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Ein als Geist verkleideter Mann sitzt auf den leeren Rängen eines Fußballstadions

© Oliver Berg / dpa

Coronavirus-Ansteckung durch sozialen Kontakt: Von der Geburtstagsfeier bis zum DFB-Spiel – was muss wirklich abgesagt werden?

Die Folgen der Coronavirus-Epidemie werden immer spürbarer. Eine Frage, die viele Betroffene umtreibt: Bekomme ich Geld für schon gekaufte Tickets zurück?

Es leuchtet jedem ein, dass 5000 Fußballfans, die sich an frischer Luft im weiten Olympiastadion auf den Rängen verteilen, ein geringeres Infektionsrisiko haben dürften als 40 Gäste einer Geburtstagsparty, die sich in einem Wohnzimmer drängen und das Buffet und Küsschen teilen. Eine Grenze, ab der eine soziale Zusammenkunft risikolos ist, lässt sich also nicht abstrakt definieren.

Dass sich jeder in den nächsten Wochen überlegen sollte, jeglichen sozialen Kontakt auf das notwendige Minimum einzuschränken, ist von der Zahl 1000 also unabhängig.

Hintergrund über das Coronavirus:

Doch in der Seuchenbekämpfung geht es um Wahrscheinlichkeiten, das statistische Risiko von Ansteckung. Wenn die Maßnahme „Erfolgsaussichten hat, die Epidemie zu verlangsamen, und im sinnvollen Verhältnis zum erhofften Effekt erscheint, dann kann es durchaus stimmig sein, eine bestimmte Anzahl von Teilnehmern einer Veranstaltung als Grenze zu definieren“, erklärt der Epidemiologe Gérard Krause vom Braunschweiger Helmholtzzentrum für Infektionsforschung.

„Eine solche Grenze muss dann nicht durch biologische oder epidemiologische Evidenz belegt sein, sondern es kann durchaus legitim sein, eine Grenze zu wählen, die sich an logistisch-organisatorischen Aspekten orientiert.“

Was wird aus der Fußballbundesliga, wenn keiner mehr ins Stadion geht?

Fußball lebt von den Fans und deren Emotionen auf den Rängen. Ein Spiel vor leeren Rängen hat mit einer typischen Stadionatmosphäre in der Bundesliga nichts zu tun, in Italien gibt es bereits seit Tagen Geisterspiele – sie wirken sehr künstlich; in einem leeren Stadion herrscht eine ganz andere Akustik, die auch in der Fernsehübertragung fehlt.

Den Heimmannschaften wird auch ihr Vorteil genommen, die Spiele finden quasi auf neutralem Grund statt. Und nicht zuletzt fehlen ohne Zuschauer auch Einnahmen.

Wird auch das Kulturleben eingeschränkt?

Ab Dienstag wird auch die Kuppel auf dem Reichstagsgebäudes bis auf Weiteres geschlossen bleiben. Außerdem sollen die Abgeordneten ab der kommenden Woche keine Besuchergruppen mehr aus ihren Wahlkreisen empfangen. Der aktuelle Sitzungsbetrieb des Bundestages ist zunächst nicht betroffen

Von den 48 bestätigten Coronavirus-Infektionen in Berlin hängen 35 Prozent mit dem Club „Trompete“ zusammen, teilte die Senatsgesundheitsverwaltung mit: Bei einem später positiv getesteten Gast haben sich demnach 16 weitere Männer und Frauen angesteckt – es sei auch möglich, dass noch weitere hinzukommen; dazu müssten die 14 Tage Inkubationszeit für die mehr als 60 Kontaktpersonen aus der „Trompete“ abgewartet werden.

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Im besonders vom Coronavirus betroffenen Italien sind bis einschließlich 3. April sämtliche Bühnen geschlossen. Der Bürgermeister von San Francisco hat verfügt, dass bis zum 20. März in seiner Stadt keine Konzerte stattfinden dürfen. Im Oman hat das Königliche Opernhaus in Muscat sämtliche Termine bis zum Ende der laufenden Saison gestrichen.

In Frankreich wurden am Montag Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern verboten. Auch in der Schweiz sind Veranstaltungen mit über 1000 Besuchern verboten. Im Klassikbereich allerdings zeigt man sich dort pragmatisch und lässt die Abende dann zu, wenn große Säle nicht komplett gefüllt sind. 900 Besucher plus Orchester dürfen so beispielsweise in Zürich in der Tonhalle respektive der Oper zusammenkommen.

[Verfolgen Sie die Ereignisse zum Coronavirus in Berlin in einem eigenen Liveblog]

In Berlin dürfen Klassik- und Popkonzerte mit mehr als 1000 Besuchern weiter stattfinden. Sowohl die Philharmonie wie auch das Konzerthaus und die drei Berliner Opern bieten pro Abend deutlich mehr als 1000 Sitzplätze an.

Daniel Bartsch, Pressesprecher der Berliner Kulturverwaltung, erklärt: „Wir orientieren uns an der Lageeinschätzung des Robert-Koch-Instituts. Und die hat sich nicht geändert.“ Darum könnten die Veranstalter die Risikoabwägung jeweils für ihre Säle selber treffen.

Bekomme ich mein Geld zurück, wenn Veranstaltungen ausfallen oder ich nicht daran teilnehmen kann?

Noch zeigen sich die großen Konzertveranstalter und -vermarkter optimistisch. Alle Veranstaltungen würden bis auf Weiteres „planmäßig durchgeführt“, heißt es bei der Deutschen Entertainment AG (DEAG). Bei Eventim findet der Großteil der Veranstaltungen ohnedies erst im Sommer und in der zweiten Jahreshälfte statt.

„Auf der Grundlage der aktuellen Situation gibt es keinen Grund zur Annahme, dass die großen Festivals im Sommer unter freiem Himmel nicht stattfinden werden“, sagt Sprecher Thomas Kollner. Sollten wegen des Coronavirus Konzerte oder andere Events abgesagt werden, können Kunden ihren Ticketpreis zurückverlangen. „Bei höherer Gewalt wird der Ticketpreis ersetzt“, sagt Julia Rehberg von der Verbraucherzentrale Hamburg.

Anders sieht es mit weiter gehenden Kosten etwa fürs Hotel oder An- und Abreise aus: „Diese Ausgaben bekommt man nicht zurück“, warnt die Verbraucherschützerin. Die Bahn erstattet im Rahmen einer Kulanzregelung aber Bahntickets für Veranstaltungen, die wegen des Coronavirus ausfallen.

Das Berliner Olympiastadion mit verschlossenen Toren.
Das Berliner Olympiastadion mit verschlossenen Toren.

© Jürgen Engler

Die Bundesligisten Hertha BSC und Union Berlin halten sich bedeckt, ob sie Tickets ersetzen wollen, falls Spiele abgesagt werden oder nur als Geisterspiele stattfinden. Ausschlüsse in den Geschäftsbedingungen, dass es keinen Ersatz für Tickets bei höherer Gewalt gibt, sind aber unzulässig. Das gilt auch für Fußballspiele: Fans können verlangen, ihr Geld zurückzubekommen.

Findet eine Veranstaltung statt und man lässt sein Ticket aus Angst vor Ansteckung verfallen, bleibt man auf den Kosten sitzen. Der Berliner Kultursenator begrüße es, wenn sich die Institutionen kulant gegenüber Menschen verhielten, die aus Angst vor dem Coronavirus Tickets zurückgeben wollten, erklärte der Sprecher von Klaus Lederer (Linkspartei).

Kann man nicht teilnehmen, weil man in Quarantäne ist, hängt die Kostenfrage davon ab, ob man selbst krank ist oder nicht: Im ersten Fall gibt es keinen Ersatz, sagt Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg – das sei nicht anders, als wenn man sich das Bein bricht. Hat man eine Ticketversicherung, zahlt die möglicherweise gegen Vorlage eines Attests.

Ist man dagegen nicht infiziert und hätte – ohne Quarantäne – zum Konzert gehen können, kann man seine Ticket- und Zusatzkosten dem Staat im Rahmen eines Staatshaftungsanspruchs in Rechnung stellen.

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