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In keiner Regierung war die Legalisierung von Cannabis je so wahrscheinlich wie in einer Ampel.

© Peter Endig/dpa

Cannabis-Legalisierung mit der Ampel?: Es ist Zeit für eine neue Drogenpolitik

Mit der Union in der Opposition ist die Legalisierung von Cannabis wahrscheinlicher als je zuvor – und das ist auch richtig so. Ein Kommentar.

Streit gibt es genug bei den Ampel-Sondierungen, und bei manchen Themen sieht Annalena Baerbock die Welt völlig anders als Christian Lindner. Doch in einem Punkt sind sich besonders FDP und Grüne einig: Es braucht eine neue Drogenpolitik, in der Cannabis endlich legalisiert wird.

Auch die SPD ist in ihren Hinsichten liberaler geworden und will sich von der restriktiven Drogenpolitik der Merkel-Jahre abwenden. Wird die Cannabis-Legalisierung also schnell abgehakt und eingeführt? Hoffentlich, denn die Vorteile einer Legalisierung überwiegen die Nachteile bei Weitem. 

Cannabis ist in Deutschland schon lange zur geheimen Volksdroge geworden. Mehr als ein Viertel der Deutschen zwischen 15 und 64 Jahren haben schon einmal gekifft, ungefähr 7 Prozent rauchen Marihuana regelmäßig. Die Nachfrage ist also da, doch alle Regeln, Restriktionen und Schutzfunktionen, die der Staat bei Alkohol oder Zigaretten schon durchsetzt, fallen im Moment bei Cannabis weg.

[Lesen Sie auch: So könnte die legale Abgabe von Cannabis ablaufen (T+)]

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Eine Legalisierung wäre ein Weg, beispielsweise den Jugendschutz besser durchzusetzen. Auf der Straße achtet niemand auf das Alter der Käufer oder fragt brav nach dem Ausweis, bei einer Abgabe in Apotheken könnte ein Verkauf erst ab 18 oder 21 Jahren gesetzlicher Standard sein. 

Außerdem kann sich der Konsument bei staatlich kontrollierten Pflanzen sicher sein, dass sie nicht gestreckt oder stark hochgezüchtet sind. Ein Experiment in der „Zeit“ zeigte erst vor Kurzem, dass knapp 50 Prozent der auf der Straße gekauften Cannabisblüten verunreinigt sind. Wird Cannabis nicht legalisiert, wird die Schädigung der Konsumenten weiter in Kauf genommen, was bei der großen Zahl von Nutzern nicht im Interesse der Regierung liegen kann. 

Eine Legalisierung bringt Steuern und Arbeitsplätze

Eine kontrollierte Abgabe in Apotheken oder eigens dafür lizenzierten Geschäften würde auch eine große Menge an Steuergeldern in die nach Corona so leeren Staatskassen bringen. In Kanada oder den USA hat man gesehen, dass diese Steuereinnahmen gewaltig sein können und in einer neuen Branche gleichzeitig neue Arbeitsplätze in großem Maße entstehen.

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Ein recht beständiges Argument gegen die Legalisierung ist, dass sich der Konsum von Cannabis nach einer Legalisierung verstärkt und besonders junge Menschen durch die Legalität nicht mehr vom Konsum abgehalten werden. Eine Behauptung, die Studien aus Ländern, die eine Legalisierung schon hinter sich haben, nicht bestätigen, sondern sogar widerlegen.

In vielen Staaten der USA nahm zum einen der Konsum besonders bei Männern zwischen 49 und 64 zu, beim Konsum junger Menschen beobachten viele Studien langfristige sogar einen leichten Rückgang der Konsumentenzahlen.

 Keine Korrelation zwischen Cannabiskonsum und harten Drogen

Auch der Gedanke der Einstiegsdroge wird von vielen immer wieder als Argument genutzt. Es mag stimmen, dass manche Konsumenten härterer Drogen früher auch Cannabis geraucht haben, sie haben aber auch Alkohol getrunken oder geraucht.

Eine direkte Korrelation zwischen dem Konsum von Cannabis und dem von härteren Drogen ist in keiner Studie direkt nachgewiesen. Was jedoch beispielsweise in den Niederlanden offiziell bestätigt wurde, ist, dass die Zahl der Konsumenten von harten Drogen durch eine liberalere Drogenpolitik zurückgegangen ist. 

Einer der wichtigsten Punkte, der für eine Legalisierung spricht, ist ein rein bürokratischer. Die allermeisten Drogendelikte haben mit Cannabis, und der größte Teil davon mit niedrigen Mengen davon zu tun. Viele dieser Ermittlungen werden nach einem großen bürokratischen Aufwand letztendlich fallen gelassen, kosten aber dennoch Unmengen an Zeit und Ressourcen.

Polizisten, Staatsanwälte und Richter benötigen diese Energie und das Geld für andere Themenbereiche weit mehr. Besonders mit Blick auf den demografischen Wandel und dem damit einhergehenden Fachkräftemangel, der auch die Richter und Staatsanwälte betrifft, wäre eine Entlastung des Justizsystems notwendig. 

Was aber in dieser Argumentation nicht unterschlagen werden darf, ist, dass Cannabis vielleicht eine weiche, aber genau wie Alkohol keine ungefährliche Droge ist. Abhängigkeiten können entstehen und psychische Erkrankungen zur Folge haben. Eine Legalisierung funktioniert also nur, wenn ähnlich wie bei Tabak ein Werbeverbot verhängt wird und wie bei Alkohol Beratungsstellen und Präventionsangebote bereitgestellt werden. Unter diesen Voraussetzungen wird eine Legalisierung funktionieren und neben den Konsumenten auch Staat und Justiz entlasten.

Marc Tawadrous

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