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Nicht nur abholen, was andere anrichten, sondern mitmachen! Die Länderparlamente sollten sich mehr einbringen.

© imago images/Bildgehege

Coronamaßnahmen: Die Länderparlamente müssen mehr mitreden!

Bisher mischen sich die Länder vor allem über den Verwaltungsweg in die Coronamaßnahmen ein. Das ginge auch anders - und hätte mehr Wirkung. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Immer noch und immer wieder: Auch nach diesen vielen Monaten ist die Frage nach der Beteiligung der Parlamente in der Coronakrise immer noch offen, und immer wieder wird darum die Forderung erhoben, den Souverän, also uns, über die Abgeordneten besser einzubinden.

Angesichts der Bedeutung dieses Gremiums in und für die Demokratie hat es erstaunlich lange gedauert, bis das Bundesparlament dazu geschritten ist, das Infektionsschutzgesetz zu konkretisieren und damit die „infektiologische Generalklausel“ abzulösen. Aber immerhin: Der Bundestag hat sich auf den Weg gemacht. Eine Lösung, die der Verfassung besser Genüge tut, wird möglich. Auch deshalb, weil das Parlament sich seiner Rechte entsinnt und besinnt.

Mehr ist möglich, mehr ist nötig. Das Land Nordrhein-Westfalen hat es vorgemacht, angeleitet vom unermüdlichen liberalen Verfassungshüter Gerhart Baum, die FDP im Bundestag hat mitgemacht.

Bürgerrechte als neues, altes Markenzeichen? Nicht das Schlechteste. Denn deren Gesetzentwurf beinhaltet das, was der Lage angemessen ist: Jede Maßnahme, bezogen auf die epidemiologische Lage, wird auf zwei Monate befristet. Und läuft aus, gleichsam automatisch, wenn sie vom Bundestag nicht verlängert wird. Vielleicht kommt es noch so.

Nun ist das Bundesparlament also auf dem Weg – und die Landesparlamente?

Deren Bedeutung wird geradezu fahrlässig unterschätzt. Dabei sind es die Länder, die die jetzt wichtigen Entscheidungen treffen; das zumal, weil der Bundestag ihnen einen großen Spielraum bei der Entscheidung über Grundrechtseingriffe gibt. Auch Bundesgesetze werden bis auf ganz wenige Ausnahmen von den Ländern ausgeführt; das sagt der Artikel 83 der Verfassung. Sie haben am Ort die Verwaltungsstrukturen, Gesetze anzuwenden. Bezogen auf die Corona-Eindämmungspolitik bedeutet das?

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„Der Bundestag muss abstrakt entscheiden, welche Werkzeuge überhaupt im Werkzeugkoffer der Seuchenbekämpfung vorhanden sein sollen, also Konkretisierung der Ermächtigung. Das hat er jetzt getan. Jetzt spielt die Musik in den Ländern und in den Landesparlamenten.“ So erklärt es Gerhart Baum. Recht hat er. Wie der Schulunterricht organisiert, welche Spielstätten geschlossen, wann Restaurants unter welchen Bedingungen geöffnet werden – Länderangelegenheit. Auch wenn sie sich in der Sache mit dem Bund absprechen, sind die Länder im Rahmen des Bundesgesetzes frei, eigene Entscheidungen zu treffen.

Das tun sie heute auf dem Verwaltungsweg, „und das reicht eben nicht, um dem Anspruch parlamentarischer Mitwirkung gerecht zu werden“. Ob Baum nicht nur Recht hat, sondern auch im Praktischen Recht bekommt? Das hängt vom Selbstverständnis der Landtage ab. Ob sie jetzt verstärkt und gestärkt debattieren, ihren jeweiligen Regierungen immer einmal wieder eine Richtung vorgeben, ihre Kriterien überprüfen. Ganz offen, ganz öffentlich.

Kleine Runden hinter geschlossenen Türen führen auf Dauer zu Verdruss. Entscheidungen von Parlamenten dagegen erhöhen nach innen wie nach außen den Wirkgrad der Legitimation. Nicht zuletzt durch Rede und Gegenrede: Opposition ist möglich, ihre Argumente werden gehört. Wenn die dann womöglich sogar Verbesserungen bringen, können darüber Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung steigen. Die Landesparlamente dürfen mehr. Zumal in dieser Krise. Sie dürfen mitreden, mindestens mitentscheiden, Gesetze verabschieden. Die dann vielleicht nicht direkt von der Justiz wieder kassiert werden. Wie es zurzeit immer noch und immer wieder geschieht.

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