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Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU-Bundesvorsitzende, spricht über die Ergebnisse zum Abschluss des "Werkstatt-Gesprächs" der CDU.

© Kay Nietfeld/dpa

CDU-Werkstattgespräch: In welche Richtung Kramp-Karrenbauer die CDU bewegt

Annegret Kramp-Karrenbauers Werkstattgespräch ist selbst schon die Absetzbewegung von Kanzlerin Merkel. Worüber geredet wurde und was dabei rauskam.

Von Robert Birnbaum

Im Deutschen sieht man oft „den Wald vor Bäumen nicht“, aber auf Annegret Kramp-Karrenbauers „Werkstattgespräch“ zur Flüchtlingspolitik passt die angelsächsische Variante besser: der Elefant im Raum, so groß, dass man ihn übersieht. Schon am Sonntagabend lauern alle darauf, ob die neue CDU-Chefin sich von ihrer Vorgängerin Angela Merkel distanziert. Dabei liegt die Distanz offen vor aller Augen. Dass mitten in der Parteizentrale über Fehler, Versäumnisse und Illusionen seit dem Herbst 2015 debattiert wird – undenkbar zu Merkels Zeiten. Nicht irgendein Halbsatz, das Format selbst ist die Absetzbewegung.

Generalsekretär Paul Ziemiak verkündet denn auch gleich am Montagfrüh in einem Video, man wolle offene Fragen „ohne ideologische Scheuklappen“ angehen. Das ließ sich von der sonntäglichen Auftaktrunde allerdings noch nicht behaupten. Drei Professoren und den geistigen Vater des EU-Türkei-Vertrags, Gerhard Knaus, hatte Kramp-Karrenbauer aufs Podium eingeladen.

Nach zwei Stunden fasste der Münchner Landrat Christoph Göbel (CSU) genervt zusammen: „Die Diskussion hatte fast etwas Nihilistisches.“ Damit, dass der Frankfurter Politologe Egbert Jahn den Kampf gegen Fluchtursachen für aussichtslos erklärt und über Abschreckungsstrategien fantasiert – „nichts mehr zu Essen bekommen“ –, war dem Praktiker so wenig geholfen wie mit der Paragrafendeutung des Bonner Staatsrechtlers Christian Hillgruber, dass man sich die ganze Integration sparen könne, weil von Rechts wegen die meisten Flüchtlinge gar nicht hier bleiben dürften.

Mit Theoretikern ist keine Politik zu machen

Falls Kramp-Karrenbauer beweisen wollte, dass mit Theoretikern keine Politik zu machen ist – das wäre schon mal gelungen. Am Montag folgt der Tag der Praktiker, vom Landesinnenminister bis zum Gemeinderat, vom Polizisten bis zum Ehrenamtler. In vier Arbeitsgruppen beraten sie im Konrad-Adenauer-Haus über die größten Probleme – vom EU-Außengrenzschutz bis zur Integration vor Ort – und über Vorschläge zur Lösung. Das Format loben viele. „Der Blick auf die Praxis hilft immer“, sagt Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier in der Mittagspause. „Sehr konstruktiv“ findet Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) das Treffen bei der Schwesterpartei, wohltuend nach dem jahrelangen Streit der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster.

Am Nachmittag präsentieren die Arbeitsgruppenleiter die Ergebnisse. Sie folgen dem Schema, das in der Gästeliste angelegt war. Die ganz großen Fragen – von der Flüchtlingsverteilung in Europa angefangen – bleiben ausgeklammert; darum muss sich die große Politik kümmern. Die Experten schauen mehr aufs Kleinteilige, das in ihrem Zuständigkeitsbereich und vor Ort nicht weniger wichtig ist. Revolutionäre Ideen kommen nicht heraus.

Die Grenzpolizei Frontex stärken, bis 2020 auf 10000 Beamte aufstocken und nicht erst bis 2025, dazu „Datentransparenz für alle Behörden“ und ein Ein- und Ausreiseregister; mehr Kompetenzen für die Innenminister und die Bundespolizei, um „lageangepasst und flexibel“ entlang der deutschen Grenze kontrollieren zu können – das hat man alles so und ähnlich schon gehört.

Auch die Verschärfungen im Abschiebeverfahren und im Umgang mit Straftätern, die CSU-Mann Herrmann und CDU-Vize Thomas Strobl vorstellen, sind keine Überraschung: Abschiebegewahrsam, Straftäter ausweisen und ebenso an der Rückkehr hindern wie bereits einmal Abgeschobene, kurzer Asylprozess für Personen, die im Verfahren lügen oder nicht mitarbeiten. Nur dass die Arbeitsgruppe Integration unter der Bundesbeauftragten Annette Widmann-Mauz zu dem Schluss kommt, für gut integrierte Flüchtlinge müsse die Einbürgerung möglich sein, sorgt hier und da für hochgezogene Augenbrauen.

Kramp-Karrenbauer setzt zum Abschluss drei eigene Akzente: Ein „Frühwarnsystem“ für Fluchtbewegungen müsse her. Das Asyl-Grundrecht müsse bleiben. Aber um es für die Menschen zu erhalten, die wirklich Schutz brauchten, müsse genau so klar sein: „Wir sind kein Rechtsstaat, der sich auf der Nase herumtanzen lässt.“ Da klingt die frühere Innenministerin durch. Über Merkels 2015 fällt weiter kein böses Wort, im Gegenteil: Verständnis. Viele seien damals überrascht, vieles aus der Situation heraus entschieden worden. Das soll nur nicht wieder passieren. „Wir haben unsere Lektion gelernt“, sagt die CDU-Chefin. „Aber wir sind noch nicht am Ende.“

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