. Wie hoch die tatsächliche Zahl ist, weiß niemand. Aber man kann davon ausgehen, dass es das Vielfache ist.

Statt sich also der Verantwortung zu stellen, serviert uns Müller scheibenweise seine Taktik, schiebt beleidigt die Schuld auf die Bundesebene, indem er von „Flickenteppich“ schwadroniert. Hinter den anderen verstecken und wenn man ihn trotzdem findet, die Verantwortung delegieren. „Föderalismus ist nicht dafür da, dass man Verantwortung wegschiebt, sondern Föderalismus ist dafür da, dass jeder an seiner Stelle Verantwortung wahrnimmt“, sagte die Kanzlerin schließlich Richtung Rotes Rathaus.

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Ich weiß nicht, warum mich das altbekannte Müllersche Rumgeeiere so aufregt. Wahrscheinlich, weil es diesmal um Leben und Tod geht. Niemand zweifelt daran, dass es nur noch darum geht, die Verbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen, um einen Kollaps der Krankenhäuser zu verhindern. Der Reinickendorfer Amtsarzt Patrick Larscheid sagte schon vor Tagen, dass dies nur zu erreichen sei, wenn man das öffentliche Leben weitgehend einstellt. Hört Müller eigentlich zu?

Müllers Mutlosigkeit ist erschreckend

Meistens habe ich über Müller und sein eigenartiges Regierungsverständnis nur gelacht. Oder ich empfand ihn als inkompetent. Seit dieser Woche aber habe ich als Bürgerin Angst vor diesem planlosen Regierenden Bürgermeister. Seine Mutlosigkeit, aber vor allem seine Verantwortungslosigkeit ist erschreckend.

Man kann nur mit den Ochsen pflügen, die man hat, heißt es in einem afrikanischen Sprichwort. Ich habe längst den Eindruck, dass Müller in Berlin nicht mal mehr pflügen will. Wo ist sein Schweiß, wo seine Lust, wo seine Leidenschaft fürs Regieren? Stattdessen seit Jahren geplantes Chaos, nur diesmal mit einer tödlichen Dimension. Man kann nur hoffen, dass das unverantwortliche Zögern für niemanden in Berlin tödlich endet. Eine schaurige Vorstellung, dass dieser Typ Politiker vielleicht demnächst im Bundestag sitzt. In den sozialen Medien schrieb jemand: „Drucker ist ein ehrenwerter Beruf. Weshalb macht Müller nicht, was er gelernt hat? Vielleicht kann er das.“

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