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Sehen - und nicht gesehen werden.

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Burka-Verbot in Deutschland?: Jens Spahn - Paniker mit Megaphon

Per Knopfdruck, so scheint es, kann in Deutschland Angst vor dem Islam erzeugt werden. Der jüngste Fall eines solchen Panikschürers, der gegen seine Intention das Geschäft der Radikalmuslime betreibt, ist der CDU-Abgeordnete Jens Spahn. Er plädiert für ein Burka-Verbot. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Minderheiten müssen phantasievoll sein, um wahrgenommen zu werden. Das gilt für Greenpeace wie für Hooligans, für Künstler, die Mauerkreuze abmontieren, wie für Verantwortliche eines Mauerfallgedenkjubiläums. Also werden Spektakel inszeniert, Schock-Aktionen geplant, es wird agitiert und provoziert. Die Reaktionen darauf sind ausdrücklich erwünscht und dienen als Beleg der eigenen Wirkungsmacht. Je heftiger sie ausfallen, desto grandioser der Erfolg.

Wie gut sie diese Mechanismen der Öffentlichkeit verstanden haben, zeigen auch einige radikalislamische Mitbürger, Salafisten genannt. Wenn ein halbes Dutzend von ihnen in einer Fußgängerzone den Koran verteilt oder sich Jacken mit der Aufschrift „Scharia-Polizei“ überzieht, steht der Rest des Landes Kopf und sieht das Abendland untergehen. Bundespolitiker empören sich, Talkshows zu dem Thema reißen alle Quotenrekorde. Per Knopfdruck, so scheint es, kann solche Panik erzeugt werden. Und am Ende lacht sich jeder Salafist ins Fäustchen.

Damit kein Zweifel aufkommt: Wer andere Menschen nötigt oder bedrängt, wer Gewalt anwendet, sich den IS-Milizen anschließt oder sonstwie gegen Gesetze verstößt, gehört bestraft. Das war schon immer so und soll auch immer so bleiben.

Selbst Integrationsexperten sagen: Zahl der Burkaträgerinnen „verschwindend gering“

Der jüngste Fall eines solchen Panikschürers, der gegen seine Intention das Geschäft der Radikalmuslime betreibt, ist der CDU-Abgeordnete Jens Spahn. Er plädiert für ein Burkaverbot, wettert gegen „Linke und Linksliberale“, die auf diesem Auge blind seien, und weist den Satz von Christian Wulff zurück, demzufolge auch der Islam inzwischen zu Deutschland gehöre. Damit reiht er sich in die vorderste Front derer ein, die die „Angst vor Überfremdung“, wie sie in den neunziger Jahren propagiert worden war, in eine „Angst vor Islamisierung“ verwandeln wollen. Dabei sagen selbst Integrationsexperten der Union, dass die Zahl der Burkaträgerinnen in Deutschland „verschwindend gering“ sei. Denn die allermeisten Muslime hierzulande stammen aus der Türkei, wo die Burka verpönt ist.

Doch abgesehen davon: Verbote müssen gerechtfertigt werden. Die Einschränkung von Freiheiten – ob bei der Kleiderwahl oder der Religionsausübung – bedarf einer Argumentation, die sich nicht im Wiederkäuen populärer Parolen erschöpft. Wessen Recht also wird durch Burkaträgerinnen beeinträchtigt? Durch Nichtidentifizierbarkeit einer Person, so heißt es manchmal, wird der offene Diskurs in einer demokratischen Gesellschaft gestört. Dann aber müsste auch das Tragen von Motorradhelmen, Winterschals und Skimützen untersagt werden. Und die Frauen selbst? Tragen sie die Verhüllung freiwillig? Das ist im Einzelfall ungewiss. Es gibt solche und solche. Durch ein Verbot ist eher zu befürchten, dass jene Frauen, die durch ihre Männer zur Verschleierung gezwungen werden, Ausgehverbot bekommen. Wäre ihnen dadurch mehr gedient?

In Israel werden Angelegenheiten von Muslimen nach Koran und Scharia entschieden

Vielleicht hilft, um den Erregungspegel zu dämpfen, ein kleiner Blick nach Israel und Amerika. Beide Länder sind auf besondere Weise mit dem Islam konfrontiert. Israel ist umgeben von islamischen Staaten, außerdem sind rund 17 Prozent der Israelis Muslime. Einen derart hohen Prozentsatz hat kein europäisches Land. In Amerika wiederum wurde von militanten Islamisten am 11. September 2001 der brutalste Terroranschlag der Geschichte verübt. Dennoch wird weder in Israel noch in den USA über Kopftücher, die Burka, die Beschneidung, das Schächten, Minarett- oder gar Moscheebauten diskutiert. Verhüllte Frauen können zur Schule gehen, studieren und unterrichten. Einige zivilrechtliche Angelegenheiten von Muslimen in Israel werden sogar nach Koran und Scharia entschieden.

An diesem Samstag wollen in Hannover erneut Hooligans gegen Salafisten demonstrieren. Politiker wie Jens Spahn machen es schwer, solche auf Krawall erpichten Veranstaltungen liberal-bürgerlich-gelassen zu ignorieren.

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