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Mike Mohring (l), CDU, steht neben Bodo Ramelow (Die Linke).

© Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa

Christdemokraten und die Linke: 30 Jahre nach dem Mauerfall wirkt die CDU wie eine Getriebene

In Berlin und Thüringen verhärten sich die Fronten zwischen der CDU und der Linken. An wem von beiden liegt das? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Erstaunliches geschieht 30 Jahre nach dem Mauerfall. Die Fronten zwischen der CDU und der Linken weichen nicht auf. Sie verhärten sich. Bei der Wahl der Landesverfassungsrichter in Berlin lässt die CDU die Linke Lena Kreck entgegen der Verabredung durchfallen. Sie lehnt die Zustimmung zu einer parteiübergreifenden Resolution zu Ehren der Bürgerbewegungen ab, die die Wende herbeigeführt hatten; beim 20. Jahrestag hatte sie sie noch mitgetragen.

In Thüringen verweigert die CDU die Kooperation mit Bodo Ramelow, obwohl dies die stabilste Konstellation nach der Landtagswahl wäre. Die Bundespartei pocht auf den Unvereinbarkeitsbeschluss des Hamburger Parteitags 2018. „Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab.“

Woran liegt das? Rückt die Linke weiter nach links, nachdem sie sich über die Jahre zur Mitte geöffnet hatte, auch um koalitionsfähig zu werden? Oder verspürt die CDU einen Drang, sich im Stil alter „Rote Socken“-Kampagnen abzugrenzen, weil sie hofft, so die eigene Identität und die Bindung ihrer Wähler zu stärken?

Der Hamburger Beschluss nennt keine Kriterien für die Unvereinbarkeit. In der allgemeinen Debatte dominieren drei Motive. Die Linke stehe nicht eindeutig zur Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung inklusive des Privateigentums. Sie bekenne sich nicht zu Nato und Westbindung, stelle also die Basis der äußeren Sicherheit in Frage. Und sie habe ihr Verhältnis zu den DDR-Verbrechen nicht geklärt.

Der Unvereinbarkeitsbeschluss passt nicht auf Ramelow

In Berlin verweist die CDU auf den Umgang der Linken mit Mietendeckel und Privateigentum. Wegen dieses Linksrucks sei die Ausgangslage für eine Kooperation bei der Resolution zum Mauerfall 2019 schlechter als 2009. Das kann, wer will, mit gutem Willen nachvollziehen. Hinter der Ablehnung Lena Krecks stehen offenbar interne Intrigen. Die Fraktion ließ ihren Chef Burkard Dregger auflaufen. Das wird Folgen haben, wenn die CDU die Stimmen anderer Parteien für ihre Kandidaten in gemeinsamen Gremien braucht. Die Absage in Thüringen passt schlecht zu den Ursprungsmotiven der Unvereinbarkeit. Ramelow ist gläubiger Christ und gelernter Gewerkschafter. Er könnte ohne große Verrenkungen im Arbeitnehmerflügel der Union, der CDA, sein. Thüringen hat er bisher wie ein überparteilicher Landesvater regiert. Er unterstützt die Wirtschaft, stellt Privateigentum nicht in Frage. Über außen- und sicherheitspolitische Fragen entscheidet seine Landesregierung nicht.

Die Landesverbände sollten eigenständig entscheiden

Sein Umgang mit der DDR ist taktisch widersprüchlich. Der rot-rot-grüne Koalitionsvertrag von 2015 bewertete die DDR als „Unrechtsstaat“. 2019 ist Ramelow im Wahlkampf davon abgerückt: „Unrechtsstaat“ sei für ihn ausschließlich mit der Naziherrschaft verbunden. Er sagt aber auch: „Die DDR war eindeutig kein Rechtsstaat.“

Warum bringt die CDU es nicht fertig, nach Personen und regionalen Konstellationen zu unterscheiden? Mit Ramelow, der sich als Ministerpräsident ähnlich wie der Grüne Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg wenig um das Programm seiner Partei schert, müsste sie koalieren können – zumal viele CDU-Anhänger Ramelow gut finden. Gegen ideologische Betonfraktionen wie die Linken in Nordrhein-Westfalen oder die Kommunistische Plattform kann sie sich abgrenzen. Warum lässt die CDU nicht die Landesverbände entscheiden? Sie wirkt wie eine Getriebene, die aus Angst vor weiteren Wählerverlusten auch dort auf Unvereinbarkeit drängt, wo ihr die Wähler wegen zu harter Abgrenzung den Rücken kehren.

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