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Die Gastronomie bleib in Schweden wie hier in Malmö bisher geöffnet.

© Imago Images/TT/Hansson Krister/Aftonbladet

Corona-Auflagen weiter verschärft: Schweden macht nun Kneipen und Restaurants früher dicht

Die 7-Tage-Inzidenz in Schweden ist hoch und steigt weiter. Doch einen echten Lockdown gibt es nicht. Finnland hingegen verschärft seine Maßnahmen deutlich.

Während andere europäische Länder über Lockerungen nachdenken, verschärft Schweden wegen des Infektionsgeschehens im Land seine Corona-Auflagen. Dies betrifft zunächst vor allem die Gastronomie, die in Schweden die gesamte Zeit seit Beginn der Pandemie geöffnet geblieben ist – wenn auch mit Auflagen – und den Handel.

Restaurants, Kneipen und Cafés dürfen auch weiterhin Gäste empfangen, müssen aber ab dem 1. März um 20.30 Uhr schließen. Das gelte unabhängig davon, ob das Lokal Alkohol ausschenkt oder nicht, sagte der Generaldirektor der staatlichen Gesundheitsbehörde FHM, Johan Carlson, am Mittwoch auf einer digitalen Pressekonferenz in Stockholm. Die Maßnahme soll zunächst auf unbefristete Zeit gelten. Dieser Vorschlag sei den Behörden zur Überprüfung zugegangen.

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„Es besteht ein großes Risiko für eine sogenannte dritten Welle. Unser aller Handeln bestimmt, ob es dazu kommt“, sagte Ministerpräsident Stefan Löfven. „Die Lage in Schweden ist ernst. Wir haben eine hohe Infektionsausbreitung. Und sie nimmt weiter zu. Außerdem wird die Situation durch die Virusvarianten noch beunruhigender“, machte Löfven weiter klar. Die Regierung habe daher der staatlichen Gesundheitsbehörde FHM weitere Befugnisse erteilt.

7-Tage-Inzidenz liegt in Schweden bei rund 250

Das Infektionsgeschehen ist in Schweden dynamischer als in anderen europäischen Ländern – und die Tendenz ist steigend. Tagespiegel-Daten zufolge liegt die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen, mit 249 (Stand 24. Februar) deutlich höher als in Deutschland (65). Am 17. Februar betrug der Wert in dem nördlichen EU-Land 215 (Deutschland: 62).

Sowohl die britische Virusvariante B.1.1.7 als auch die südafrikanische B.1.351. und die brasilianische Mutante P.1 sind nachgewiesen worden.

Insgesamt verzeichnet das Land mit seinen rund 10,2 Millionen Einwohnern inzwischen rund 652.465 bestätigte Infektionen und 12.798 Covid-19-Tote. Pro eine Millionen Einwohner sind es in dem skandinavischen Land nun etwa 63.582 Infektionen und 1256 Verstorbene (Deutschland 29.134/834).

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Neben den neuen Auflagen für die Gastronomie werden zudem Geschäfte in Schweden nach Angaben der Gesundheitsbehörde ab Montag angehalten, ihre Kunden dazu zu ermahnen, alleine statt zusammen mit Angehörigen einzukaufen. Die Behörde will auch die Besucherzahl in Läden, Einkaufspassagen und Fitnessstudios begrenzen.

Wettkampfveranstaltungen mit Ausnahme des Spitzensports und Spiele von Kindern und Jugendlichen, die 2005 oder später geboren sind, sollen darüber hinaus nicht mehr zugelassen sein, sagte Carlson. „Wir haben mit Sorge eine große Infektionsausbreitung im Zusammenhang mit Wettkampfsport registriert“, so der FHM-Chef.

Pandemiegesetz in Schweden erst seit Ende Januar

Schweden hatte nur vergleichsweise moderate Einschränkungen verhängt und stattdessen an die Vernunft der Bürger appelliert, Abstand- und Hygieneregeln einzuhalten, im Homeoffice zu arbeiten und auf nicht notwendige Reisen zu verzichten. In den Winterferien, die es in den verschiedenen Landesteilen gerade zeitversetzt gibt, sind die Skigebiete allerdings gut besucht.

Die Verantwortlichen in Schweden verteidigten ihre Strategie lange damit, die Regierung habe anders als in den meisten anderen Staaten keine juristischen Möglichkeiten, um beispielsweise einen Lockdown durchzusetzen. Erst Anfang Januar wurden mit einem Pandemiegesetz die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen. Viel zu spät, wie Kritiker urteilen.

FHM-Chef Johan Carlson und der Epidemioploge Anders Tegnell (l.) im April 2020.
FHM-Chef Johan Carlson und der Epidemioploge Anders Tegnell (l.) im April 2020.

© Imago Images/TT/Janerik Henriksson

Vergangene Woche hatte die Regierung nun deutlich gemacht, dass es doch dazu kommen könnte: „Es gibt weiterhin Bedarf, mehrere Maßnahmen zu ergreifen, und es kann aktuell werden, Teile der schwedischen Gesellschaft zu schließen“, sagte Sozialministerin Lena Hallengren.

Erst am Dienstag hatten die Stockholmer Behörden das Tragen einer Mund-Nasen-Maske in öffentlichen Verkehrsmitteln empfohlen. Wir wollen, dass man während des gesamten Tages Mundschutz im öffentlichen Verkehr verwendet“, sagte die Infektionsschutzärztin der Region Stockholm, Maria Rotzén Östlund.

Hauptstadt Stockholm empfiehlt nun Masken

Auch in bestimmten überdachten Bereichen – etwa beim Friseur, in der Apotheke oder im Lebensmittelmarkt – sowie bei Bedarf am Arbeitsplatz werde zum Mundschutz geraten. Die Empfehlungen gelten mit sofortiger Wirkung und vorläufig bis zum 22. März. In der Hauptstadtregion Stockholm sind die Fallzahlen in der vergangenen Woche um 27 Prozent gestiegen, nach einem Anstieg um 24 Prozent in der Woche zuvor.

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Die strikteren Beschränkungen sollten dazu beitragen, die Schulen so lange wie möglich offen zu lassen, erklärte Bildungsministerin Anna Ekström. „Schulen sollten das Letzte sein, was wir schließen, und das Erste, was wir öffnen.“ Eine generelle Empfehlung, Masken zu tragen, hat der umstrittene Staatsepidemiologe Anders Tegnell bisher abgelehnt. Deren Nutzen sei wissenschaftlich nicht ausreichend belegt, lautet sein Argument stets.

[Wissenschaftler klagen an: „Schwedens Corona-Strategie hat Tausende unnötig das Leben gekostet“. Abonnenten von T+ lesen hier das Interview]

Tegnell und Carlson hatten bisher maßgeblich den Kurs Schwedens in der Pandemie bestimmt. In der jüngsten Vergangenheit verschärfte sich die Kritik an Regierung und FHM massiv. Kritiker verweisen immer wieder darauf, dass andere Länder wie auch die direkten Nachbarstaaten Dänemark, Norwegen und Finnland einen deutlich schärferen Kurs fahren.

So kündigte Finnland am Donnerstag an, dass wegen der wieder deutlich gestiegenen Infektionszahlen die Gastronomie ab dem 8. März für drei Wochen schließen muss. Zudem müssten Schüler der Sekundarstufe von zu Hause aus unterrichtet werden und die Kontakte in den am stärksten betroffenen Gebieten auf sechs Menschen begrenzt werden. „Wenn wir zu lange warten, wird die Lage so schlimm, dass es zu spät sein wird, um die Ausbreitung der Krankheit zu stoppen“, sagte Ministerpräsidentin Sanna Marin in Helsinki. Die britische Virusvariante habe „die Situation schnell verschlimmert“.

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