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Friedrich Merz spricht sich für einen gelassenen Umgang mit der AfD aus.

© Kay Nietfeld/dpa

CDU streitet über Umgang mit der AfD: Radikal Ausgrenzen - oder lieber nicht?

Das Dilemma bleibt: Ist es demokratischer die AfD einzubeziehen oder auszuschließen? Die CDU führt darüber einen Flügelkampf.

Von Robert Birnbaum

Mit roten Linien, die die Grenze zur AfD markieren sollen, hat die CDU durchwachsene Erfahrungen. Im vorigen Dezember schloss der Hamburger Parteitag „jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit“ mit der Rechtspartei aus. Ein halbes Jahr und ein paar mindestens zweideutige Aussagen einzelner Christdemokraten später sah sich der Bundesvorstand genötigt, den Beschluss zu bekräftigen. Doch auch danach kehrt keine Ruhe ein. Über den Umgang mit der AfD unterhalb der Bündnisschwelle, im Wahlkampf und im politischen Alltag, gehen die Meinungen weiter auseinander.

Die Flügelpositionen markieren zwei Ehemalige. Friedrich Merz, Ex-Fraktionschef und Ex-Vorsitzendenkandidat, plädierte am Wochenende für „unaufgeregt(en)“ Umgang mit der „Alternative“. Die ganze Partei vom Evangelischen Kirchentag zu verbannen, halte er für falsch, sagte Merz der Dresdner „Morgenpost am Sonntag“: „Man hätte ja bestimmte Personen ausschließen können.“

Er selbst hätte auch längst im Bundestag einen AfD-Kandidaten zum Vizepräsidenten gewählt. Die Partei sei mit 12,6 Prozent gewählt worden, weder verboten noch verfassungswidrig – Wähler oder Abgeordnete in eine „Opferrolle“ zu bringen, sei der falsche Weg.

Polenz hält die AfD für "faschistisch"

Der Widerspruch folgte prompt. „Die völkisch-nationalistische AfD politisch auszugrenzen, ist nicht ,aufgeregt‘, sondern geboten“, twitterte Ruprecht Polenz, Ex-Generalsekretär und zorniger Elder Statesman der lockeren Gruppierung der „Union der Mitte“. Dass die AfD gewählt werde und „noch nicht verboten“ sei, mache aus einer „faschistischen“ keine demokratische Partei.

Durch Normalität im Umgang kaltstellen oder radikal ausgrenzen – zwischen den beiden Polen schwankt die CDU. Auch andere als Merz warnten schon davor, die AfD in eine Opferrolle zu drängen. Unionsfraktionschef Ralf Brinkhaus rief ebenfalls dazu auf, der größten Oppositionspartei den ihr zustehenden Sitz im Bundestagspräsidium zu geben.

Bisher vergebens – jeder Kandidat und jede Kandidatin, die die AfD ins Rennen schickte, fiel bei der Wahl durch. „Mit der einzelnen Person kann ich mich ja vielleicht sogar anfreunden“, sagte nach dem ersten dieser Wahlgänge ein prominenter CDU-Abgeordneter. „Aber ich will nicht, dass einer aus dieser Partei als Repräsentant unserer Demokratie auftreten kann.“

In der Praxis ist die Grenze zwischen dem Bemühen, der AfD keine Opfererzählung zu liefern, und der politischen Apologie oft dünn. Als der Landeswahlausschuss in Sachsen der AfD die Liste für die Landtagswahl zusammenstrich, weil sie nicht auf einem, sondern zwei Parteitagen entstanden war, nannte das der Dresdner Politologe und CDU-Berater Werner Patzelt „unverhältnismäßig“: Da seien doch bloß „Formalien, die von der Sache her nebensächlich sind“, missachtet worden. Bei der AfD hörten das viele gern. Eigentlich lernt man aber schon im Politik-Grundstudium, dass die strikte Einhaltung von Formalien demokratischen Prozessen erst Legitimation verleiht. Sie in den Geruch des Unfairen zu bringen, bedient das populistische Geschäft.

AfD erklärt Merkels Flüchtlingspolitik als Ursache für Lübckes Mord

Polenz und seine Freunde wollen sich gar nicht erst auf derlei Debatten einlassen. Michael Brand, menschenrechtspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, hat deshalb gerade erst eine Einladung ausgeschlagen. Die kam von Martin Hohmann, wegen seiner „Tätervolk“-Rede einst aus der Unionsfraktion geworfen und heute AfD-Abgeordneter in Berlin.

Hohmann hatte Merkels Flüchtlingspolitik zur Ursache für Lübckes Tod erklärt – ohne den „Massenzustrom“, behauptete er, würde der CDU-Politiker noch leben. Jetzt lud er Brand und den früheren CDU-Generalsekretär Peter Tauber zu einem „Dialog“ über den Fall des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ein. Brand will sich aber nicht mit verquerer Scheinlogik herumschlagen. „Eine Plattform für Hetze unter dem Vorwand von Dialog werden wir ihnen nicht bieten.“

Doch so einfach das Nein in diesem Fall ist, so ambivalent sind andere: Debatten mit Spitzenkandidaten im Wahlkampf, Arbeit in Parlamenten und Ausschüssen – und wie umgehen mit dem AfD-Mann im Gemeinderat, den alle als Kumpel bei der Feuerwehr und im Sportverein schätzen? Letztlich geben Polenz wie Merz eine ähnliche Antwort. Beide setzen darauf, die Konkurrenz zu spalten. Aber Merz will „verlorene CDU-Mitglieder“ zurücklocken, indem er sie als Verirrte behandelt. Polenz will sie zur Entscheidung zwingen: Ihr geht da weg oder ihr seid Teil einer Extremistentruppe. „Die Auseinandersetzung wird nur dann effektiv, wenn man sagt, was ist.“

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