zum Hauptinhalt
Das Virus macht aus allem ein Risiko. Auch aus Strandbesuchen.

© Christian Charisius/dpa

Corona-Alarm und Ferienpläne: Die Angst vor dem Virus im Gepäck

Das freie Reisen ist in Gefahr, und so wird es bleiben: Das Coronavirus ist so mobil wie die Menschen auch. Es ist besser, sich direkt drauf einzustellen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Caroline Fetscher

Auf in den Urlaub! Die Koffer gepackt, das Auto betankt, der Proviant reicht für unterwegs bis zum Strand. Auf einmal aber schrillt eine Trillerpfeife, und ihr Signal heißt: Hiergeblieben! Die Reise ans Wasser fällt ins Wasser, „wegen Corona“. So und ähnlich ergeht es jetzt vielen Menschen, dort, wo wegen regionaler Ausbrüche neue Lockdowns herrschen. Leute in den Landkreisen Gütersloh und Warendorf sind aufgerufen, diese Corona-Hotspots „nur in besonderen Fällen“ zu verlassen. Also möglichst gar nicht.

Bayern möchte Urlauber aus solchen Regionen überhaupt nur haben, wenn die Gäste gute Testergebnisse vorweisen, negative Tests auf Covid-19. Schleswig-Holstein verordnet den von Hotspots Anreisenden vierzehn Tage Quarantäne, von der Insel Usedom wurden solche Feriengäste sogar schon zurückgeschickt. Und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet sorgt sich über die temporäre Stigmatisierung seiner Landsleute.

Wenig überraschend unterbricht der Corona-Alarm nicht nur die Routinen des Alltags, sondern funkt auch in Ferienpläne hinein. Nichts fördert die Verbreitung mehr, als Mobilität, und das Virus soll möglichst nicht auf Wanderschaft gehen. Aber Menschen möchten gern wandern, schwimmen, wegfahren.

Gleichzeitig ist klar: Wo immer Corona-Hotspots entstehen, wird es Corona-Lockdowns geben. An vorübergehenden Stilllegungen des öffentlichen Lebens – denn darum geht es – führt kein Weg vorbei, soll das übrige Leben einigermaßen weitergehen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Corona sucht uns heim – und lässt uns nicht aus dem Heim, vom akut hoch infizierten Rheda-Wiedenbrück bis Beijing, Moskau oder New York. Kaum je ist das universelle „Wir“ so angebracht wie hier, denn das Virus, ein bewusstseinsloser Nomade der Natur, kennt weder menschengemachte Grenzen noch Gesetze.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Die jetzigen Hotspots indes haben inzwischen fast ausnahmslos klare Ursachen. Ein Teil der Gesellschaft lernt seit Monaten, sich gut zu schützen. Man schafft effiziente Masken an, lädt in den eigenen Garten ein, achtet auf die Älteren und hütet sich vor Risiken. Einige Teile der Gesellschaft sind weniger engagiert oder glauben an alternative Fakten, etwa daran, sie seien beim Gottesdienst immun. Viele jedoch sind vor allem weniger privilegiert. Und sie sind häufiger infiziert – das zeigt sich jetzt deutlich, nicht nur in Indien oder Amerika, sondern auch hier im Land.

So sehr das Virus Natur ist, so sehr ist der Prozess seiner Eindämmung Kultur. Landkarten, auf denen die Hotspots in Rot aufblinken, sind keine Wetterkarten. Vielmehr weisen sie auf die „heißen Punkte“, die sozialen Brennpunkte einer Gesellschaft. Das ist der springende Punkt – und Corona-Hotspots werden wie springende Punkte weiter über die Karten hüpfen. Sie werden bald hier, bald dort auftauchen, alarmrot leuchtende Inseln, die nach Isolation rufen, während sich die Gesellschaft fragen muss: Wieso dort? Warum gerade hier?

Parallelwelt Schlachthof - wer will das sehen?

Unschöne Szenen schieben sich jetzt vor die Bilder von Strand und Sonne. Ins Bewusstsein dringt, wie mit Leuchtfarbe markiert, was gern verdrängt wird. Hotspots rücken Ränder ins Zentrum, soziale Brennpunkte. Zu sehen sind etwa verwahrloste Hochhauskomplexe, in denen die Gesellschaft ihre Sozialfälle wegpackt.

Schlaglichter fallen auf Arbeitskolonnen in Schlachthöfen, Parallelwelten des Manchester-Kapitalismus, wo im Akkord tote Tiere zerteilt werden. Ein von der Agrarlobby gedecktes System lässt seine Gastarbeiter sogar für jene Baracken bezahlen, in denen die Gütersloher Hotspots zu glühen anfingen.

Die springenden Punkte sind sprechende Punkte. Sie erzählen von lokalen, sozialen Schwelbränden, die es schon lange vor Corona gab. Jetzt, da diese Orte jederzeit zu Corona-Hotspots mutieren können, wächst ihre Chance auf Aufmerksamkeit. Nun können sie nämlich andere gefährden, sei es, indem sie ihnen die Urlaubsreise vermasseln.

Zur Startseite