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Jungen bevorzugt. Viele chinesische Paare wünschen sich eher männlichen als weiblichen Nachwuchs – und helfen gelegentlich dabei auch nach.

© dapd

China: Änderung im Plan

China diskutiert den Abschied von der Ein-Kind-Politik aus dem Jahr 1980. Eine regierungsnahe Denkfabrik kritisiert, dass die Politik zu einem "lang anhaltenden Ungleichgewicht der Geschlechter geführt hat".

Zu den vielen Einkaufsmöglichkeiten für Festlandschinesen in Hongkong ist in den letzten Jahren das „Gender Shopping“ hinzugekommen. Vor drei Jahren haben es sich auch der Fabrikbesitzer Chen Jiang und seine Frau aus der Provinz Fujian geleistet. Sie fuhren nach Hongkong, um dort etwas machen zu lassen, was in Festlandchina verboten ist: das Geschlecht ihres ungeborenen Kindes zu bestimmen. „Es war sehr stressig“, erinnert sich Chen Jiang in der „South China Morning Post“, „bei einem Mädchen wären wir nach Hause gefahren und hätten es abgetrieben“. Es wurde ein Junge.

„Wir mussten es tun, obwohl wir wussten, dass es grausam und unfair war“, sagt der Fabrikbesitzer, „das alles haben wir nur wegen der Ein–Kind-Politik gemacht.“ Möglicherweise müssen künftige Generationen eine Reise, wie sie Chen Jiang unternahm, nicht mehr antreten. Wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, hat ein regierungsnahes Politikinstitut der chinesischen Regierung empfohlen, die Ein–Kind-Politik so bald wie möglich auslaufen zu lassen. Schon in diesem Jahr sollten einige Provinzen ein zweites Kind erlauben, im Jahr 2015 sollten in ganz China zwei Kinder erlaubt sein, lautet die Forderung des Instituts. Und ab 2020 sollten die Restriktionen ganz auslaufen, empfiehlt das Institut. „China zahlt riesige politische und soziale Kosten für diese Politik, die zu sozialen Konflikten, hohen Verwaltungskosten und indirekt zu einem lang anhaltenden Ungleichgewicht der Geschlechter geführt hat“, zitiert Xinhua den Bericht der regierungsnahen Stiftung für Entwicklungsforschung in China.

2010 kamen in China auf 100 neugeborene Mädchen 118 Jungen. Der Grund dafür wurzelt in dem traditionell höheren Ansehen für Jungen, die auch für die Eltern sorgen können. Im Gegensatz zu den verheiratenden Frauen, die für die Schwiegereltern verantwortlich sind. In der Ein-Kind-Politik ist das der Grund, warum sich viele chinesische Paare für einen Jungen als einziges Kind entscheiden. Zwar dürfen Ärzte in Festlandchina einer schwangeren Frau das Geschlecht des Fötus vor der Geburt nicht verraten, doch gibt es neben dem „Gender Shopping“ in Hongkong weitere illegale Möglichkeiten, das Geschlecht zu bestimmen.

Die fehlenden Mädchen bei den Geburtenraten werfen schon jetzt Probleme auf. So finden viele chinesische Männer keine chinesische Frau und heiraten Frauen aus Vietnam oder Nordkorea.

Chinas Ein-Kind-Politik lässt allerdings auch eine Vielzahl von Ausnahmen zu. Sie gilt vor allem für die Stadtbevölkerung, auf dem Land ist ein weiteres Kind erlaubt, falls das erste Kind ein Mädchen war. Auch ethnische Minderheiten sind von der Regelung ausgenommen. Mehr und mehr Eltern im aufstrebenden China können es sich zudem leisten, Strafen für ein zweites Kind zu bezahlen.

Immer wieder waren zuletzt in chinesischen Medien Forderungen laut geworden nach dem Ende der Ein-Kind-Politik, die 1980 eingeführt worden war. Viele sehen in ihr ein Relikt aus planwirtschaftlichen Zeiten. Die Regierung hingegen macht die Familienplanungspolitik, die mehrere hundert Millionen Geburten verhindert hat, für den steigenden Wohlstand im bevölkerungsreichsten Land der Welt verantwortlich. Demografen aber weisen auf die drastisch alternde Bevölkerung hin, die von immer weniger Arbeitskräften unterstützt wird.

Der jüngste Vorstoß zur Abschaffung ist bemerkenswert, weil er von einem staatlichen Politikforschungsinstitut unternommen wurde. „Das zeigt uns, dass die Politikänderung unausweichlich ist und kommen wird“, sagt Professor Cai Yong, der gegenwärtig an der Fudan-Universität in Shanghai lehrt, „es wird kommen, aber wir können nicht vorhersagen, wann es kommt.“.

Der Bericht des Thinktanks, aus dem einige staatliche Medien zitiert haben, soll in ein oder zwei Wochen erscheinen. Dann trifft sich auch ab dem 8. November der 18. Kongress der Kommunistischen Partei in Peking, um den innerparteilichen Machtwechsel abzusegnen. Im Vorfeld des nur einmal in zehn Jahren vorgesehenen Personalwechsels an der Spitze versuchen zahlreiche Institutionen und Medien, wichtige Themen anzustoßen. Die meisten Experten drängen zurzeit auf politische und wirtschaftliche Reformen in China. Auch über eine Abschaffung des Arbeitslagersystems wird in den chinesischen Medien nachgedacht. Allerdings ist zurzeit nicht bekannt, ob überhaupt etwas umgesetzt werden wird. Welche politische Agenda die neue chinesische Führung unter Parteichef Xi Jinping hat, ist im intransparenten Machtgefüge an der Spitze der Kommunistischen Partei völlig unklar.

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