zum Hauptinhalt

CDU-Abweichler gefährden Neuwahlplan in Thüringen: Zeitbombe in Erfurt

Vier renitente Thüringer drohen zur Belastung für den CDU-Bundestagswahlkampf zu werden.

Von Robert Birnbaum

Der Landesparteichef hat geworben, der Fraktionschef hat düstere Szenarien heraufbeschworen. Genützt hat es nichts. Als die Thüringer CDU-Fraktion am Mittwoch probehalber über den Erfurter Neuwahl-Plan abstimmte, fehlten vier Stimmen.

Damit fehlt eine Stimme zur Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag. Sie wäre notwendig für das Konstrukt, auf das sich die CDU nach dem Kemmerich-Debakel Anfang 2020 mit der rot-rot-grünen Minderheitsregierung verständigt hatte.

In Erfurt glimmt seither die Lunte an einer Zündladung, die der Union im Bundestagswahlkampf um die Ohren fliegen könnte. Die Probeabstimmung bestätigte nämlich nur, was vier CDU-Abgeordnete zuvor in einem offenen Brief angekündigt hatten: Sie wollen am 19. Juli nicht die Hand zur Selbstauflösung des Landesparlaments heben, wie das im „Stabilitätsmechanismus“ Anfang vorigen Jahres verabredet worden war.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Der sieht eine stillschweigende Duldung der Regierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) durch die CDU vor und eine baldige Neuwahl - zunächst für vorigen Herbst, coronabedingt jetzt am Tag der Bundestagswahl.

Unumstritten war der Pakt von Anfang an nicht, den Fraktionschef Mario Voigt und Landeschef Christian Hirte geschmiedet hatten, um die Krise nach der Wahl des FDP-Manns Thomas Kemmerich zum kurzzeitigen Ministerpräsidenten mit den Stimmen der AfD zu beenden. Etliche in der Landes-CDU sehen nach wie vor nichts Falsches daran, sich mit Hilfe der AfD Mehrheiten zu organisieren. Obendrein verheißen die Umfragen nichts Gutes für eine Wahl im September.

Abweichlertum mit der Verfassung unterm Arm

Bisher hofften in Erfurt und Berlin alle, dass sich das Rumoren gütlich beilegen ließe. Doch seit das Quartett der Abweichler Anfang der Woche in einem Brief seinen Widerstand öffentlich machte, sinkt die Hoffnung, sie stillschweigend umstimmen zu können. Die Vier erhoben ihren Widerstand geradezu in Verfassungsrang: Ein „gewichtiger Grund“ zur Selbstauflösung des Parlament, wie ihn die Verfassung vorsehe, sei nicht zu erkennen. Der Haushalt sei beschlossen, Ramelows Regierung regiere.

Voigt malte in der Fraktionssitzung die Konsequenzen eines Vetos drastisch aus. Die CDU drohe erneut zum Spielball von Björn Höckes AfD zu werden - oder sich in die Hand von Ramelow zu begeben. Der könne zu jedem ihm genehmen Zeitpunkt eine Vertrauensfrage stellen, etwa gekoppelt an den nächsten Haushalt. Die würde der Linke verlieren und damit Neuwahlen auslösen, was die CDU nur verhindern könnte, indem sie dem Linken das Vertrauen aussprechen würde.

Die Veto-Kandidaten beeindruckte das alles nicht. Drei stimmten gegen die Parlamentsauflösung, die vierte im Bunde war krankheitshalber nicht dabei. Voigt und Hirte - was bleibt ihnen auch mehr - setzen auf weitere Gespräche. In der Bundespartei drücken sie ihnen fest die Daumen. Eine Neuauflage der Thüringen-Krise, diesmal als Dauerschleife bis zum Tag der Bundestagswahl, hätte dem Kanzlerkandidaten Armin Laschet gerade noch gefehlt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false