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Russland verlegte in dieser Woche S400-Luftabwehrraketen auf die annektierte Halbinsel Krim.

© Sergei Malgavko/imago/ITAR-TASS

CDU-Außenpolitiker Kiesewetter über die Krim-Krise: "Russland geht es auch um eine Spaltung des Westens"

Der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter fordert neue Sanktionen, falls Russland der Ukraine weiter den Zugang zum Asowschen Meer verwehrt.

Sie reisen am Wochenende nach Moskau – als erster deutscher Politiker nach den Ereignissen rund um die Krim. Mit welcher Botschaft fahren Sie zu Ihren russischen Gesprächspartnern?

Meine Botschaft ist sehr klar: Russland hat innerhalb weniger Jahre drei massive Verletzungen des Völkerrechts begangen: die Annexion der Krim, die Destabilisierung in der Ostukraine und jetzt das Vorgehen im Asowschen Meer. Damit isoliert sich Russland in der Völkergemeinschaft. Die russische Führung braucht offenbar diese außenpolitischen Eskapaden, weil das Land innenpolitisch vor großen Herausforderungen steht. Das will ich auch in Moskau ansprechen.

Ihre Reise nach Moskau war schon länger geplant. Haben Sie überlegt, die Reise wegen des russischen Vorgehens in der Meerenge von Kertsch abzusagen?

Ja. Vor allem habe ich überlegt, ob die Gefahr besteht, dass mein Besuch instrumentalisiert wird. Ich bin aber zu dem Schluss gekommen, dass das nicht der Fall ist, weil ich mit einer klaren Haltung hinfahre. Mir ist wichtig, dass ich meine Position im im direkten Gespräch deutlich machen kann und wir diesen schwierigen Dialog führen..

Welche strategischen Ziele verfolgt Russland aus Ihrer Sicht mit der Eskalation im Asowschen Meer?

Russland will die Ukraine zu unüberlegten Schritten provozieren, so dass die Situation weiter eskaliert. Aber die Rada, das ukrainische Parlament, hat in diesem Fall sehr klug reagiert. Sie hat die von Präsident Poroschenko geforderten 60 Tage Kriegsrecht nicht akzeptiert, sondern nur 30 Tage gebilligt, und hat das Kriegsrecht auch nur in Teilen des Landes verhängt. Das zeigt, dass in der Ukraine die parlamentarische Demokratie, so kritisch sie dort auch zu sehen ist, in solchen Kernfragen der nationalen Sicherheit funktioniert. Das ist ein gutes Zeichen.

Zum anderen geht es Russland auch in diesem Fall um eine Spaltung des Westens. Moskau will zeigen: Seht her, der Westen ist schwach.

Manche europäischen Länder wollen nun Stärke zeigen und fordern neue Sanktionen. Wie stehen Sie dazu?

Die Europäische Union will die Sanktionen vor einer Analyse der Lage und Fakten zunächst nicht verschärfen. Wir sollten der russischen Führung kein Ultimatum setzen. Aber wenn sich die jetzige Entwicklung fortsetzt, müssen wir handeln. Wenn die ukrainischen Soldaten nicht freigelassen werden und wenn der Vertrag von 2003 über die Nutzung des Asowschen Meers von Russland weiter verletzt wird, dann brauchen wir neue Sanktionen. Zugleich sollten wir ein UN-Mandat für die Ostukraine auf den Weg bringen, das von beiden Seiten akzeptiert wird. Diese Mission müsste die beiden Seiten im Donbass trennen und eine Reintegration des ostukrainischen Staatsgebietes in die Ukraine im Einklang mit den Minsker Beschlüssen ermöglichen.

Roderich Kiesewetter ist in der CDU/CSU-Fraktion Obmann für Außenpolitik und Berichterstatter für Russland im Auswärtigen Ausschuss.
Roderich Kiesewetter ist in der CDU/CSU-Fraktion Obmann für Außenpolitik und Berichterstatter für Russland im Auswärtigen Ausschuss.

© promo

Nach der jüngsten Eskalation gibt es auch die Forderung, das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 zu stoppen. Was halten Sie davon?

Es hat Jahre gedauert, bis die Kanzlerin gesagt hat: Das ist nicht nur ein wirtschaftliches Projekt. Wie andere Außenpolitiker in meiner Fraktion halte ich Nord Stream 2 für einen Fehler, weil es eben auch ein geopolitisches Projekt ist. Wir brauchen eine europäisch abgestimmte Energie- und Energieaußenpolitik, aber die haben wir wegen des deutschen Alleingangs unter Gerhard Schröder nicht.

Lässt sich Nord Stream 2 denn überhaupt noch stoppen? Das Projekt ist längst genehmigt, der Bau hat begonnen.

Es wäre richtig, wenn im Falle weiterer Eskalation mehr politischer Druck auf Nord Stream 2 ausgeübt wird und die klare Botschaft ausgesendet wird: Wir wollen dieses Projekt nicht! Wir dürfen nicht um jeden Preis an diesem Projekt festhalten. Deutschland wäre gut beraten, strategisch zu überlegen, in welchem Fall mittelfristig der größere Schaden entsteht: bei einer Durchsetzung des Projekts oder bei einer Infragestellung.

Wie geht man grundsätzlich mit einem Land um, das, wie Sie sagen, an einer Spaltung des Westens interessiert ist?

Wir stehen zur regelbasierten internationalen Ordnung, und wir setzen sie mit legalen Mitteln durch, wie zum Beispiel mit Sanktionen. Auch wenn wir den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen, sollten wir zugleich öffentlichen Druck aufbauen, wenn Russland mit Halbwahrheiten arbeitet. Die Narrative Russlands zum Ukraine-Konflikt oder zu Nord Stream 2 werden von der Linken und von der AfD aufgenommen und setzen sich zum Teil auch in der Bevölkerung fest. Deswegen müssen wir in der Öffentlichkeit viel stärker aufklären, auch in der russischsprachigen Gemeinde.

Warum ist das bisher kaum passiert?

Leider gibt es in Deutschland Politiker, die getrieben durch persönliche Verbindungen nach Russland eine zu romantische Perspektive pflegen, im Glauben, wenn man den Russen entgegenkommt, werden die uns auch entgegenkommen. Solange im Dialog mit Russland die einen sehr hart argumentieren und die anderen dann das Gegenteil sagen, machen wir uns unglaubwürdig. Wir müssen gegenüber Russland sehr klar und akzentuiert Haltung bewahren und gleichzeitig auf allen Ebenen im Gespräch bleiben.

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