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 Friedrich Merz (CDU) und Annegret Kramp-Karrenbauer, Vorsitzende der CDU, sitzen nebeneinander.

© Wolfgang Kumm/dpa

Chronologie bis zur Merz-Kampfkandidatur: Warum es in der CDU jetzt richtig ungemütlich wird

Friedrich Merz hatte wohl nie die Absicht, sich die Chance auf ein Rückspiel gegen AKK entgehen zu lassen. Die Sorge vor einer Spaltung der Partei wächst.

Von Robert Birnbaum

Annegret Kramp-Karrenbauer nimmt das Zauberwort gar nicht mehr in den Mund. Am Montagmorgen vor den Gremiensitzungen im Konrad-Adenauer-Haus war die Hoffnung bei vielen in der CDU-Spitze noch groß auf die „Teamlösung“. Thomas Strobl, Parteivize aus Baden-Württemberg, fasst die Vorzüge einer gütlichen Einigung im ZDF-„Morgenmagazin“ zusammen. „Ich glaube, dass es viele Qualitäten bei einzelnen Bewerber gibt“, sagt Strobl. „Und wenn wir jeden an die Stelle nehmen, wo er seine Qualitäten am ehesten zur Geltung bringen kann, kann das eine gute Formation werden.“

Doch einer wollte nie eine Formation, und am Abend ist klar: ein zweiter will sie auch nicht. Friedrich Merz tritt an zur Kampfkandidatur um den CDU-Vorsitz. Damit ist der Versuch gescheitert, die Machtverteilung in der größten Regierungspartei schiedlich-friedlich zu regeln.

Tatsächlich hatte Merz wohl nie die Absicht, sich die Chance auf ein Rückspiel entgehen zu lassen. Seit er vor zwei Jahren Kramp-Karrenbauer in Hamburg knapp unterlegen war, hielt der Ex-Fraktionschef seine Ambitionen vielsagend in der Schwebe und sich selbst als Zwischenrufer vom Spielfeldrand im Gespräch.

Seine eigene Unbeherrschtheit hinderte Merz

Im vorigen Jahr beim Leipziger Parteitag hinderte ihn die eigene Unbeherrschtheit am Versuch, Revanche zu üben: Sein „grottenschlecht“-Ausbruch gegen Angela Merkels Regierung nach der Thüringen-Wahl war in der Partei so schlecht angekommen, dass ihm die Hände gebunden waren. Dass Kramp-Karrenbauer dort die Machtfrage offen stellte, bremste ihn endgültig aus.

Doch seine diesjährige Tournee durch die Neujahrsempfänge im ganzen Land konnte man schon als nächsten Anlauf lesen – dass es nicht gut stand um AKK, war schließlich jedem klar. Direkt nach der Verzichtserklärung der Parteivorsitzenden vor zwei Wochen ließ Merz durchsickern, dass er antreten will. Als vorige Woche auch noch Norbert Röttgen seinen Hut in den Ring warf, war eigentlich klar, dass die AKK-Nachfolge nicht konfliktfrei zu regeln ist.

Trotzdem hofften viele in der CDU-Führung auf eine Teamlösung unter den drei Alt-Aspiranten – neben Merz der NRW-Chef Armin Laschet und Gesundheitsminister Jens Spahn. Hinter dem Wunsch nach Konsens stehen unterschiedliche Motive. Da ist die Sorge vor der weiteren Spaltung – der viel gerühmte Wettbewerb zwischen AKK, Merz und Spahn vor zwei Jahren hatte im Ergebnis die Partei in zwei Lager zerfallen lassen, statt sie zu versöhnen.

Viele wollten Merz ausbremsen

Dazu kam das kaum verhüllte Motiv, Merz auszubremsen. Dessen Getänzel an der Seitenlinie war auch solchen Funktionären auf die Nerven gegangen, die an Kramp-Karrenbauer zweifelten. Merz habe die Chance gehabt, sich inhaltlich breiter aufzustellen und neu zu erfinden, merkte neulich einer an. Stattdessen habe er sich von aller Verantwortung fern gehalten und die alte Feindschaft mit Merkel gepflegt.

Schließlich favorisierten auch Laschet und Spahn eine Teamlösung. Laschet steht ohnehin für einen konsensualen Politiker-Typus, der keinen der Flügel und der Lager in der Partei gegen sich aufbringt. Er hat außerdem als NRW-Ministerpräsident in einer Kampfkandidatur viel zu verlieren.

Spahn ahnte, dass er in einem Wettbewerb wieder nicht vorn liegen würde. In der CDU-Führung kursierten folgerichtig Überlegungen, ob nicht Laschet als CDU-Chef und Kanzlerkandidat, Merz als Wirtschaftsminister und Spahn als Fraktionschef ein perfektes Wahlkampfteam werden könnten, zumal wenn man die Amtsinhaber Peter Altmaier und Ralph Brinkhaus angemessen entschädigt.

Die Teamlösung, die nicht funktionierte

Kramp-Karrenbauer führte vorige Woche und bis ins Wochenende hinein Einzelgespräche mit jedem der Vier. Merkel war im Bilde, Söder auch. Montagfrüh, noch vor der Präsidiumssitzung, rief die scheidende Chefin ihre Stellvertreter, die Landesvorsitzenden und das Präsidium zusammen. Sie meldete Ernüchterndes: Eine Teamlösung sei nach wie vor nicht ganz ausgeschlossen, aber nicht mehr die wahrscheinlichste. Wenn, dann müssten die drei noch nicht amtlich erklärten Bewerber sie jetzt unter sich ausmachen.

Laschet warb in der anschließenden Gremiensitzung noch einmal für eine Mannschaftsaufstellung, so wie es Spahn vor Beginn draußen vor der Tür getan hatte. Doch was Präsidium und Vorstand beschlossen und Kramp-Karrenbauer anschließend verkündete, war schon die Aufstellung für den Gefechtsfall.

Im Laufe dieser Woche würden die drei Fragezeichen Laschet, Merz und Spahn bekannt geben, ob sie kandidieren wollen oder nicht, kündigt die Vorsitzende an. Ein Schaulaufen auf Regionalkonferenzen wie vor zwei Jahren werde es nicht geben. Die Parteizentrale rede mit den Kandidaten über ein geordnetes Verfahren zur Information der Mitglieder und Delegierten. Die Entscheidung fällt auf einem Sonderparteitag am 25. April in Berlin.

Zusagen sollen Schatten-Kanzlerkandidaten vermeiden

Zwei Zusagen hat sich Kramp-Karrenbauer von allen Anwärtern geben lassen und verkündet sie mit deren Einverständnis: Erstens werde jeder nach einer strittigen Abstimmung das Ergebnis akzeptieren. Zweitens werde danach jeder „erkennbar und sichtbar“ weiter in der CDU mitarbeiten. Der Name „Merz“ fällt nicht. Aber beide Zusagen sollen verhindern, dass der nächste CDU-Chef wieder Kramp-Karrenbauers Schicksal erleidet und der nächste Unterlegene wieder als Schatten-Kanzlerkandidat umhergeistert.

Unsicherheiten über die K-Frage will die CDU-Spitze diesmal gar nicht erst aufkommen lassen. Mit der Wahl ihres Nachfolgers, betont Kramp-Karrenbauer, werde zugleich die Frage der „Kanzlerkandidatur der CDU“ geklärt. Über die „Kanzlerkandidatur der Union“ müsse sich der Nachfolger dann mit Söder verständigen. Aber die CDU-Vorsitzendenwahl schaffe ein „klares Präjudiz“.

Söder kann sich nicht beschweren

In München hören sie diesen Teil mit Verwunderung. Das sei so nicht abgesprochen gewesen, ärgern sich CSU-Kreise. Das stimmt, allerdings darf sich der CSU-Vorsitzende Markus Söder eigentlich nicht beschweren. Sein eigenes Konto der Solo-Vorstöße, angefangen mit dem Ruf nach Kabinettsumbildung, ist mittlerweile ansehnlich. Und Kramp-Karrenbauer agiert hier nicht allein und auf eigene Rechnung. Auch große CDU-Landesverbände hatten darauf gedrungen, die K-Frage nicht offen schweben zu lassen.

In der CDU-Führung wird nämlich seit Tagen mit Misstrauen und Ärger verfolgt, wie sich Söder mit Drängeln und Vorgaben in die CDU-Verfahren einmischt. Mancher glaubt, Söder gehe es nicht nur um eine Frage der Ehre, wenn er zwischen CDU-Vorsitz und Kanzlerkandidatur so gar keinen Zusammenhang sehen mag. Der Bayer, argwöhnen etliche, wolle sich allen Absagen zum Trotz eine eigene Bewerbung ums Kanzleramt offenhalten.

Zuletzt hat Söder gefordert, schnell eine gemeinsame Präsidiumssitzung von CDU und CSU einzuberufen. Kramp-Karrenbauer bremst ihn kühl aus: Bis Mitte März sei die bayerische Schwesterpartei ja erst mal sehr beschäftigt mit ihrer Kommunalwahl, unkt sie. Und ob danach der Zeitpunkt noch der Richtige ist für solch ein Treffen vor dem CDU-Sonderparteitag im April.

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