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Die Grünen haben einen kleinen Parteitag abgehalten.

© imago images/Chris Emil Janßen

Chance für „Riesenaufbruch“: Grüne stimmen für Koalitionsgespräche mit SPD und FDP

Nach den Sondierungen stehen jetzt die Verhandlungen für eine Ampel-Koalition an. Der kleine Parteitag der Grünen macht dafür den Weg frei.

Die Grünen haben für Koalitionsverhandlungen mit SPD und FDP gestimmt. Bei einem kleinen Parteitag votierten die Delegierten am Sonntag in Berlin mit großer Mehrheit für die Aufnahme der Gespräche zur Bildung einer gemeinsamen Regierung. Von nach Parteiangaben 70 stimmberechtigten Delegierten stimmten zwei mit Nein, es gab eine Enthaltung.

Zum Auftakt der Veranstaltung hatte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen geworben. „Wir haben heute eine wegweisende Entscheidung zu treffen“, rief Kellner den Delegierten seiner Partei zu.

Kellner machte deutlich, dass Sondierungen noch keine Koalitionsverhandlungen seien. Es sei deshalb „kein Versäumnis“, dass noch nicht alle Details ausverhandelt seien. Er bat die Delegierten darum, den Weg dafür zu ebnen, dass das geschehen könne.

„Dieses Land braucht eine Regierung der Tat“, sagte Kellner weiter und bedankte sich auch bei den Mitgliedern des Sondierungsteams für ihre Arbeit. „Die Gruppe hat hammermäßig funktioniert“, sagte Kellner über den Beitrag der grünen Verhandler bei der Auseinandersetzung mit den Sondierungsgruppen von Liberalen und SPD.

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Grünen-Co-Chef Robert Habeck warb ebenfalls um Zustimmung. Bei vielen Abstrichen und Erläuterungen sei ein gutes Sondierungspapier gelungen, das den Grünen die Chance gebe, in eine Regierung einzutreten. „Es ist gelungen, Hoffnungen zu wecken“, sagte Habeck. „Wir sind in einer Hoffnungszeit angekommen - einer Hoffnungszeit, die wir nicht enttäuschen dürfen.“

Die Grünen-Spitze: Annalena Baerbock und Robert Habeck (Archivbild)
Die Grünen-Spitze: Annalena Baerbock und Robert Habeck (Archivbild)

© Imago/Metodi Popow

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anton Hofreiter, lobte das Sondierungsergebnis mit SPD und FDP als Erfolg für seine Partei. „Wir können sehr, sehr zufrieden sein mit diesem Papier“, sagte Hofreiter.

Hofreiter betonte, was seine Partei bei den Gesprächen mit den anderen beiden Parteien erreicht habe und wies darauf hin, dass die Grünen bei der Bundestagswahl „nicht 50 Prozent der Wählerstimmen“ erhalten hätten. „Es haben uns auch viele Menschen nicht gewählt“, gab Hofreiter zu bedenken. Deshalb könne das erzielte Sondierungsergebnis auch nicht zu hundert Prozent die Handschrift der Grünen haben.

Ihm tue es „persönlich weh“, dass das Tempolimit nicht kommen werde, sagte Hofreiter weiter. Aber dafür werde die künftige Bundesregierung sich für die europäischen Klimaziele einsetzen, statt weiter zu bremsen. Auch sei mit dem jetzigen Papier die Grundlage für einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien gelegt worden, für einen früheren Kohleausstieg und für das Ende des Verbrennungsmotors. „Das ist doch ein Riesenaufbruch“, bilanzierte Hofreiter.

[Kommentar zum Thema: Das Sondierungspapier ist mehr als ein farbloser Kompromiss (T+)]

Der Bundessprecher der Grünen Jugend, Timon Dzienus, beurteilte das Ergebnis der Sondierungen mit SPD und FDP positiv. Die zentrale Aufgabe sei nun, Deutschland auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen, sagte er beim kleinen Parteitag der Grünen am Sonntag in Berlin. Gemeint ist das im Pariser Klimavertrag von 2015 festgeschriebene Ziel, die Erderwärmung falls möglich auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zu vorindustriellen Zeit zu begrenzen.

Das Papier enthalte viel Gutes, sagte Dzienus. Es sei aber auch Aufgabe der Grünen Jugend klar zu machen, was noch fehle oder zu unkonkret sei. Das liege aber nicht an den grünen Sondierern sondern an SPD und FDP.

„Klimaschutz wird nur mit den Menschen funktionieren“, erklärte Dzienus. Dies dürfe nicht auf dem Rücken ärmerer Menschen ausgetragen werden. Gemeinsam mit den Jusos werde die Grüne Jugend den Druck auf FDP-Chef Christian Lindner aufrecht erhalten, für ein humanitäres Aufnahmeprogramm für Geflüchtete und eine Reform von Hartz IV. „Schluss mit Sanktionen und her mit den höheren Regelsätzen“, forderte Dzienus.

Am Freitag hatten die Unterhändler der Ampel-Parteien ihr Sondierungsergebnis gemeinsam vorgestellt. Danach sollten in allen drei Parteien noch Gremien befragt werden. Die SPD hatte bereits am Freitag einstimmig für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen votiert. Am Montag will die FDP-Führung über diese Frage befinden.

Die SPD hatte bereits am Freitag einstimmig für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen votiert. Der Co-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans sprach sich gegen einen Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag aus. „Es muss eine angemessene Beteiligung der Mitglieder geben, zum Beispiel online. Zeitaufwand und Kosten einer klassischen Mitgliederbefragung wären angesichts der überwältigenden Zustimmung in der SPD allerdings kaum zu vertreten“, sagte er der „Bild am Sonntag“.

FDP sieht Lindner als Finanzminister

Erste Unstimmigkeiten könnten allerdings bald bei Personalfragen auftreten. Führende FDP-Politiker haben sich am Wochenende für ihren Parteichef Christian Lindner als Bundesfinanzminister einer möglichen künftigen Ampel-Koalition in Berlin ausgesprochen. So machte etwa der stellvertretende Vorsitzende Wolfgang Kubicki am Samstag deutlich, dass er Lindner für den idealen Kandidaten halte.

Baden-Württembergs grüner Finanzminister Danyal Bayaz hat hingegen für seinen Parteikollegen und Grünen-Parteichef Robert Habeck als Bundesfinanzminister geworben. Er könne sich niemand besseren in diesem Amt vorstellen, schrieb Bayaz am Samstag bei Twitter. Über die Ressortverteilung soll in den Koalitionsverhandlungen erst zum Schluss gesprochen werden. (Tsp/dpa/Reuters)

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