zum Hauptinhalt
Die Querfront ist nicht nur Rechts oder nur Links. Proteste gegen die Corona-Einschränkungen in den östlichen Bundesländern.

© Jens Büttner/dpa

Corona-Lockerungen in Thüringen: Ramelows kluger Kampf gegen Rechts

Ramelows Vorstoß ist zweischneidig: Bedenklich für die Bekämpfung der Pandemie, gut für die Wählerbindung. Aber wird die Linke ihm folgen? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Wenn Politiker bei Corona-Schutzmaßnahmen „vorpreschen“ – erst bei der Einführung, nun bei der Lockerung –, treibt sie neben sachlichen Gründen meist ein politisches Motiv. Das gilt für Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, der die Auflagen als Erster aufheben möchte, ebenso wie für das im März über Corona-Auflagen ausgetragene Fernduell des Bayern Markus Söder gegen seinen NRW-Kollegen Armin Laschet um die Kanzlerkandidatur.

Sachliche Argumente - plus Profilierung

Gewiss haben die drei auch sachliche Argumente. In Bayern stiegen damals die Infiziertenzahlen wegen der Nähe zu Österreichs Skigebieten schneller als in Regionen mit wenig Heimkehrern. Nun fragen Bürger und Politiker in den östlichen Bundesländern zu Recht, warum sie bei ihren geringen Ansteckungsraten ebenso strenge Auflagen erdulden sollen wie stark betroffene Landstriche? Innerhalb Thüringens gibt es große Unterschiede. Lokale Auflagen und Freiheiten dürfen sich nach lokalen Gegebenheiten richten, unter Aufsicht lokaler Gesundheitsämter.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Krise live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]

Ramelow handelt einerseits wohlfeil. Wie will er garantieren, dass die Bürger freiwillig einhalten, was der Staat nicht mehr vorschreibt zur Eindämmung der Pandemie? Andererseits trifft er einen wunden Punkt. Ähnlich wie Sahra Wagenknecht kürzlich bei „Anne Will“ stellt er die Frage, ob Die Linke das Publikum der Corona-Proteste den Rechten überlassen soll?

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Unter den Organisatoren sind schräge Figuren, viele aus dem rechten Dunstkreis. Die Teilnehmer sind jedoch bunt gemischt. Im Osten gehören einige zum Wählerpotenzial der Linken, im Westen zu dem der Grünen, etwa esoterische Impfgegner. Warum sollen demokratische Parteien nicht versuchen, zweifelnde Bürger für sich zu gewinnen, statt sie durch strikte Abgrenzung einem weniger demokratischen Gegner zuzutreiben?

Verschmäht Die Linke ihre potenziellen Wähler?

In den USA hat Barack Obama seine Wahlen auch deshalb gewonnen, weil er betonte, dass religiöse Amerikaner nicht automatisch Rechte sind - und auch er gläubig sei. Die Gleichsetzung von religiös und rechts nütze den Republikanern. Größer sei die Zahl moderater Gläubiger. Er umwarb sie. Die Demokraten seien keine Partei der Atheisten.

Aus vergleichbaren Gründen nennen Ramelow und Wagenknecht es kontraproduktiv, die Proteste gegen Corona-Auflagen als rein rechts zu stigmatisieren. Das spiele der AfD in die Hände. Da ist was Wahres dran. Aber: Wird ihre Partei Die Linke dieser Sicht folgen oder ihre potenziellen Wähler wegen ideologischer Rechtsabweichung verschmähen?

Zur Startseite