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Von einem Wassertransporter in Addis Abeba aus wird Desinfektionsmittel auf die gesperrten Hauptstraßen der äthiopischen Hauptstadt verteilt, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen.

© dpa/ Mulugeta Ayene

Coronavirus am Horn von Afrika: „Lage in Äthiopien und Eritrea braucht unsere Aufmerksamkeit“

Äthiopien gilt als Hort der Stabilität am Horn von Afrika, doch der Friedensprozess stockt. Das Coronavirus könnte als Krisenverstärker in der Region wirken.

Wie Ursula von der Leyen Äthiopien sieht, konnte man zuletzt Ende Februar beobachten. Kurz vor Beginn der globalen Coronakrise reiste die Präsidentin des EU-Exekutivorgans zusammen mit den Mitgliedern ihrer Kommission nach Addis Abeba. Die Hauptstadt Äthiopiens ist Sitz der Afrikanischen Union, die Reise galt einer gemeinsamen Sitzung mit ihrem Rat. Für von der Leyen war es bereits der zweite Trip nach Addis Abeba in wenigen Monaten. Auch Macron war kürzlich hier. Und seit Amtsantritt des jungen Regierungschefs Abiy Ahmed im April 2018 statteten ihm diverse deutsche Politiker einen Besuch ab, darunter Außenminister Heiko Maas und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Äthiopien gilt trotz der Coronakrise und des vor Kurzem ausgerufenen Notstands als Hoffnungsträger in einer von Konflikten geplagten Region. Abiy hat in dem Land mit 105 Millionen Einwohnern Reformen angestoßen, wie die Freilassung politischer Gefangener und die Wiederherstellung der Pressefreiheit. Nach 18 Jahren der Spannungen gelang es ihm, Frieden zwischen Äthiopien und Eritrea zu schließen. Im Sudan bemühte er sich nach dem Sturz des Diktators Omar al Baschir um eine friedliche politische Lösung. Im vergangenen Jahr erhielt er den Friedensnobelpreis. „Die Europäer umschmeicheln Abiy und das Land als Hort der Stabilität“, sagt Nicole Hirt, Politikwissenschaftlerin am Leibniz-Institut für globale und regionale Studien in Hamburg.

In besseren Zeiten: Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed und Eritreas Präsident Isaias Afeworki bei der Wiedereröffnung der Botschaft in Addis Abeba 2018.
In besseren Zeiten: Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed und Eritreas Präsident Isaias Afeworki bei der Wiedereröffnung der Botschaft in Addis Abeba 2018.

© M. Tewelde/AFP

Doch neben den Europäern buhlen längst auch China sowie Regionalmächte wie Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate um Einfluss in der Region. Ein Grund ist Äthiopien als Absatzmarkt. Das nahe Rote Meer, eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt und Transportweg für Güter nach Asien, ist ein anderer. Doch gerade das Interesse der autokratischen Mächte ist ein Problem: „Sie gefährden die fragile Stabilität und Entwicklung der Region“, sagt Hirt. „Die Einflussnahme in Äthiopien und Eritrea ist enorm und hat gerade durch den Iran-Konflikt stark zugenommen.“

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Schon beim Friedensschluss zwischen Äthiopien und Eritrea versuchten Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate sich einzumischen. „Sie suchen Einfluss aus militärischen Interessen, um die Anti-Iran-Achse zu stärken und den wichtigen Seeweg am Roten Meer zu kontrollieren“, sagt Hirt. Erst 2018 sicherten die Emirate Äthiopien einen dringend benötigten Sofortkredit und Milliardeninvestitionen zu. Mehrere Militärstützpunkte in Eritrea dienen als Basis im Stellvertreterkrieg gegen den Iran, so Hirt. Seit fünf Jahren wird dieser im Jemen geführt. Von Eritrea fliegen die Emirate Luftangriffe auf Stellungen der von Teheran unterstützten Huthi-Rebellen.

Die Grenzen sind geschlossen, der Handel liegt brach

Zwei Jahre nach dem Friedensschluss zwischen Äthiopien und Eritrea ist die Bilanz überschaubar. Seit einem Jahr sind die Grenzen geschlossen, die Zusammenarbeit in Wirtschaft und Handel liegt brach. „Die Europäische Union sollte die Reformpolitik Abiy Ahmeds weiter unterstützen und auf Reformen in Eritrea dringen“, sagt Hirt.

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Auch im Bundestag erkennt man, dass der Friedensprozess ins Stocken geraten ist. „Daher müssen die Bundesregierung und die EU den Regierungen Äthiopiens und Eritreas ihre Unterstützung anbieten, die Vereinbarungen des Friedensvertrags umzusetzen“, sagt Ulrich Lechte (FDP), Mitglied des Auswärtigen Ausschuss des Bundestags und Leiter des Unterausschusses Vereinte Nationen Internationale Organisationen und Globalisierung. „Leider hat der Friedensprozess inzwischen deutlich an Dynamik verloren. Es braucht weitere Gespräche und Vereinbarungen, um diesen Weg auch wirklich abzusichern“, sagte Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger dem Tagesspiegel.

Brugger beobachtete nach dem Aufbruch in Äthiopien zuletzt wieder brutale Ausschreitungen mit Todesopfern und eine Regierung, die mit harten Maßnahmen reagierte. Das Mobilfunknetz des Landes sei seit Monaten lahmgelegt. „Menschenrechtsorganisationen werfen der Regierung vor, mit dieser Sperre Berichte über Menschenrechtsverletzungen in Westen der Oromia-Region durch das Militär unterdrücken zu wollen“, sagte Brugger weiter.

„Die Coronakrise gefährdet auch den fragilen Friedensprozess“

Die Coronakrise sorgt nun für zusätzliche Herausforderungen: „Die Pandemie hat das Horn von Afrika erreicht und die Menschen in der Region brauchen Unterstützung bei der Eindämmung und Behandlung, denn die medizinischen Kapazitäten und die Möglichkeiten zur Prävention sind deutlich schlechter als in europäischen Staaten“, sagte Brugger. Die Grüne kritisiert zudem, dass die äthiopische Regierung jetzt die Umsiedlung von Flüchtlingen in ohnehin schon volle Lager plane.

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Die Regierung von Abiy Ahmed beabsichtigt, eines der Lager für eritreische Flüchtlinge zu schließen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR fürchtet dadurch eine Ausbreitung des Coronavirus. „Die Coronakrise gefährdet auch den fragilen Friedensprozess am Horn von Afrika, da die finanzielle Situation in den Flüchtlingslagern ohnehin angespannt ist“, sagte Lechte.

Die eigentlich für August geplante Parlamentswahl – vor wenigen Wochen wegen der Coronakrise verschoben – gilt als erste freie Wahl in Äthiopien seit Jahrzehnten. Für Abiy Ahmed ist es der erste Stimmungstest an der Wahlurne, wenngleich seine Wahl wegen innenpolitischer Spannungen nicht als gesichert gilt. „So sehr die Coronakrise im Fokus steht, kann sie schnell als Krisenverschärfer wirken, und deshalb brauchen auch der stockende Friedensprozess in der Region und die innenpolitische Lage in Äthiopien und Eritrea unsere Aufmerksamkeit“, sagte Brugger.

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