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Pro-Peking-Demonstranten provozieren in Melbourne am Rande einer Pro-Hongkong-Demonstration.

© Erik Anderson/AAP/dpa

Chinas langer Arm: Wie Peking seinen Einfluss im Westen geltend macht

Der politische Einfluss auf den Westen nimmt zu. Besonders akademische Kanäle geraten ins Visier von Pekings Führung.

An der Universität von Queensland im australischen Brisbane war man es gewöhnt, dass Demonstrationen friedlich vonstatten gingen. Umso größer war dort das Entsetzen, als kürzlich im Verlauf einer Kundgebung die Fäuste flogen. Einige chinesische Kommilitonen fühlten sich provoziert durch eine Gruppe internationaler Studenten, die „Freiheit für Hongkong“ forderten: Jene ehemalige britische Kolonie, die 1997 mit der vertraglichen Zusage für den Erhalt ihrer Demokratie an die Volksrepublik zurückgegeben wurde und dennoch zunehmend unter die politische Kontrolle Pekings gezwungen wird.

Wie viele Chinesen den Protest missbilligten, wurde deutlich, als durch einen tragbaren Lautsprecher die chinesische Nationalhymne dröhnte. Dutzende grölten lauthals den Text mit. Einige stellten sich provokativ singend in die Menge der Pro-Hongkong-Fraktion. Später sorgte die Polizei für Ordnung und löste die Versammlung auf. Chinas Generalkonsul in Brisbane lobte die Eskalation als einen „Akt des Patriotismus“.

Es drängt sich die Frage auf, ob China solche Gegendemonstrationen forciert, um internationale Solidarität mit Hongkong, wo am Freitag erneut Tausende in Menschenketten für Demokratie demonstrierten, im Keim zu ersticken. Beispielsweise über seine Studentenorganisation CSSA, die weltweit auf Anweisungen chinesischer Botschaften und Konsulate agiert.

Die australische Regierung will deshalb untersuchen, wie groß der Einfluss Chinas auf australische Universitäten wirklich ist. Viele Hochschulen sind Kooperationen eingegangen mit Konfuzius-Instituten, die dem chinesischen Bildungsministerium unterstehen, weltweit Kultur und Sprache lehren und dabei nachgewiesenermaßen eine apolitische Version jüngerer chinesischer Geschichte verbreiten. 19 dieser Institute gibt es auch in Deutschland. In den USA beschäftigte die Sorge vor wachsender Einflussnahme Chinas über akademische Kanäle sogar bereits den Kongress.

Unbestritten reicht Pekings langer Arm in Australien bereits in andere Bereiche. Beispielsweise musste sich der Autor Clive Hamilton einen neuen Verlag für sein Buch mit dem Titel „Silent Invasion: China’s influence in Australia“ suchen. Sein ursprünglicher Partner war kurzfristig abgesprungen aus Angst vor rechtlichen Schritten Pekings. Meistens aber geht es nur ums Geld und die Sorge vor wirtschaftlichen Konsequenzen. China ist bei Weitem Australiens wichtigster Handelspartner. Fast ein Drittel aller Exporte geht in die Volksrepublik. Deren Hunger auf australische Rohstoffe schaffte viele Arbeitsplätze in Australien.

Geheimdienstverbindungen

Zu große wirtschaftliche Abhängigkeit zu China erkennen Kritiker auch in Neuseeland. 2008 gewährte die Volksrepublik überraschend ein Freihandelsabkommen. Das Handelsvolumen zwischen beiden Staaten hat sich danach verdreifacht. – weil Chinesen ein Viertel ihrer globalen Milchimporte aus Neuseeland beziehen.

Eine Schlüsselfigur in den Beziehungen ist der neuseeländische Parlamentarier Jian Yang, gebürtiger Chinese. Yang verheimlichte lange Zeit, dass er an einer Universität des militärischen Geheimdienstes graduierte. Nach wachsenden Bedenken gegen ihn wurde er 2016 von allen Regierungsgremien für auswärtige Angelegenheiten ausgeschlossen, blieb aber Abgeordneter der National Party. Kritiker verdächtigen Yang öffentlich der Spionage. Seine Partei hält an ihm fest, weil er durch sein Netzwerk immer wieder gute Geschäfte für Neuseeland einfädelte. Ob die Chinesen durch Yang auch anderweitig profitieren, bleibt Spekulation.

Fakt ist, dass Neuseeland Teil eines Geheimdienstnetzes mit den USA, Kanada, Großbritannien und Australien ist. Manche sagen, China würde über Neuseeland Zugang zu sensiblen Daten suchen. Ob das stimmt oder nicht: Neuseelands Spielraum bei der Spionageabwehr scheint begrenzt zu sein, wenn es wirtschaftliche Konsequenzen mehr fürchtet als eine offene Flanke.

Chinas verdeckte politische Einflussnahme beschäftigte auch Anne-Marie Brady von der Uni Canterbury in Christchurch. Ihre Abhandlung zu dem Thema weckte weltweit Interesse. Australien lud sie zu einer Rede ins Parlament ein. Vorher wurde bei Brady eingebrochen, Datenträger entwendet. „Wenn wir nicht die Souveränität und Integrität unseres politischen Systems und zeitgleich positive Beziehungen zu China bewahren können, dann treten wir in eine sehr gefährliche Ära der globalen Politik ein“, sagte sie in einem Interview.

Auch die EU kämpft gegen wachsenden politischen Einfluss aus Fernost. Meist bedienen sich die Chinesen dabei legitimer Mittel: Sie bilden Wirtschaftsforen mit osteuropäischen Staaten, gewähren Kredite an klamme Mitgliedsländer und schmieden bilaterale Handelsabkommen. Dass aber auch in Europa Kritiker den Zorn Pekings fürchten müssen, erfuhr jüngst die Grünen-Menschenrechtsexpertin Margarete Bause. Sie hatte China unter anderem die Unterdrückung der Uiguren vorgeworfen. Als sie nun mit dem Digitalausschuss nach China reisen wollte, sprach Peking ein Einreiseverbot aus. Inzwischen ist die Reise abgesagt, denn die chinesische Seite hat klargemacht: Solange Bause Mitglied der Delegation sei, könne der Digitalausschuss nicht einreisen.

Marcel Grzanna

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