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Charles Taylor: Ex-Diktator verbringt Rest seines Lebens im Gefängnis

Es war ein Verfahren der Superlative: Charles Taylor ist der erste Staatschef, der seit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen verurteilt wurde. Doch der Prozess erfüllt einen weiteren Superlativ: meistkritisiert.

Von Julia Prosinger

Das schriftliche Urteil übertraf mit 2499 Seiten bei Weitem alle ähnlichen Entscheidungen internationaler Gerichte. Und am Mittwoch verhängten die Richter im niederländischen Den Haag auch noch eine der längsten Haftstrafen, des Tribunals: 50 Jahre Gefängnis.

Erst im April hatten sie den ehemaligen liberianischen Diktator schuldig gesprochen. Vom Strafmaß, das sie nun verkündeten, werden die Jahre, die er seit seiner Festnahme in Untersuchungshaft verbracht hatte, abgezogen. Für Taylor bedeuten die 50 Jahre aber ohnehin lebenslänglich. Er habe einige der „hasserfülltesten Verbrechen der Menschheitsgeschichte“ verantwortet, erklärte Richter Richard Lussick die Entscheidung. Taylor nahm sie mit geschlossenen Augen hin.

In ihrem Urteil von April hatten die Richter Taylor einstimmig verurteilt, Beihilfe für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im benachbarten Sierra Leone geleistet zu haben. Während des Krieges in den 1990ern waren dort etwa 120 000 Menschen getötet worden, Rebellengruppen hatten gemordet, vergewaltigt, die Zivilbevölkerung verstümmelt und Kinder zum Dienst als Soldaten gezwungen. Taylor, sagten die Richter, habe die Rebellentruppen mit Waffen, Finanzen und Infrastruktur, aber auch moralisch unterstützt, obwohl er von den Grausamkeiten gewusst hatte. Die Anklage hatte dafür 80 Jahre Haft gefordert.

Der Bürgerkrieg in Sierra Leone - worum ging es da? Und welche Rolle spielte der Liberianer Taylor?

Jedoch hatten die Richter Taylor weder als Hauptverantwortlichen noch als Mitglied eines verbrecherischen Unternehmens für schuldig befunden, sondern nur für Beihilfe. Die weitverbreitete Ansicht, dass Taylor den gesamten Bürgerkrieg in Sierra Leone dirigiert hatte, bestätigten sie damit nicht. Das habe die Anklage mit ihren Zeugen nicht nachweisen können.

War es ein Schauprozess?

Unter denen war auch Supermodel Naomi Campbell. Sie sollte aussagen, dass Taylor ihr „Blutdiamanten“ geschenkt hatte. So werden die von Rebellen zur Finanzierung ihres Krieges geschürften Diamanten bezeichnet. Kritiker werteten den Auftritt als PR-Gag ohne Sinn für die Wahrheitsfindung.

Und so erfüllte das Verfahren noch einen weiteren Superlativ: meistkritisiert. Experten warfen dem Gericht Voreingenommenheit vor, von einem „Schauprozess“ war die Rede. Ein Argument, das auch Taylor selbst immer wieder bemüht hatte. Die USA hätten mit ihm einen unbequemen Potentaten loswerden wollen. Warum sonst würde nur er, nicht aber George W. Bush für seine Verbrechen im Irak angeklagt werden? Selbst einer der Ersatzrichter distanzierte sich direkt nach der Urteilsverkündung. Er sei von Taylors Schuld nicht überzeugt. Das Gericht ließ sein Mikrofon ausschalten, die anderen Richter verließen den Raum.

Zuletzt gab es auch noch Beschwerden über die Länge des Urteils. Nur wenige Wissenschaftler, Journalisten, besonders aber die Betroffenen – Opfer in Sierra Leone und Liberia sowie Anhänger Taylors – werden die 2499 Seiten vollständig lesen können.

Der Völkerrechtler Kevin Jon Heller nimmt an, dass die Richter sich in Anbetracht dieses Dokumentes zu einem besonders harschen Urteil verleitet fühlten. Tatsächlich wird Taylor nun so lange im Gefängnis sitzen wie andere vom Tribunal Verurteilte – die allerdings als Hauptverantwortliche gesehen worden waren.

„Jeder Angeklagte sollte das Recht auf Hoffnung haben, auf Licht am Ende des Tunnels“, sagte Taylors britischer Anwalt Courtenay Griffiths. Dazu müsste Taylor nun 108 Jahre alt werden. Oder auf das Berufungsverfahren hoffen.

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