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Christine Lagarde, seit dem 1. November die Frau für Europas Währung, hat für 2020 einiges auf dem Zettel.

© Francisco Seco/AP/dpa

Christine Lagarde und der Euro: Mit Geld spielt man nicht

Die Geldpolitik der EZB ist an ihr Ende gekommen, und wenn jemandem ein Neuanfang gelingen kann, dann der neuen Chefin Lagarde. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Carla Neuhaus

Einen guten Vorsatz hat Christine Lagarde für 2020 bereits. „Wir werden jedes Thema besprechen und dabei jeden Stein umdrehen“, sagt die Frau, die seit dem 1. November eine der wichtigsten Institutionen Europas leitet: die Europäische Zentralbank. Als oberste Geldpolitikerin der Eurozone will und muss sich Lagarde als erste Juristin auf dem Posten, ihre Vorgänger waren Finanzfachleute und Ökonomen, noch beweisen. Auf dem Spiel steht jedoch mehr als nur ihre eigene Karriere. Es geht um die Wirtschaft der Euro-Zone und damit letztlich um unser aller Wohlstand.

Vor Lagarde liegt ein harter Job. Die Wirtschaft in der Eurozone entwickelt sich nur mau. Gleichzeitig aber sind die Zentralbanker mit ihrer lockeren Geldpolitik so gut wie am Ende. Die Zinsen sind im Keller, teils bereits negativ. Über ihre Anleihekäufe pumpt die EZB jeden Monat Milliarden in den Markt. Und doch bringt das wenig. Theoretisch müssten jetzt die Preise steigen, die Wirtschaft deutlich wachsen. Doch in der Praxis passiert das nicht. Warum, das wüssten viele Geldpolitiker selbst gerne.

„Wenn es schwierig wird, holt man eine Frau an die Spitze.“

Entsprechend groß ist die Hoffnung, die nun viele in Lagarde setzen. Zu recht. Denn wenn jemandem ein Neuanfang gelingen kann, dann ihr. Sie selbst sieht das so: „Wenn es schwierig wird, holt man eine Frau an die Spitze.“ Tatsächlich war Lagarde schon mehrfach die Feuerwehrfrau: Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise war sie Finanzministerin in Frankreich. Als der frühere Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) 2011 wegen Vergewaltigungsvorwürfen vorfristig zurücktrat, holte man Lagarde an die Spitze des IWF. Dort setzte sie mit Klimaschutz und Frauenförderung eigene Akzente und managte die Griechenland-Rettung, die ohne das Zutun des IWF nicht möglich gewesen wäre.

Als neue EZB-Präsidentin nun hat Lagarde eine Überprüfung der Strategie des Hauses angekündigt – ein längst überfälliger Schritt. Denn grundsätzlich hinterfragt haben die Geldpolitiker ihre Arbeit zuletzt vor 17 Jahren. Dabei sollte die EZB genauso wie jede Regierung ihre Politik von Zeit zu Zeit überdenken und auf neue Entwicklungen reagieren.

Ist das Zwei-Prozent-Ziel zeitgemäß?

Für die Geldpolitiker heißt das zum Beispiel: Sie müssen sich ernsthaft fragen, ob es noch zeitgemäß ist, am Inflationsziel von zwei Prozent festzuhalten. Bislang gilt das als unumstößlich. Die EZB will damit eine Deflation verhindern. Denn so misslich eine leichte Inflation und damit steigende Preise für Verbraucher sind, wären doch fallende Preise für die Wirtschaft sehr viel schlimmer: Werden Maschinen zum Beispiel über die Zeit immer billiger, halten Unternehmen ihre Investitionen zurück, in der Hoffnung, bald weniger dafür zahlen zu müssen. Das aber würgt das Wachstum ab, weil Firmen, die die Maschinen produzieren, immer weniger Aufträge bekommen.

Da die EZB ihr Zwei-Prozent-Ziel trotz immenser Markteingriffe seit Jahren nicht erreicht, muss man sich jedoch inzwischen fragen, ob es noch zeitgemäß ist. So halten Experten es zum Beispiel für möglich, dass sowohl die demografische Entwicklung als auch die Digitalisierung für eine geringere Inflation sorgen. Ist das so, muss die EZB darauf reagieren. Es ist deshalb gut und richtig, dass Lagarde das Thema auf die Tagesordnung setzt. Ebenso wie die Frage, ob die Zentralbank auch den Klimaschutz berücksichtigen sollte.

Auch für die EZB ist der Klimawandel ein Thema

Bereits im Vorfeld ihrer Ernennung als EZB-Präsidentin sagte Lagarde: „Klimawandel und Umweltschutz sollten für jede Institution im Mittelpunkt stehen.“ Und so abwegig es zunächst vielleicht klingt: Auch für die EZB ist der Klimawandel ein Thema. Zum einen hat sie über ihr Anleihekaufprogramm Einfluss auf den Markt. Kauft die EZB selbst mehr „grüne“ Papiere, kann das wegweisend sein. Zum anderen berücksichtigen Banken bislang viel zu wenig, welche Folgen etwa die Zunahme von Extremwettern auf Unternehmen hat, denen sie Kredit gewähren. Die EZB könnte das ändern, etwa indem sie Banken auferlegt, die Folgen des Klimawandels wie andere Risiken auch in ihre Berechnungen miteinzubeziehen.

Wie viel Fortschritt die EZB in diesen Punkten 2020 macht, hängt von Lagarde ab. Und der Frage, wie ernst sie selbst ihren Vorsatz fürs neue Jahr nimmt.

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