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Demnächst Partner für die CDU? Thüringens AfD-Chef Björn Höcke am Montag nach der Wahl in Berlin.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

CDU und AfD in Ostdeutschland: Die Türöffner nach rechts formieren sich

CDU-Politiker in Thüringen wollen Gespräche mit Höckes AfD. Und damit sind sie nicht alleine. Eine Analyse.

Von Matthias Meisner

Was Bodo Ramelow davon hält? Von dem Vorstoß von 17 Funktionären der thüringischen CDU, die "ergebnisoffen" und "zügig" Gespräche mit der AfD des rechtsradikalen Spitzenmanns Björn Höcke über die Frage fordern, wie eine stabile Regierung in Thüringen gebildet werden kann? Der Linken-Ministerpräsident verweist hier auf zwei Vorgänge in der Geschichte. Auf den Versuch 1930, Adolf Hitler zum Gendarmeriekommissar in der thüringischen Kreisstadt Hildburghausen zu machen. Und darauf, dass im gleichen Jahr in Thüringen die erste Landesregierung in der Weimarer Republik mit Beteiligung der NSDAP zustande kam.

"Ungute Traditionen", sagt der Linken-Politiker dazu. "Soweit ein Blick in den Vogelschiss der Geschichte", fügt er in Anspielung auf ein Zitat von AfD-Chef Alexander Gauland hinzu.

Es ist der nächste Streich nach den Vorschlägen des stellvertretenden thüringischen CDU-Fraktionsvorsitzenden Michael Heym zu einer Regierungsbeteiligung der AfD. Zwar beteuern die 17 CDU-Politiker - darunter ein Landtagsabgeordneter - in ihrem Papier "Demokratie erfordert Dialog", dass sie nicht dabei helfen wollen, Höcke oder Ramelow ins Amt zu bringen, dass sie also zunächst keine formale Koalition wollen.

"Jedoch muss alles dazwischen unter Demokraten besprochen werden können", verlangen die Kommunalpolitiker. In Anspielung auf das AfD-Wahlergebnis in Thüringen - 23,4 Prozent - schreiben die Funktionäre, es könne in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht sein, dass "fast ein Viertel der Wählerstimmen" bei den Beratungen zur Regierungsbildung außen vor bleiben.

Zwar ist es nicht so, dass ein solcher Vorstoß in der CDU unwidersprochen bleibt. Generalsekretär Paul Ziemiak bezeichnet ihn am Dienstag als "irre", die gesamte Debatte nennt er "absurd". Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz meint, die CDU müsse sich der Tatsache stellen, dass sie einen "skrupellosen rechten Rand hat, der mit so jemandem wie Höcke zusammenarbeiten will". Polenz sagt: Wer ",ergebnisoffene Gespräche' mit der völkisch-nationalistischen AfD empfiehlt, verstößt gegen den klaren Beschluss des Hamburger Bundesparteitags" - laut dem jede Form der Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen ist. "Ein Fall für das Landesschiedsgericht der CDU Thüringen."

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Und wütend verlangt der hessische CDU-Kommunalpolitiker Patrick Kunkel, Funktionär der "Union der Mitte" auf Twitter: "Alle AfD-Kuschelpuppen bitte JETZT raus der @CDU. Seid wenigstens einmal ehrlich und missbraucht nicht länger die christdemokratische CDU für eure rechten Spielchen."

Wie als Beleg hängt er einen Tweet des Ex-Geheimdienst-Chefs Hans-Georg Maaßen an, mit Fotos von seinem von der "Werte-Union" organisierten Wahlkampfauftritts auf Einladung des thüringischen CDU-Politikers Heym. Jenes Mannes also, der nach der Wahl eine "bürgerliche Mehrheit rechts" aus AfD, CDU und FDP herbeifabulierte.

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Die Geschichte der Annäherung von CDU und AfD fängt nicht mit Thüringen an, nicht mit Heym und seinen 17 CDU-Parteifreunden, die sich jetzt zu Wort meldeten. Landauf, landab ist sie längst Thema, vor allem im Osten der Republik.

Sachsen-Anhalt: "Das Soziale mit dem Nationalen versöhnen"

Im Frühjahr verfassten Ulrich Thomas und Lars-Jörn Zimmer, beide stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt, eine achtseitige sogenannte Denkschrift. Darin wird ausgeführt, dass die Wähler von CDU und AfD ähnliche Ziele hätten. Deutschland wähle "immer noch mehrheitlich" konservativ. Die CDU habe jedoch Anhänger verprellt, indem sie "multikulturellen Strömungen linker Parteien und Gruppen" nicht ausreichend entschieden entgegengetreten sei. Damit die CDU wieder stärker werde, müsse es "gelingen, das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen".

Stand jetzt sei eine Koalition mit der AfD nicht möglich, argumentierten die sachsen-anhaltischen CDU-Funktionäre, "wir wissen aber nicht, wie die Lage in zwei oder fünf Jahren ist". Geschätzt ein Drittel der Abgeordneten in der Magdeburger Landtagsfraktion liebäugeln bereits jetzt mit einer blau-schwarzen Regierungszusammenarbeit, als Alternative zur seit 2016 regierenden Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen.

In sächsischen Kommunen Annäherung an die Rechten

Ähnlich ist die Lage beispielsweise in Sachsen. In zahlreichen Städten und Dörfern testen CDU-Kommunalpolitiker dort die Annäherung an die Rechten. Immer wieder spielen dabei auch Funktionäre der "Werte-Union" eine Rolle. Ausgegrenzt werden die nicht: In Sachsen-Wahlkampf absolvierte CDU-Rechtsaußen Maaßen vier Termine auf Einladung von CDU-Landtagsabgeordneten. Nach der Landtagswahl führte Ministerpräsident und CDU-Landeschef Michael Kretschmer ein langes Gespräch mit der Landesführung des konservativen CDU-Zirkels. Der Versuch von gemäßigten CDU-Politikern, den seit 2009 amtierenden erzkonservativen Landtagspräsidenten Matthias Rößler abzuwählen, scheiterte dagegen.

Die CDU-Spitze im Bund äußert sich zu all diesen Vorgängen nur ungern. Am Dienstag findet Generalsekretär Paul Ziemiak zwar deutliche Worte. Doch in der Woche nach der Thüringen-Wahl gab er dem "Westfalen-Blatt" ein Interview, in dem er vor einer Regierungszusammenarbeit mit der Linkspartei warnte. Die AfD kam in dem Gespräch nur am Rande vor. Und das, obwohl sich die Mehrheit selbst der CDU-Anhänger in Thüringen eine Zusammenarbeit von Union und Ramelow-Linken gut vorstellen können.

CDU-Chef Mike Mohring auf Tauchstation

"Die Brandmauer gegen Rechts in der CDU bekommt weitere schwere Risse", sagt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. "Ich frage mich, wann die Parteiführung in Berlin endlich mal hart durchgreift gegen diejenigen in den eigenen Reihen, die den Rechtsextremen offen die Hand ausstrecken."

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, nennt die Forderung der 17 thüringischen CDU-Kommunalpolitiker nach Gesprächen mit der AfD "verantwortungslos". Er sagt: "Sie tragen dazu bei, die AfD weiter salonfähig zu machen. Schon einmal in der deutschen Geschichte haben sich bürgerliche Politiker als Steigbügelhalter für eine Partei von Rechtsaußen betätigt und sich furchtbar geirrt."

Was das jetzt für Thüringen heißt? Der bei der Wahl gescheiterte CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring ging nach der "Demokratie erfordert Dialog"-Erklärung zunächst auf Tauchstation. Und die thüringische Linken-Landeschefin Susanne Hennig-Wellsow erinnert an ihren Satz aus dem Wahlkampf, wonach es bei der Wahlentscheidung in Thüringen um die Frage "Bodo oder Barbarei" gegangen sei. Sie wundere sich über den Vorstoß der CDU-Politiker gar nicht: Es gebe im Landtag schon jetzt eine "große kulturelle Nähe zwischen Teilen der CDU und der AfD". Mohring derweil ist nach ihrer Beobachtung innerparteilich angeschlagen, finde "keine Haltung zu irgendwas".

Nach dem Wahlsonntag hatte der CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende noch den Eindruck erweckt, er sei grundsätzlich zu Gesprächen mit Ramelow und seiner Partei über eine Regierungsbildung bereit - anders als mit der AfD. Die offizielle Einladung der Linken-Landesspitze dazu liegt Mohring seit vergangener Woche vor. Bis Dienstagvormittag hat er noch nicht reagiert.

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