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Die NYT-Kommentatoren bezweifeln, dass Ärzte und Pfleger wirklich gut ausgebildet wurden im Umgang mit dem Impfstoff.

© REUTERS/Octavio Jones

„Chaos und Konfusion“: „New York Times“ rechnet mit Amerikas Impfpolitik ab

Von 14 Millionen Impfdosen haben die USA bisher nur drei Millionen injiziert. Der Fehler liegt im System, schreibt die NYT in einem analysierenden Kommentar.

Von Michael Schmidt

Die „New York Times“ geht mit der Impf-Politik der US-Regierung hart ins Gericht. Zu spät, zu langsam, falsche Schwerpunkte - kurzum: kein Plan, nirgendwo. So der Tenor eines Kommentars, der kein gutes Haar an den Maßnahmen der US-Administration lässt.

Vor zwei Wochen habe das Land die größte Impf-Kampagne der US-Geschichte gestartet - der bisherige Gang der Dinge aber sei enttäuschend. Unzählige Impfdosen würden wohl das Verfallsdatum überschreiten, bevor sie injiziert werden könnten - während gleichzeitig die Zahl der Corona-Toten im Land steige und Krematorien durch die vielen Leichen überlastet seien.

Die sogenannte „Operation Warp Speed“ sei weit davon entfernt, das ambitionierte Ziel von 20 Millionen Geimpften bis zum Jahresende 2020 erreicht zu haben. Lediglich 14 Millionen Impfdosen seien produziert und landesweit an Kliniken und Gesundheitszentren verteilt worden. Nur schätzungsweise drei Millionen Menschen seien geimpft worden.

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Der überwiegende Teil der lebensrettenden Impfstoffe lagere in Tiefkühlern, womöglich so lange, dass er nicht mehr brauchbar sei.

Ein erstaunliches Versagen, das selbst in einem Jahr voller Versagen noch heraussteche, wie die Autoren feststellen - ein Versagen, das umso gravierender wirke, als das Erklärungsmuster dahinter so vertraut erscheint: Unzureichende Koordination auf Bundesebene, zu wenig finanzielle und logistische Unterstützung in den Bundesstaaten und vor Ort, führten zu einer Kette von vermeidbaren Fehlern und unnötigen Verzögerungen.

Mit anderen Worten: So weit war man doch schon einmal. Beim Testen. Bei den Shutdowns. Bei der Kontaktverfolgung.

Der Impfstoff sollte die Rettung bringen - stattdessen...

Der Impfstoff wurde angepriesen als die Lösung für die Krise - als ein unglaubliches Stück Wissenschaft, das vor der weitverbreiten Inkompetenz der Regierung schützen sollte. Am Ende aber sei es mit den Impfstoffen nicht anders als mit anderen öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen: Ihr Erfolg hängt von der Umsetzung ab.

Die Umsetzung sei in diesem Fall schwierig. Dazu trügen eine Reihe von Faktoren bei, zu denen die Notwendigkeit gehört, das Vakzin kühl zu lagern, was es zugleich nötig mache, Ärzte und Pfleger entsprechend im Umgang mit Ihnen zu trainieren. Training aber braucht Zeit und kostet Geld - in vielen Bundesstaaten zwei knappe Ressourcen.
Manche Krankenhäuser berichten, sie wüssten gar nicht, welchen Impfstoff sie erhalten werden, wie viele und wann. Das System zur Nachverfolgung des Impfstoffs auf seinem Weg vom Hersteller zum Abnehmer und die Kommunikation zwischen Bund, Staaten und lokalen Gesundheitsmanagern sind schlecht organisiert.

Ja, ein holpriger Start sei normal, vieles werde sich in den kommenden Wochen einrenken. Hoffentlich jedenfalls, schreiben die Autoren. Und klar, die nach wie vor steigenden Infektionszahlen machten es nicht leichter.

Aber es herrschten doch verbreitet „Chaos und Konfusion“ in Besorgnis erregendem Ausmaß.

Ein Impfstoff allein reicht nicht - man muss ihn auch an die Leute bringen

Wie immer die Lösung für das Impf-Problem aussehen werde - die Wurzel des Problems sei klar: Sie liege darin, dass die Regierung lange Zeit die Entwicklung von Medikamenten (in diesem Fall von Impfstoffen) priorisiert - und zugleich das Gesundheitswesen (in diesem Fall die Entwicklung von Impfprogrammen) sträflich vernachlässigt habe.

„Es ist eben sehr viel einfacher, Leute zu begeistern mit Geschichten über Wundermittel, die in Rekordzeit entwickelt und produziert wurden, als mit der Notwendigkeit, ausreichend Kühlstätten zu schaffen, Impfkliniken aus dem Boden zu stampfen und Ärzte wie Pfleger entsprechend auszubilden“, schreiben die Kommentatoren. Aber genau das bräuchte es, um die Epidemie zu stoppen.

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