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Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit (am 17. Juni 2022 in Berlin)

© dpa/Michael Kappeler

Update

Corona-Welle im Sommer: Lauterbach empfiehlt Unter-60-Jährigen vierte Impfung – Stiko-Chef widerspricht

Der Minister geht über die EU-Empfehlungen hinaus. Stiko-Chef Mertens sagt dagegen, er kenne keine Daten, die das rechtfertigten.

Anders als Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat sich Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (Stiko), in der „Welt am Sonntag“ gegen eine sofortige Corona-Viertimpfung für Menschen unter 60 Jahren ausgesprochen.

„Ich halte es für schlecht, medizinische Empfehlungen unter dem Motto ‚Viel hilft viel‘ auszusprechen“, sagte er der Zeitung. Mertens kenne keine Daten, die den Rat rechtfertigten.

Lauterbach hatte zuvor in einem Interview mit dem „Spiegel“ auch Menschen unter 60 Jahren eine vierte Corona-Impfung empfohlen. „Wenn jemand den Sommer genießen will und kein Risiko eingehen will zu erkranken (...), dann würde ich in Absprache natürlich mit dem Hausarzt auch Jüngeren die Impfung empfehlen“, sagte er im „Spiegel“-Spitzengespräch über eine zweite Auffrischungsimpfung. „Dann hat man einfach eine ganz andere Sicherheit.“

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Das Long-Covid-Risiko sei deutlich reduziert für ein paar Monate, ebenso wie das Infektionsrisiko, sagte Lauterbach. Einen an Omikron angepassten Impfstoff könnten die Menschen auch nach der vierten Impfung nehmen. Einen solchen Impfstoff könnte es Ende August oder Anfang September geben, das hänge aber von der Zulassung ab, sagte der Gesundheitsminister.

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Lauterbach geht damit über die Empfehlungen von EU und Ständiger Impfkommission hinaus. Die EU hatte am Montag eine zweite Auffrischungsimpfung für Menschen ab einem Alter von 60 Jahren empfohlen. Der Stiko-Chef hält das durchaus für vertretbar, sagte er der „Welt am Sonntag“. „Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für einen schweren Verlauf. Es ist nicht einfach, hier einen genauen Cut beim Alter zu machen.“

In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) bislang eine zweite Booster-Impfung für Menschen ab 70 Jahren, Risikopatienten sowie Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen und Beschäftigte im medizinischen Bereich und in Pflegeeinrichtungen.

Lauterbach wehrt sich gegen FDP-Kritik

Zudem warf er in dem Gespräch mit dem „Spiegel“ Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Kubicki (FDP) vor, „epidemiologisch und virologisch abwegige Positionen“ zu vertreten. Sie seien „auf jeden Fall Quatsch“.

Kubicki gehört zu den Kritikern der bisherigen Corona-Politik und vertritt in der Debatte um die staatlichen Maßnahmen gegen die Pandemie die Position, dass der Staat die Freiheit der Bürger bisher zu stark eingeschränkt habe.

Jüngst hatte Kubicki erklärt, dass er mit einer flachen Herbstwelle an Coronainfektionen rechne. Seine Position sei für Lauterbach nicht relevant, wie der Minister im „Spiegel“-Gespräch erklärte. Kubicki habe in der Coronapolitik bereits viele Fehleinschätzungen gemacht. „Dass er auch diesmal wieder falschliegt, kann niemanden überraschen.“

Lauterbach wollte im Interview nicht bestätigen, dass es im Herbst keinerlei Schließungen geben werde. Finanzminister Christian Lindner warf er vor, sich gegen die Finanzierung von Schnelltests zu stellen. Der verbilligte Drei-Euro-Tarif gehe auf seinen Einsatz zurück, sagte Lauterbach.

RKI meldet fast 110.000 Neuinfektionen

Das Robert Koch-Institut (RKI) hat die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz am Freitagmorgen mit 719,2 angegeben. Das geht aus Zahlen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 05:00 Uhr wiedergeben. Am Vortag hatte der Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche bei 720,4 gelegen (Vorwoche: 699,5; Vormonat: 472,4). Allerdings liefert die Inzidenz kein vollständiges Bild der Infektionslage. Experten gehen seit einiger Zeit von einer hohen Zahl nicht vom RKI erfasster Fälle aus - vor allem weil bei weitem nicht alle Infizierten einen PCR-Test machen lassen. Nur positive PCR-Tests zählen in der Statistik. Zudem können Nachmeldungen oder Übermittlungsprobleme zur Verzerrung einzelner Tageswerte führen.

Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI zuletzt 109.694 Corona-Neuinfektionen (Vorwoche: 117.732) und 115 Todesfälle (Vorwoche: 131) innerhalb eines Tages. Vergleiche der Daten sind auch hier wegen des Testverhaltens, Nachmeldungen und Übermittlungsproblemen nur eingeschränkt möglich. Generell schwankt die Zahl der registrierten Neuinfektionen und Todesfälle deutlich von Wochentag zu Wochentag, da insbesondere am Wochenende viele Bundesländer nicht ans RKI übermitteln und ihre Fälle im Wochenverlauf nachmelden.

Infektionsdruck weiter hoch

Viele Erkrankte in der Bevölkerung, vermehrte Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen und eine steigende Zahl von Intensivpatienten - eine Entspannung der Corona-Lage ist vorerst nicht in Sicht. Der Infektionsdruck bleibe in allen Altersgruppen hoch, schreibt das RKI in seinem Wochenbericht vom Donnerstagabend. Vielleicht noch das Erfreulichste: Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz der gemeldeten Fälle blieb im Vergleich zur vorherigen Berichtswoche weitgehend unverändert - „es zeichnet sich ein Plateau ab“, schreibt das RKI.

Allerdings seien auch bei gleichbleibenden Fallzahlen weitere Anstiege von schweren Erkrankungen, Hospitalisierungen und Todesfällen zu erwarten, heißt es weiter. Zuletzt verzeichnete die Behörde wieder einen Anstieg bei den Ausbrüchen in Alten- und Pflegeheimen. Aus 235 dieser Einrichtungen wurden demnach in der vergangenen Woche Ausbrüche mit mindestens einem neuen Fall gemeldet, in der Vorwoche waren es 192.

Angestiegen ist erneut auch die Zahl der Patienten, die auf einer Intensivstation mit Covid-19-Diagnose behandelt werden müssen. Laut der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin lag sie am Donnerstag bei 1243 (Vorwoche: 1047).

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Schwere Krankheitsverläufe betreffen nach RKI-Angaben weiterhin ältere Menschen ab 80 Jahren am stärksten. Pro 100.000 Einwohner kamen in dieser Altersgruppe in der vergangenen Woche etwa 25 mit einer schweren Atemwegsinfektion und Covid-19 ins Krankenhaus. Über alle Altersgruppen hinweg lag dieser Wert bei 3,7 - das entspreche etwa 3100 neuen Krankenhausaufnahmen in der Woche.

Den Daten zufolge hat die seit Mitte Juni vorherrschende Omikron-Variante BA.5 alle anderen Varianten mittlerweile fast vollständig verdrängt. Laut der aktuellsten Stichprobe von vorletzter Woche liegt ihr Anteil nun bei 83 Prozent - nach 77 Prozent in der Woche davor. Der Anteil an BA.4-Infektionen sei von 6,7 auf 7 Prozent gestiegen, der von BA.2 nehme weiter ab.

Für die zurückliegende Kalenderwoche errechnete die Behörde eine Zahl von 800.000 bis 1,3 Millionen Sars-CoV-2-Infizierten mit Symptomen einer akuten Atemwegserkrankung. Die Zahl der Arztbesuche aufgrund von akuten Atemwegserkrankungen sei nach wie vor deutlich höher als für die Jahreszeit üblich. Für die vergangene Woche seien 1,2 Millionen Konsultationen verzeichnet worden, gut ein Viertel davon aufgrund einer Sars-CoV-2-Infektion.

Nach wie vor rät das RKI dazu, unabhängig von Impfstatus und Schnelltestergebnis Kontakte zu meiden, wenn Symptome einer Atemwegserkrankung auftreten, etwa Schnupfen, Halsschmerzen oder Husten. (mit dpa)

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