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Eine Frau, von hinten fotografiert, nimmt in Madrid ihre Maske ab.

© dpa

Corona-Gipfel und der Blick nach vorn: Die Gesellschaft übergeht die Interessen der Vulnerablen

Jetzt wäre es geboten, für kommende Corona-Wellen zu planen. Doch die Gesellschaft hat Willen und Kraft für solidarisches Verhalten verloren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Karin Christmann

Das Auslaufen der Omikron-Welle gerät in Sicht, wie so oft zu einem solchen Zeitpunkt ist die kollektive Erleichterung riesig. Bei der heutigen Bund-Länder-Runde soll es um Öffnungsperspektiven gehen. Na endlich, geschafft. Oder etwa nicht?

Nein, leider nicht, auch wenn diese Botschaft so unbeliebt ist wie eh und je. Entscheidend für die heutige Runde ist nicht, ob die 2G-Regel im Einzelhandel zwei Wochen früher oder später gestrichen wird. Entscheidend wäre vielmehr, den Blick weiter nach vorn zu richten.

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Jetzt wäre – nach zwei Jahren ohne vernünftige langfristige Strategie – der beste noch mögliche Zeitpunkt, für die kommenden Wellen zu planen. Welche Variante auch immer es sein wird, die demnächst (wieder) im Umlauf ist: All die zermürbenden Debatten von Impfpflicht bis Luftfilter, die wohl niemand mehr ertragen kann, sind noch kein Fall für die Ablage.

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Doch es liegt klar zutage, dass die Gesellschaft als Ganzes nicht mehr den Willen und die Kraft aufbringt, sich den Herausforderungen der Pandemie solidarisch und konstruktiv zu stellen. Das haben in den vergangenen Monaten insbesondere jene Menschen zu spüren bekommen, deren Interessen für die politische Entscheidungsfindung kaum noch von Belang sind. Das sind Menschen, die auf Operationen angewiesen wären, aber vertröstet werden, etwa Krebserkrankte. Und das sind Vorerkrankte, für die eine Infektion trotz der Impfstoffe eine besonders große Gefahr oder sogar eine unmittelbare Lebensgefahr darstellt.

Ungerührtheit ist sogar ministrabel

Wenn die Politik sehr hohe Inzidenzen zulässt, solange nur der Krankenhausbetrieb irgendwie läuft, bedeutet das für manche Menschen, dass sie wählen müssen zwischen vollständiger Selbstisolation und hohem persönlichen Risiko. Und selbst diese Wahl haben viele nicht, schließlich haben Erwachsene einem Beruf nachzugehen und Kinder gehören eigentlich unter ihresgleichen.

Ungerührtheit gegenüber der besonderen Situation dieser Menschen ist aber sogar ministrabel. So differenzierte Karin Prien, Kultusministerin von Schleswig-Holstein, am Wochenende auf Twitter spitzfindig zwischen Kindern, die mit und Kindern, die an Corona versterben. Es war eine Art der Kommunikation, die Eltern vorerkrankter Kinder wieder einmal vorführte, wo sie auf der Prioritätenliste der Politik stehen: nirgends. Entsprechend heftig war die Reaktion auf Priens Worte.

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Der erbitterte, mitunter hasserfüllte Streit zeigte wieder einmal, wie tief die Konflikte sind. Die berechtigten Sorgen von Menschen ohne Vorerkrankung, die Long Covid für ein ernstzunehmendes Risiko halten, kommen hinzu.

Nicht jede und jeder sieht leichtherzig einem entspannten Sommer entgegen. Eine Gesellschaft, die Nöte wie diese übergeht, wird keinen postpandemischen Frieden finden können – wann immer es soweit ist.

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