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Im März setzten sich diese Demonstranten vor dem Gerichtsgebäude in Vancouver für die Freilassung von Michael Spavor und Michael Kovrig in China ein.

© REUTERS/Lindsey Wasson

China klagt zwei Kanadier wegen Spionage an: Diplomatie mit Geiseln?

China klagt zwei Kanadier wegen Spionage an. Nicht nur ein chinesischer Journalist bringt das in Verbindung mit einem Auslieferungsverfahren in Kanada.

Chen Weihua wird ungewöhnlich deutlich. Der Europa-Chefkorrespondent der staatlichen chinesischen Zeitung „China Daily“ schrieb am Wochenende in einem Tweet: „Viele Menschen beachten oft nicht, dass Meng zehn Kovrigs und Spavors wert ist – wenn nicht noch mehr.“ Er meinte damit die beiden in China inhaftierten Kanadier Michael Kovrig und Michael Spavor und die in Kanada gegen ihre Auslieferung an die USA kämpfende Huawei-Finanzchefin Meng Wanzhou. Kurze Zeit später löschte der Regierungsjournalist seinen Tweet wieder. Vielleicht weil er ein zweifelhaftes Menschenbild offenbart hatte. Wahrscheinlicher aber, weil er damit indirekt genau jene „Geiseldiplomatie“ zugegeben hatte, die westliche Beobachter der chinesischen Regierung vorwerfen – und die von Peking bisher offiziell abgestritten wird.

Trudeau zeigt sich "enttäuscht" über das Vorgehen Chinas

Doch auch die zeitliche Abfolge der Ereignisse legt das nahe. Am Freitag hatte China die zwei Kanadier offiziell wegen Spionagevorwürfen angeklagt. Wie das chinesische Staatsfernsehen berichtete, wirft die Pekinger Staatsanwaltschaft Michael Kovrig vor, Staatsgeheimnisse und Geheimdienstinformationen ausspioniert zu haben. Der Nordkorea-Experte Michael Spavor, wurde in Dandong nahe der nordkoreanischen Grenze offiziell der Spionage für ausländische Kräfte beschuldigt. Die beiden Kanadier waren am 10. Dezember 2018 in China festgenommen worden, zehn Tage nach Mengs Festnahme in Kanada. Am 27. Mai 2020 entschied ein kanadisches Gericht, dass Mengs Auslieferungsverfahren weitergehen kann – prompt folgte nun die offizielle Anklage der Kanadier in China. Meng Wanzhou ist die Tochter des Huawei-Gründers Ren Zhengfei und gehört damit zur Nomenklatura des chinesischen Staates.

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Kanadas Premierminister Justin Trudeau zeigte sich am Freitag, „enttäuscht“ über das Vorgehen der Chinesen. „Wir werden weiter für ihre Freilassung eintreten, für ihre Rückkehr nach Kanada“, sagte Trudeau. Eine Verbindung zum Fall von Meng Wanzhou sehe er nicht. Offenbar anders als der Europa-Chefkorrespondent von „China Daily“. (mit dpa)

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