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Impfung bei einem Kinderarzt in Hannover (Archivbild)

© dpa/Julian Stratenschulte

Corona-Impfungen für alle ab zwölf: Kinder sind niemals Mittel zum Zweck

Wer eine generelle Impfempfehlung für Kinder ablehnt, ist deswegen nicht unbedingt ein Gegner von Kinderimpfungen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Thomas Trappe

Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, muss aber gelegentlich ausdrücklich in Erinnerung gerufen werden: Kinder und Jugendliche sind vollwertige Staatsbürger und niemals Mittel zum Zweck. Bei der gerade erst anlaufenden Debatte über Corona-Impfungen für Schüler:innen kann das nun nicht oft genug betont werden.

Brauchen Kinder eine Impfung gegen Corona, oder stecken sie die Krankheit auch ohne gut weg? Das ist die zentrale Frage, mit der sich gerade die Ständige Impfkommission (Stiko) beschäftigt. Vor allem geht es um eine Impfempfehlung für die Zwölf- bis 15-Jährigen. Die könnte ein Mittel sein, um schneller Herdenimmunität zu erreichen. Aber genau solches Zweckdenken muss die Mediziner dieses Gremiums nicht kümmern.

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Die Stiko schaut mit guter Tradition bei der Bewertung der Impfung allein auf den individuellen Nutzen für Kinder und Jugendliche. Sie wägt ab. Schaut auf die (naturgemäß noch recht dünne) Studienlage zu den altersbezogenen Impfeffekten und -folgen und auf die Gefahren, die von einer Corona-Erkrankung ausgehen können. Wie alle Wissenschaftler stochert die Kommission noch weitgehend im Trüben, denn über Langzeitfolgen beziehungsweise Effekte von Corona und Impfungen kann Fundiertes eben erst nach langer Zeit gesagt werden. Nach allem, was man bislang aus Äußerungen von Stiko-Mitgliedern und deren Vorsitzendem Thomas Mertens ableiten kann, wird es wohl keine allgemeine Impfempfehlung für die Zwölf- bis 15-Jährigen geben, sondern nur eine für Kinder mit noch festzulegenden Vorerkrankungen und Risikofaktoren.

Eine absolute Gewissheit gibt es derzeit nicht

Derweil können Stiko-Mitglieder wie auch Vertreter der Kinder- und Jugendmedizin einen anschwellenden Frust etwa über Gesundheitsminister Jens Spahn oder Bildungsministerin Anja Karliczek kaum noch verhehlen, und zwar zu Recht. Denn durch deren Verknüpfen von Jugend-Impfungen und der Frage, ob ab Herbst wieder ein normaler Schulunterricht stattfinden kann, steigt der Druck auf Eltern, ihre Kinder rein zweckgebunden impfen zu lassen. Und damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder erneut zum Objekt degradiert werden: Dann nämlich, wenn bei ihnen ein medizinischer Eingriff vorgenommen wird – und nichts anderes ist eine Impfung –, der zu ihrem persönlichen Wohle nicht notwendig ist und dessen Folgen nicht vollends abgeschätzt werden können.

[Lesen Sie auch: Rückkehr zur Normalität: Das spricht für die Kinder-Impfung - und das dagegen (T+)]

So viel sollten wir in dieser Pandemie gelernt haben: Eine absolute Gewissheit, dass Impfungen für jede Altersgruppe per se nützlich und nie schädlich sind, gibt es derzeit nicht. Der Astrazeneca-Impfstoff wurde abwechselnd für verschiedene Altersgruppen empfohlen, das Vertrauen in das Vakzin fast völlig zerstört. Der schwelende Konflikt zwischen Stiko und Politik hat unter anderem auch hier eine wichtige Vorgeschichte.

Ungeimpfte Kinder dürfen nicht von der Teilhabe ausgeschlossen werden

Im Falle von Astrazeneca konnte man live beobachten, wie sensibel die allgemeine Impfbereitschaft auf politische Signale reagiert. Wer eine generelle Impfempfehlung für Kinder ablehnt, ist ja beileibe kein Gegner von Herdenimmunität, noch nicht einmal von Kinderimpfungen. Es geht nur darum sicherzustellen, dass sich Eltern und Kinder aus den richtigen Gründen dafür entscheiden. Und nicht wegen einer politisch beförderten Stiko-Impfempfehlung.

Egal, wie diese Stiko am Ende entscheidet: Impfen lassen können sich die über Zwölfjährigen so oder so. Denn dafür braucht es allein die Zulassung durch die EU, mit der demnächst zu rechnen ist. Viele, vielleicht sogar die meisten Eltern werden das Angebot dankend annehmen. Doch auch jene Kinder, die sich nicht impfen lassen, dürfen am Ende des Sommers nicht von der Teilhabe ausgeschlossen werden. Das Risiko von Übertragungen werden sie wahrscheinlich steigern, und es ist dann an den Älteren, sich durch Impfung zu schützen. Diese Solidarität zwischen den Generationen mag für viele eine Herausforderung sein: Aber es ist nicht die erste.

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