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Parteichefin Angela Merkel kann einer Diskussion über die Zukunft der CDU nicht mehr ausweichen.

© Dario Pignatelli, Reuters

CDU nach Sachsen: Merkel muss Antworten finden

Die CDU muss Farbe bekennen. Sie kann einer Debatte über ihre inhaltliche Ausrichtung nicht mehr ausweichen. Ein Kommentar.

Geht’s jetzt los? Geht jetzt die große, seit Jahren vermiedene, ja unterdrückte Debatte darüber los, was die CDU ist und wer sie sein will? Nach bisher keiner Bundestagswahl in den vergangenen, sagen wir, zwölf Jahren hat es das gegeben. Und das sind nicht zufällig die Jahre, in denen Angela Merkel die Partei als Kanzlerin führt. Einerlei, geredet werden muss. Jetzt. Endlich.

Unter Merkel ist die CDU eine Union der unterschiedlichsten Interessen. Was auch einer gewissen Logik folgt in einer Zeit, der Eineindeutigkeit fremd ist. So komplex ist die Welt, ist Deutschland inmitten dieser Welt. Man kann die postideologisch nennen.

Warum soll die CDU da glauben, dass ausgerechnet sie mit einer unbestimmten Form des Traditionalismus die beste Antwort ist? Wo doch das Moderate kommod über all die Jahre regiert hat?

Viele Menschen wollen zurück

Weil es zugleich neben aller Vorwärtsbewegung, Modernisierung, Virtualisierung eine Rückwärtsbewegung gibt. Und die ist verdammt stark, stark geworden. Das Biedermeierliche, das Tümelnde, das Heimelige – enorm viele Menschen wollen das zurück. Sie suchen Halt in einer aus ihrer Sicht haltlosen Zeit.

Deshalb wird es ungemütlich für die CDU. Die an ihrer Spitze, und das ist nicht allein Angela Merkel, haben sich eingerichtet im Exekutiven. Regiert wird doch gut, das muss reichen. Dass aber die Menschen, die das Land erst ausmachen, sich unbehaust fühlen, alleingelassen, weil sie nicht genügend verstehen, was warum geschieht – das wurde übersehen und überhört. Bis jetzt, bis es die Stimmen für die anderen, die das Schwierige nahezu brutal vereinfachen, nicht mehr zulassen. Diese Stimmen reichen bis in die CDU hinein.

Sachsen! Ein rechter Landesverband in einem erfolgreichen Land verliert gegen die AfD. Ist die also doch eine Alternative geworden? Sie könnte es für mehr Konservative als bisher werden, das ist das Menetekel. Eine Alternative für die Konservativen, die immer schon Schwierigkeiten hatten, die liberale und die soziale Strömung in der Partei als gleichwertig anzusehen. Die Konservativen, die im Nationalen keine überkommene Größe sehen. Und die Konservativen, die Neuerungen skeptisch darauf prüfen, ob es bewahren hilft, was sich bewährt hat. Von denen zu schweigen, die vom C im Namen der CDU eine Politik ableiten.

Drei Strömungen

So wie es drei große Strömungen in der CDU gibt, gibt es die drei in der einen, der konservativen. Doch so wenig diese drei ausreichende Antworten zu finden glauben, so wenig bemühen sich die beiden anderen, sie zu geben. Wo geben die Sozialen in der CDU Richtungsweisung? Da muss schon der alte Norbert Blüm kommen und die Zukunftsfrage aufwerfen. Wo sind die Liberalen? Die sehen sich im Gestus der Kanzlerin ausreichend vertreten. Nur wandelt sich in der Zwischenzeit die Wahrnehmung dieser Liberalität zur Beliebigkeit.

Und genau da hinein sticht Sachsen. Hinter dieses Ereignis, diese desaströse Wahl, zu der zwingend der Rücktritt von Stanislaw Tillich gehört, führt kein Weg zurück. Jetzt stellt sich die Frage aller Fragen: Welche inhaltliche Autorität hat die CDU, und dazu unter dieser Vorsitzenden? Ausgerechnet oder glücklicherweise, antithetisch gedacht, in den Jamaika-Verhandlungen muss Angela Merkel darauf eine Antwort finden. Anders gesagt: Ihre Partei erwartet, dass sie Farbe bekennt. Endlich.

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