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Die Parteiführung wehrte sich gegen den Antrag C28, konnte sich aber nicht durchsetzen.

© dpa

CDU zur doppelten Staatsbürgerschaft: Ein Beschluss gegen Merkels Willen - und die Türkei

Die CDU will die erst seit 2014 geltende Regelung zum Doppelpass wieder abschaffen. Das sagt auch viel über den Seelenzustand der Partei aus.

Von Robert Birnbaum

Thomas de Maizière hat die Lage richtig erkannt. „In Wahrheit ist es natürlich eine verkappte Türkei-Diskussion, wenn wir ehrlich sind“, sagt der Bundesinnenminister. Das stimmt, macht die Sache für die Parteiführung aber nur noch schwieriger. Diese Sache, die den CDU- Parteitag leise vibrieren lässt, steht in Antrag C28. Die Junge Union will die Optionspflicht im Staatsbürgerrecht wieder eingeführt sehen. Sie würde hier geborene Ausländerkinder zwingen, sich mit der Volljährigkeit zwischen dem deutschen und dem Pass ihrer Vorfahren zu entscheiden. Dass dafür in keiner seriös vorstellbaren Regierungskoalition auch nur die kleinste Chance auf eine Mehrheit bestünde, stört die Antragsteller nicht. Es geht jetzt ums Prinzip.

Der Seelenzustand der CDU zeigt sich auf ihren Parteitagen oft in den kleinen Fragen. Was die große Frage angeht, ob Angela Merkel noch die Richtige an der Spitze ist, haben die Delegierten am Vortag eine recht klare Antwort gegeben: Ja – aber erst musste noch die Rechnung des letzten Jahres beglichen werden. 99 Nein-Stimmen, das sei letztlich realistisch gewesen, sagt ein Delegierter: „Alles andere hätte uns niemand abgenommen. Es hätte auch Merkel selbst nichts genützt.“

Ob damit ein Schlussstrich unter die Entfremdung zwischen der Flüchtlingskanzlerin und Teilen ihrer Partei gezogen ist? „Hier unter den Funktionären ist allen klar, worum es im nächsten Jahr geht“, sagt der Mann. Draußen an der Basis brauche es allerdings noch Nacharbeit. Da habe sich noch nicht überall herumgesprochen, dass die CDU – inklusive der Kanzlerin – nie für ungeregelte Zuwanderung gewesen sei. Da sei aber vor allem vielen Anhängern und Wählern noch nicht hinreichend deutlich, mit welchen Maßnahmen und Beschlüssen die Partei gegensteuere. Das hieße also: Die Basis ist nicht so weit wie die Führung. Im kommenden Wahlkampf kann so was schnell zum Problem werden. Unionsfraktionschef Volker Kauder weiß, weshalb er in seiner Rede dringlich an die Delegierten appelliert, in den nächsten Monaten das eigene Programm herauszustellen.

Unten im Saal sitzt Franz Josef Jung und macht sich auch so seine Gedanken. „Mit Wohlfühl-Wahlkampf kommen wir diesmal nicht hin“, sagt der Hesse. Er kennt sich mit Wahlkämpfen aus, er war lange als Landes-Generalsekretär selbst dafür zuständig. Demobilisierung wie in den letzten beiden Kampagnen wirke auf die Ränder, sagt Jung – jenen Teil des Wählerspektrums, der die CDU eher nicht, die Kanzlerin Merkel aber schon wählen würde. Doch der Zulauf nützt wenig, wenn dafür die Kerngefolgschaft mürrisch beiseitesteht.

Nicht "einem medialen Mainstream" nachgeben

Die Freunde der Optionspflicht wollen kämpfen. Antrag C28 ist einer von mehreren, die man grob als Anti-Türkei-Anträge einstufen kann. Seit sich in Ankara Recep Tayyip Erdogan als großmäuliger Autokrat aufführt, sehen sich alle in der CDU bestätigt, denen schon die parteiamtliche Linie einer „privilegierten Partnerschaft“ des Lands am Bosporus mit der EU viel zu weit ging.

Einen dieser Anträge kann die Parteispitze abwehren: den Versuch, eine Doppelmitgliedschaft in der CDU und in Erdogans AKP sowie einer Reihe anderer türkischer Organisationen zu verbieten. Bei Antrag C28 ist es komplizierter. Die Optionspflicht, „das war unsere CDU-Position bis 2014“, klagt eine Unterstützerin am Saalmikrofon. Der Parteitag dürfe nicht „einem medialen Mainstream“ nachgeben, fordert ein zweiter. Oben auf dem Podium macht sich de Maizière auf den Weg zum Pult. Der Minister versucht es mit einem längeren Vortrag. Die Doppelstaatsbürgerschaft sei alles andere als der Regelfall, referiert de Maizière, erwähnt die EU, die USA, den Kompromiss in der großen Koalition. „Wir wollen das nicht rückabwickeln“, sagt er.

Jens Spahn ist der Minister aber jetzt mal egal. Der Parlamentarische Finanz-Staatssekretär tritt als Nächster ans Pult. „Natürlich muss man in Koalitionen Kompromisse machen“, sagt Spahn, „aber wir sind hier auf dem CDU-Bundesparteitag.“ Und der müsse „programmatisch“ beschließen dürfen. Spahn geht zurück auf seinen Platz am Präsidiumstisch. Angela Merkel wird etwas später hinter ihn treten. Man sieht die CDU-Vorsitzende längere Zeit mit Gesten auf den jungen Mann einreden, die wohl ungefähr besagen: Was soll das denn, bloße Symbolpolitik!

Am Podium versucht inzwischen Generalsekretär Peter Tauber sein Glück. „Ich will, dass einer als Herzensentscheidung sagt, ich will Deutscher werden“, sagt Tauber, nicht unter Entscheidungszwang. Dem Parteitag ist der Generalsekretär aber so egal wie der Minister. Die offene Abstimmung bleibt unübersichtlich, der Stimmzettel bringt Klarheit: 300 Stimmen für den Pragmatismus der Regierenden. 319 Stimmen fürs Wohlfühl-Prinzip. Noch eine Rechnung offenbar, die zu begleichen war – die Quittung mit Durchschlag an die Vorsitzende.

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