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US-Armeemitarbeiter in Schutzkleidung auf der Ramstein Air Base bei Kaiserslautern.

© U.S. Air Force/Staff Sgt. Devin Nothstine/via REUTERS

Update Exklusiv

Corona-Fallzahlen: Was wissen die Behörden über Covid-19 auf US-Basen in Deutschland?

Mehr als 46.000 US-Militärangehörige sind in Deutschland stationiert. Wie viele Infektionen es unter ihnen gibt, müssen deutsche Gesundheitsämter erfassen. Aber das tun nicht alle.

Von Jonas Bickelmann

Covid19-Infektionen in Deutschland müssen gemeldet werden. Das schreibt das Infektionsschutzgesetz vor. Aber nicht alle Ämter erfassen Fälle unter hier stationierten amerikanischen Militärangehörigen. Das haben Recherchen des Tagesspiegel ergeben. Die Behörden in Stuttgart beispielsweise halten sich für überhaupt nicht zuständig.

Es geht bei den US-Militärs um eine große Gruppe von Menschen: Daten des US-Verteidigungsministeriums zufolge sind – Stand Dezember 2019 – 46.606 amerikanische Militärangehörige in Deutschland stationiert, Uniformierte und amerikanische Zivilangestellte. Hinzu kommen in vielen Fällen Familienangehörige. Wie viele von diesen Menschen erkrankt sind, ist bis heute nicht eindeutig bekannt.

Das amerikanische Verteidigungsministerium hat Ende März bekannt gegeben, ab jetzt keine Fälle mehr für einzelne Standorte zu veröffentlichen. Dabei gibt es beispielsweise in der US Army Garrison Stuttgart erkrankte US-Militärangehörige. Colonel Jason Condrey, Kommandant der Basis, nannte am 7. April in einem Facebook-Livestream die Gesamtzahl von 103 Fällen, trotz der Ankündigung seines Ministeriums.

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Warum Stuttgart sich nicht für zuständig hält

Diese an Covid19 Erkrankten werden in der Stuttgarter Statistik aber nicht erfasst, wie ein Sprecher auf Tagesspiegel-Anfrage bestätigte: „Es gibt natürlich Austausch zwischen Gesundheitsamt & Army, aber wenn es zu Infektionen kommt, haben diese keinen Effekt auf die Stuttgarter Statistik.“ Das sei „amerikanisches Hoheitsgebiet“, es bestehe keine Zuständigkeit für die Army-Angehörigen.

Das Problem: Wenn Stuttgart diese Fälle nicht für die deutschen Behörden erfasst, tut es auch niemand sonst.

Dass die amerikanischen Militärangehörigen in Stuttgart nicht gezählt werden, ist umso erstaunlicher, weil die US-Armee sich grundsätzlich zur Meldepflicht bekennt. Das bestätigt Mark Heeter, Sprecher der Army auf unsere Anfrage. Man teile Informationen über positive Fälle mit den lokalen Behörden, „wie es unser Status of Forces Agreement mit Deutschland erfordert.“

Die Kelley Barracks in Stuttgart (Archivbild von 2015)
Die Kelley Barracks in Stuttgart (Archivbild von 2015)

© Adrian Cadiz

Die gesetzliche Grundlage ist eindeutig

Tatsächlich heißt es im entsprechenden Dokument, dem Zusatzabkommen zum NATO-Statut von 1994 (Art. 54. Nachzulesen hier auf PDF-Seite 25), dass sich ausländische Truppen an deutsche Gesetze zur Verhütung von Krankheiten halten müssen. Im Klartext: Auch Fälle unter amerikanischen Soldaten müssen den deutschen Gesundheitsämtern gemeldet werden. Denn das Infektionsschutzgesetz verlangt das.

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Das Bundesgesundheitsministerium verweist auf unsere Nachfrage hin ebenfalls auf diese Regel. Es gäbe nur dann eine Ausnahme für ausländische Armeebasen, wenn die öffentliche Gesundheit nicht gefährdet ist. Bei Covid-19 handelt es sich jedoch um eine Pandemie. Obwohl es also entsprechende Gesetze gibt, werden die Fälle in Stuttgart nicht gemeldet. Dabei ist transparente Information jetzt besonders wichtig. US-Soldaten sind ebenso ansteckend wie alle anderen Menschen. Auf der US-Basis in Stuttgart gelten die in Baden-Württemberg erlassenen Schutzmaßnahmen, wie in internen Guidelines angekündigt wird.

Wo es funktioniert

Dass die Meldekette besser funktionieren kann, zeigt ein anderer deutscher Kreis, in dem viele US-Amerikaner leben. Im Landkreis Kaiserslautern werden Fälle unter den Soldaten ebenso gezählt wie die unter deutschen Staatsbürgern. „Die Fälle wurden von den Abteilungen public health Airbase Ramstein sowie public health und Labor LRMC (Landstuhl Regional Medical Center) an das Gesundheitsamt Kaiserslautern gemeldet“, schreibt eine Sprecherin auf Tagesspiegel-Anfrage. Am 7. April wurden sechs Fälle unter US-Militärangehörigen im Kreis gemeldet. Zuletzt wurde in der Statistik nicht mehr zwischen den Mitgliedern der Army und deutschen Einwohnern unterschieden.

Eine Mitarbeiterin der US Air Force nimmt auf der Ramstein Air Base Covid-19-Patienten aus Afghanistan in Empfang.
Eine Mitarbeiterin der US Air Force nimmt auf der Ramstein Air Base Covid-19-Patienten aus Afghanistan in Empfang.

© U.S. Air Force/Staff Sgt. Devin Nothstine/via REUTERS

Der Landkreis Kaiserslautern zählt dabei gleichermaßen Soldaten, die auf der amerikanischen Basis leben und solche, die in den umliegenden Gemeinden wohnen. Auch das ist nicht überall so. Und es funktioniere erst seit einer klarstellenden Telefonkonferenz so gut, antwortet Landrat Ralf Leßmeister auf unsere Anfrage. Er bestätigt außerdem die Rechtslage „wonach auch die on-base registrierten Indexpersonen nach dem Infektionsschutzgesetz unserem Gesundheitsamt zu melden und in unserer Statistik gegenüber dem Robert-Koch-Institut (RKI) zu erfassen sind.“

Im Armeekrankenhaus in Landstuhl wurden bis 14. April etwa 4000 Testungen auf Covid-19 durchgeführt, schreibt Sprecher Mark Heeter dem Tagesspiegel. Für die Tests würden Verdachtsfälle ausgewählt, wenn sie beispielsweise typische Symptome zeigen und in Kontakt mit positiv Getesten waren. Man nutze in Landstuhl zwei verschiedene Testverfahren: Das Real Time-PCR-Verfahren mit besonders großer Kapazität und ein automatisiertes Verhahren, das in nur einer Stunde Ergebnisse liefere.

Große Verwirrung in den Landkreisen

Das Tagesspiegel Innovation Lab begann, dieser Frage nachzugehen, weil wir gemeinsam mit der Firma Risklayer, dem KIT und zahlreichen Freiwilligen die Corona-Zahlen aus allen Landkreise einzeln abfragen und dabei Unklarheiten nachrecherchieren. Tobias Gunesch, einer der Freiwilligen, stieß in dem US-Medium stripes.com auf Hinweise, dass es nicht gemeldete Fälle auf US-Basen geben könnte.

Je mehr Landkreise mit Militäreinrichtungen wir anfragten, desto größer wurde die Verwirrung. Ein einheitliches Vorgehen gibt es offenbar nicht. Im Eifelkreis Bitburg-Prüm werden dort lebende US-Militärangehörige erfasst, aber nur „sofern die Personen ihren Wohnsitz im Eifelkreis, außerhalb des Militärgeländes haben.“ Für die auf der Basis wohnenden US-Bürger hingegen erfolgt hier offenbar keine Meldung.

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In Wiesbaden, wo sich das Hauptquartier der US Army Europe befindet, bestätigt ein Sprecher, dass die Covid-19-Fälle unter US-Truppen der Stadt bekannt sind und in die Statistik einfließen. Die aktuellen Fallzahlen würden „zuverlässig an das Wiesbadener Gesundheitsamt“ gemeldet. Unsere Nachfrage, ob dabei nur die außerhalb der amerikanischen Basis lebenden Militärangehörigen gezählt werden oder auch die innerhalb der Basis, lässt der Sprecher unbeantwortet.

Nur ein Fall in ganz Bayern bekannt

Auch in Bayern hat die US Army große Standorte. Besonders viele Menschen arbeiten in Ansbach, Grafenwöhr und Hohenfels. Letztere beide gehören zur Army Garrison Bavaria mit über 30.000 Soldaten und Familienangehörigen. In der Region Ansbach leben zusätzlich etwa 6000.

Wir haben alle bayrischen Landkreise mit US-Stützpunkten gefragt, ob ihnen Covid-19-Fälle gemeldet wurden. Laut der Antworten gab es bislang nur im Landkreis Neumarkt „eine Meldung einer bestätigten Coronavirusinfektion direkt durch die zuständige Stelle aus dem Truppenübungsplatz Hohenfels“.

Die anderen Landkreise haben auf unsere Frage nach Meldungen von den US-Basen keine einzige genannt. Aus Ansbach heißt es etwa: „Falls es Fälle geben sollte, wird das staatliche Gesundheitsamt für Landkreis Ansbach und Stadt Ansbach darüber in Kenntnis gesetzt.“

Mark Heeter von der US-Armee haben wir mit diesen Antworten konfrontiert. Er bleibt bei seiner Auskunft, dass die US-Basen sich an die Vorgaben der Gesetze halten und die Fälle von Covid-19 dementsprechend den örtlichen Gesundheitsämtern meldeten.

Also nur ein einziger Covid-19-Fall unter zehntausenden Menschen auf den amerikanischen Basen in Bayern? Das klingt erstaunlich wenig.

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