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Im Hans-Knöll-Institut in Jena wird an genmanipulierten Pilzzellen geforscht. Das Institut geht zurück auf eine Einrichtung, in der 1942 mit der Entwicklung von Penicillin im Labormaßstab begonnen wurde.

© Jan-Peter Kasper / dpa

Corona-Impfstoffe und die Patentfrage: Uneigennützigkeit von gestern

Die Entdecker des Penicillin wollten an ihren Patenten nicht reich werden und stellten sie frei. Daraus lässt sich für heute lernen. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Barbara John

Wer wäre dagegen, wenn die Frage lautete: Sind sie dafür, dass alle Menschen weltweit gegen Covid-19 geimpft werden können? Mit welchen Gründen könnte man sich aus einer solchen Norm zum Corona-Schutz herausreden? Nicht mal mit schlichtem Eigennutz. Im Gegenteil, auch der spricht dafür. Je mehr Ungeschützte es in Pandemien weltweit gibt, desto wahrscheinlicher die Virus-Weiterverbreitung. Kästners Spruch gilt deshalb auch hier: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es."

Als vor zwanzig Jahren eine ähnlich allgemeine Forderung, erhoben wurde, um HIV-Infizierte und AIDS-Erkrankte und durch das Virus Gefährdete in ärmeren Ländern mit neuartigen antiretroviralen Mitteln zu schützen, wurde gehandelt. Fünf Länder (Frankreich, Vereinigtes Königreich, Brasilien, Norwegen, Chile) gründeten 2006 UNITAID ("United to treat those in need") mit Sitz in der Schweiz, eine innovative Agentur, die freiwillig die Patentrechte von Pharmafirmen erhielt, gegen Gebühren, um bezahlbare wirkstoffidentische Medikamente (Generika) gegen Pandemien herstellen zu können (auch Malaria und Tuberkulose). Ein Erfolgsmodell für ein weltweit innovatives Gesundheitsmanagement.

Ein ganz neues Menschenbild

Es gab Widerstand von unerwarteter Seite, als kürzlich US-Präsident Joe Biden eine Kehrtwende vollzog und zu diesem Zweck Verbündete suchte. Er erklärte, die Vereinigten Staaten seien jetzt doch bereit, grundsätzlich Monopole für die Corona-Impfstoffherstellung zeitweise auszusetzen, damit auch außerhalb der aktuellen  Herstellerländer Impfstoff produziert werden kann. Mit der Pharmaindustrie war zu rechnen, aber auch mit Großbritannien und Deutschland? Spontan berief sich die Pressesprecherin der Bundesregierung auf den bedingungslosen Schutz des "geistigen Eigentums", ohne den in der Wissenschaft der Forschungstrieb verkümmern könnte.

Ein ganz neues Menschenbild: Um neugierig zu sein, braucht der Mensch monetäre Anreize. Auf dem EU-Gipfel in Portugal am 8. Mai, als einige Regierungschefs den Biden-Vorschlag unterstützten, fanden sich durchaus beachtliche Bedenken: Die Patentfreigabe reiche nicht, der Technikexport und die Qualifizierung des Personals seien ebenso essentiell, China könnte einzigartiges mRNA-Impfstoffwissen kapern. Doch wer das von den USA propagierte Ziel wirklich erreichen will, zögert nicht und beginnt zu handeln, um Barrieren zu schleifen. Europa grübelt.

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Übrigens: Dass es auch anders gehen kann mit der Nutzung lebensrettender Therapien, wissen wir von den Entdeckern von Insulin (1920) und von Penicillin 1928. Sie wollten an ihren Patenten nicht reich werden und stellten sie frei zum Nutzen aller. Uneigennützigkeit von gestern?

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