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Wer in Hongkong per Flugzeug eintrifft, erhält ein elektronisches Armband, mit dem die Einhaltung der 14tägigen Quarantäne überwacht wird.

© AFP/Anthony Wallace

Chinesisches Sozialkreditsystem: Punktabzug für Covid-19-Lügner

Wer in China über seinen medizinischen Zustand bezüglich Covid-19 falsche Angaben macht, wird mit Strafpunkten im neuen Sozialkreditsystems belegt.

Dass das Coronavirus in China nicht immer noch wütet, ist womöglich den strengen Quarantänemaßnahmen der autoritären Regierung zuzuschreiben. Diejenigen, die trotz aller Verbote auf die Straße gingen, wurden etwa über Drohnen gemaßregelt, anhand von Handyortung, sowie Gesichtserkennung identifiziert, und dann zurückverfolgt welche Wege die Infektionen genommen hatten.

Seit vergangener Woche werden chinesische Bürger, die über ihren medizinischen Zustand bezüglich Covid-19 lügen oder vertuschen wollen, mit Strafpunkten im neuen Sozialkreditsystems des Landes belegt. Anlass für diese Maßnahme war eine Chinesin, die schon mit Symptomen der Lungenkrankheit aus den USA nach Peking eingereist war und versuchte hatte ihren Gesundheitszustand gegenüber dem Flugpersonal zu verbergen. Sie wurde nach Ankunft im Krankenhaus positiv auf Covid-19 getestet.

Unsoziales Verhalten steht im Mittelpunkt des neuen Sozialkreditsystems, das dieses Jahr landesweit eingeführt werden soll. Über ein Punktesystem soll soziales Verhalten belohnt und unsoziales Verhalten bestraft werden. Die Kriterien werden teils allerdings von Provinz- oder Lokalbehörden unterschiedlich festgelegt. Schon jetzt gibt es  erheblichen Datenmengen die in ausgewählten Provinzen, in denen das Sozialkreditsystem schon getestet wird, gesammelt wurden. Seit Ausbruch des neuartigen Coronavirus sind noch viel mehr dazu gekommen. So müssen nun alle Arbeiter, die in der Provinz Hubei in die Fabriken zurückkehren wollen, sich vorher eine sogenannte Gesundheits-App runterladen. Über den Personalausweis müssen sich die Nutzer identifizieren und Angaben über ihre kürzlichen Aufenthaltsorte machen, mit wem sie in Kontakt standen, der sich mit dem Virus infiziert haben könnte. Ein Algorithmus errechnet dann, welchen Farbcode sie auf ihre Telefone ausgespielt bekommen. Nur ein grüner QR-Code berechtigt das Reisen und damit auch die Rückkehr an die Arbeitsstelle.

Eine Studie belegt eine hohe Akzeptanz des Systems - anfänglich

„Ähnliche Mechanismen wie die Farbcodes werden auch im Rahmen des Sozialkreditsystems verwendet“, sagt Mareike Ohlberg, Expertin bei Merics, einem China Think Tank in Berlin. Das Problem: der Unmut in der Bevölkerung steigt, wenn man sich falsch kategorisiert sieht. Das könnten die während der Corona-Krise gesammelten Daten noch problematischer werden lassen, so Ohlberg.

In einer Studie unter Studenten dreier chinesischer Universitäten haben Ohlberg, der  Wissenschaftler  Marc Oliver Rieger von der Universität Trier und Mei Wang von der Otto Beisheim School of Management  herausgefunden, dass generelles Misstrauen und ein geringes Gefühl von Sicherheit bei den Teilnehmern der Umfrage zwar zu einer anfänglich hohen Akzeptanz des Sozialkreditsystems bei den jungen Menschen führt. Den meisten war schlicht nicht klar, was mit ihren Daten alles angefangen werden könnte. Doch je mehr Zugang sie zu Informationen über die Funktionalitäten des Sozialkreditsystems erhalten hatten, desto deutlicher stieg auch das Bewusstsein über die damit verbundenen Risiken, etwa beim Schutz ihrer Privatsphäre, oder den drohenden Sanktionen. So fiel die Zustimmung zum Sozialkreditsystems signifikant von 53 auf 29 Prozent, sobald die Befragten detaillierter über eigene Vor- und Nachteile informiert worden seien.

Ein größeres allgemeines Misstrauen und geringeres Sicherheitsgefühl bei den Menschen sind Folgen der Krise, die wohl langfristig bleiben werden. Aber auch jenseits des Sozialkreditsystems wir der Druck erhöht. So haben einige Provinzen, wie z.B. Sichuan eine Belohnung von 5000 Yuan ausgelobt, wenn man den Behörden illegal Reisende während der Quarantäne anzeigte. Hier aber zeigen sich auch die Grenzen des Systems: Viele Wanderarbeiter aber sind darauf angewiesen wieder zu arbeiten und sehen sich gezwungen falsche Angaben zu machen.

Ning Wang

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