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Christian Lindner, Partei- und Fraktionsvorsitzender der FDP, bei einem seiner zahlreichen Statements in Berlin zur Corona-Situation.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Christian Lindners Rundschreiben: An der FDP soll es nicht gelegen haben

Die Liberalen tragen die geplanten Änderungen im Infektionsschutzgesetz nicht mit - die Macht der Regierung wollen sie begrenzt halten. Ein Kommentar.

Moment mal – so klingt das, was FDP-Partei -und Fraktionschef Christian Lindner an die Kolleg:innen der anderen Parteien und an die Zuständigen in der Regierung geschickt hat, namentlich Angela Merkel und Jens Spahn. Schriftlich hat er es ihnen gegeben, sehr formal in Sprache und Form, damit umso deutlicher wird, wie ernst die Freidemokraten ihre Ablehnung des geplanten Corona-Gesetzesakts meinen und nehmen. Viele Worte für im Wesentlichen drei: nicht mit uns.

Dass die Regierungsfraktionen und die Regierung sich aus FDP-Sicht nicht lösen von reiner Inzidenzbetrachtung; dass sie nicht ausreichend bereit sind, auch andere Faktoren einzubeziehen, die vor einem Lockdown stehen sollten; dass sie außerdem kein Gefühl für die sich verschärfende Ermüdung und Empörung in der Gesellschaft zu entwickeln scheinen – alles das scheint als Vorwurf in Lindners Brief auf. Der wird damit auch zu einer Protokollnotiz für die Zeit, die irgendwann doch hoffentlich kommen mag: die nach der Pandemie. Dann wird nachgehalten und nachgerechnet werden, aufgerechnet außerdem. Und die FDP will sagen können: An uns hat es nicht gelegen.

So wird es in den kommenden Tagen und Wochen weitergehen. Die Skepsis der FDP – wohlgemerkt keine, die sich schlicht als Corona-Leugnen abqualifizieren ließe – bezieht sich auf die Vorstellung davon, wie staatliches Handeln verhältnismäßig bleibt. Das passt zur selbst gestellten Aufgabe als Hüterin des Grundgesetzes. Nach dem Motto: Einer muss es ja tun. Dass Grundrechtseinschränkungen nicht nur besonders gut begründet, sondern auch möglichst schnell zurückgenommen werden müssen, um den Menschen ihre Freiheit(en) zurückzugeben, liegt einmal in der DNA von Liberalen und ist darüber hinaus für den Wahlkampf eine wohlgewählte Position.

Damit die AfD immer weniger zur Alternative wird

Wer sich nämlich jetzt darüber ärgert, dass die Regierenden meinen, immer mehr allein entscheiden zu sollen, ohne Rückkopplung, soll in der FDP seinen politischen Anker finden. Das ist insofern auch staatspolitisch verantwortlich, als damit die AfD immer weniger zur Alternative werden kann. Sie ist in keinem Fall die Partei, die den demokratischen Bürgersinn und das Gemeinwesen schützen und stützen will.

Wenn nun die Bundesregierung mit den sie tragenden Fraktionen denken sollte, sie könne die Exekutivgewalt mal eben auch für zukünftige Zeiten ausdehnen, könne sich gewissermaßen eine weitergehende Ermächtigung verschaffen, um zu handeln, wie es ihr gefällt – dann haben sie in der FDP einen Gegner, der solche Fälle vors Bundesverfassungsgericht zu bringen versteht. Und seine Fälle dort oft genug auch gewinnt. Es gilt die Verfassung der Bundesrepublik, nicht die der Weimarer Republik: Lindner und seine Leute würden gewiss mittels Verfassungsbeschwerden alles tun, um zu verhindern, dass eine Regierung sich per Rechtsverordnung gleichsam beliebig über Grundrechte dieser Demokratie hinwegsetzen kann. Will heißen: Die FDP hat ihre Chance auf einen großen Moment erkannt.

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