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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht vor dem UN-Sicherheitsrat.

© John Minchillo/AP/dpa

„Butscha ist nur eines von vielen Beispielen“: Selenskyj fordert Ausschluss Russlands aus dem UN-Sicherheitsrat

Mit einem Video und detaillierten Beschreibungen hat sich der ukrainische Präsident an den Sicherheitsrat gewandt. Selenskyj wirft dem Gremium Versagen vor.

Die Gräueltaten an Bewohnern der Stadt Butscha während des russischen Angriffskriegs in der Ukraine sind nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj kein Einzelfall. „Die Welt hat jetzt gesehen, was Russland in Butscha getan hat, aber die Welt hat noch nicht gesehen, was sie in anderen besetzten Städten und Regionen unseres Landes getan haben“, sagte der per Video zugeschaltete Selenskyj am Dienstag vor dem UN-Sicherheitsrat in New York.

„Butscha ist leider nur eines von vielen Beispielen dafür, was die Besatzer getan haben“, sagte der ukrainische Präsident weiter. Es sei nicht anderes als die Handlungen von Terroristen und handele sich um die schlimmsten Kriegsverbrechen seit dem Zweiten Weltkrieg.

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Russland müsse dafür zur Rechenschaft gezogen werden, forderte Selenskyi, der dem Sicherheitsrat auch ein Video mit aneinandergereihten Fotos von Gräueltaten zeigte und die Verbrechen detailliert beschrieb.

Nach dem Rückzug russischer Truppen aus dem Nordwesten der ukrainischen Hauptstadt hatten Aufnahmen von Leichen auf den Straßen von Butscha international für Entsetzen gesorgt. Die Ukraine macht russische Truppen für die Gräueltaten verantwortlich. Diese hatten die kleine Stadt bis vor kurzem besetzt. Moskau bestreitet die Vorwürfe und spricht von einer Inszenierung, allerdings ohne Beweise oder Belege.

Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja sprach bei der Sitzung des Sicherheitsrats am Dienstag erneut von „unbegründeten Anschuldigungen“ gegen das russische Militär, die „von keinerlei Augenzeugen“ bestätigt worden seien. Es handele sich um eine „große Menge Lügen“ - im Gegenteil, das ukrainische Militär nutze Zivilisten als menschliche Schutzschilde.

Video widerlegen Moskauer Behauptungen

Die Leichen auf den Fotos aus Butscha seien direkt nach dem Rückzug des russischen Militärs noch nicht dort gewesen, dafür gäbe es Videobeweise. „Die einzigen, die auf diese Fälschungen hereinfallen könnten, sind absolute Dilettanten.“

Videos und Satellitenbilder aus Butscha widerlegen allerdings nach einer Analyse der „New York Times“ die Moskauer Behauptungen. Satellitenaufnahmen zeigten, dass sich die Überreste mehrerer Menschen bereits Mitte März auf der Straße befanden, schrieb die Zeitung.

Auch die umkämpfte ukrainische Hafenstadt Mariupol gleiche derzeit einem „Zentrum der Hölle“, sagte UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths bei der Sicherheitsratssitzung. „Seit mehr als fünf Wochen sind die Menschen in Mariupol schon in Kämpfe verwickelt. Es ist gut dokumentiert, dass Mariupol ein Zentrum der Hölle ist.“

Der ukrainische Präsident Selenskyj warf dem Gremium Versagen vor. „Wo ist der Sicherheitsrat? Es ist offensichtlich, dass die zentrale Institution der Welt zum Schutz von Frieden nicht effektiv arbeiten kann.“

Entscheidungen des Sicherheitsrats seien aber für den Frieden in der Ukraine notwendig. Er schlage deswegen drei mögliche Lösungen vor: Den Beweis, dass Reform oder Veränderung möglich seien, den Ausschluss von Russland, das als ständiges Mitglied jede Entscheidung blockieren kann, oder die komplette Auflösung des Rates.

Auch die gesamten Vereinten Nationen bräuchten Veränderung, sagte Selenskyj. „Die 1945 in San Francisco gesetzten Ziele sind nicht erreicht worden und es ist unmöglich, sie ohne Reform zu erreichen.“ 

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Selenskyj schlug dafür unter anderem eine große „globale Konferenz“ in Kiew vor. „Wir müssen alles tun, was in unserer Macht steht, um der nächsten Generation eine effektive UN zu übergeben“, sagte der ukrainische Präsident. „Die Ukraine braucht Frieden, Europa braucht Frieden und die Welt braucht Frieden.“

UN-Nothilfekoordinator Griffiths berichtete dem UN-Sicherheitsrat von seinen ersten Versuchen für Friedensverhandlungen. Am Montag in Moskau habe er unter anderem mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow gesprochen und zahlreiche Vorschläge gemacht.

Seine Vorschläge seien entgegengenommen und ihm sei versprochen worden, dass sie ernsthaft untersucht würden. Man wolle in engem Kontakt bleiben. „Ich bin aus diesen Treffen mit der Überzeugung herausgekommen, dass wir noch einen sehr langen Weg vor uns haben, aber er muss gegangen werden und wir werden ihn gehen.“

Am Mittwoch wolle er in die Ukraine reisen, um dort Gespräche zu führen, sagte Griffiths. UN-Generalsekretär António Guterres hatte Griffiths zuvor damit beauftragt, die Möglichkeit eines „humanitären Waffenstillstands“ im Ukraine-Krieg auszuloten. (dpa)

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