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Ein Soldat der Bundeswehr steht am Flughafen nahe des Stützpunktes im Norden Malis.

© dpa/Michael Kappeler

Bundeswehr in Afrika: Wie weit darf Deutschland die Putschisten in Mali unterstützen?

Auch wenn sie wollte, könnte die Bundesregierung die deutschen Soldaten kaum aus Mali abziehen. Deutschland steht vor einem außenpolitischen Dilemma.

Begonnen hat alles mit ein paar Gewehrsalven in einer Kaserne der malischen Armee. Abgefeuert wurden die Schüsse in der Nacht auf den 18. August von rebellierenden Soldaten. Die rückten wenige Stunden später von dem Örtchen Kita, einer Kleinstadt zwischen grünen Hügeln und Mango-Hainen, in die 15 Kilometer entfernte Hauptstadt Bamako vor. Dort setzten sie den Präsidenten Ibrahim Bouboucar Keïta fest und erklärten sich zu den neuen Machthabern. Der Putsch blieb unblutig, doch die Demokratie in Mali ist damit erst einmal am Ende.

Hierzulande war das bislang eher eine Randmeldung – obwohl Mali aus deutscher Sicht nicht irgendein afrikanischer Staat ist. Das Land im Süden der Sahara ist ein enger Partner der Bundesregierung und spielt in der Afrika-Strategie von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine wichtige Rolle. Im Rahmen der europäischen Mission EUTM beteiligt sich die Bundeswehr an der Ausbildung einheimischer Soldaten; im Norden unterstützt sie den UN-Einsatz MINUSMA. Das Ziel des derzeit größten Bundeswehreinsatzes: mehr „Stabilität“ in dem von islamistischem Terror geplagten Land.

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Der Putsch in Mali bereitet einigen in Berlin allerdings ziemliches Kopfzerbrechen. Wer mit Fachpolitikern spricht, bekommt immer wieder ein Wort zu hören: Dilemma. Siemtje Möller, stellvertretende verteidigungspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, nennt es eine „außenpolitisch schwierige Situation“.

Die Bundeswehr muss notgedrungen bleiben

Der Grund: Die Groko will die Bundeswehrmission unbedingt fortsetzen. Besser gesagt: Sie muss – aus diplomatischen Erwägungen. „Der Einsatz ist für Deutschland als nicht-ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat auch ein Vehikel, um international Verantwortung zu beweisen“, sagt der Sicherheitsexperte Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Selbst wenn die Bundesregierung wollte, könnte sie den Einsatz kaum beenden, ohne Kritik von Partnern wie Frankreich auf sich zu ziehen. Deutschland wird sich also mit den neuen Machthabern in Bamako arrangieren müssen.

Doch wie soll das gehen? Darf die Bundesregierung einfach so eine Militärjunta unterstützen? Und wie kommt sie aus dem Dilemma heraus?

Bis vor kurzem war der inzwischen abgesetzte Präsident Malis, Ibrahim Boubacar Keita, ein enger Partner von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Bis vor kurzem war der inzwischen abgesetzte Präsident Malis, Ibrahim Boubacar Keita, ein enger Partner von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

© REUTERS/Ludovic Marin

Offiziell hat die Bundesregierung den Putsch pflichtgemäß verurteilt. Den Umsturz lehnt das Auswärtige Amt „als undemokratisches Instrument eines Machtwechsels“ ab. Zugleich sendet die Bundesregierung Signale aus, dass sie der neuen Staatsspitze in Mali helfen will. Deren Aufgabe sei es, Neuwahlen vorzubereiten sowie Terror, Korruption und Kriminalität zu bekämpfen, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. „Dafür wird es weiter der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft bedürfen, an der sich auch Deutschland im Sinne einer Stabilisierung des Landes beteiligen wird.“

Eine „offizielle Zusammenarbeit“ dürfe es mit den Putschisten zwar nicht geben, sagt Möller. Es brauche aber einen „offenen Umgang“ – mit „gleichzeitigem höflichen Abstand“. Denkbar seien informelle Gespräche über die deutsche Botschaft oder das Konsulat.

Siemtje Möller sitzt seit 2017 im Bundestag und ist stellvertretende verteidigungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion.
Siemtje Möller sitzt seit 2017 im Bundestag und ist stellvertretende verteidigungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion.

© Britta Pedersen/dpa

Dass man in Berlin nicht weiter auf Distanz zur Junta in Bamako geht, hat Gründe. Der Putsch wird von großen Teilen der Malier getragen. Vielen im Land gelten die jungen Militärs als ehrenwerte Kämpfer gegen die korrupten Eliten – etwa der 37 Jahre alte Junta-Chef Assimi Goita, der 2008 einen Kompaniechef-Lehrgang der Bundeswehr besucht hat. Hinzukommt: Nach Druck der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas haben die Putschisten eingewilligt, in 18 Monaten wählen zu lassen. Ihre Übergangsregierung haben sie inzwischen zur Hälfte mit Zivilisten besetzt.

Der Druck von Ecowas habe gezeigt, „dass afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme durchaus funktionieren“, sagt der Sicherheitsexperte Kaim. Eine Lehre daraus müsse für Deutschland sein, künftig noch stärker auf die Zusammenarbeit mit Organisationen wie Ecowas oder der Afrikanischen Union zu setzen.

Ähnlich sieht es der FDP-Entwicklungspolitiker Christoph Hoffmann, der Mali Ende September besucht hat. Deutschland sollte sein Engagement in dem westafrikanischen Staat jetzt erst recht ausbauen, fordert er. „Deutschland und die EU sollten auf die neue Situation in Mali schnell und vor allem flexibel reagieren“, sagt er. „Es gilt, das idealistische Moment zu nutzen.“ Die Übergangsregierung brauche Beratung bei der Korruptionsbekämpfung, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) sollte für 2021 geplante Gespräche vorziehen. Das BMZ erklärt, seine Aktivitäten in Mali auf jeden Fall fortzusetzen – „regierungsfern und nah an den Menschen“.

Christoph Hoffmann ist seit 2017 Mitglied des Bundestags und entwicklungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion.
Christoph Hoffmann ist seit 2017 Mitglied des Bundestags und entwicklungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion.

© promo

Und die gut 1000 deutschen Soldaten in Mali? Für einen Abzug sieht die SPD-Politikerin Möller keinen Grund, auch weil die Putschisten die Bundeswehr gerne im Land behalten wollen. Sie hätten mittlerweile sogar Militärgerät an die internationalen Truppen zurückgegeben, das sie zuvor entwendet hatten. „Wir müssen jetzt überlegen, wie wir das Mandat unter den neuen Bedingungen richtig ausgestalten können“, sagt Möller. Die Gefahr sei für die Bundeswehrangehörigen seit dem Umsturz nicht gestiegen. „Auch die Bevölkerung ist unserer Präsenz gegenüber bislang positiv eingestellt.“

Mali in Westafrika: In Gao im Norden nimmt die Bundeswehr am UN-Einsatz MINUSMA teil. Nahe der Hauptstadt Bamako ist sie im Rahmen von EUTM an der Ausbildung malischer Soldaten beteiligt.
Mali in Westafrika: In Gao im Norden nimmt die Bundeswehr am UN-Einsatz MINUSMA teil. Nahe der Hauptstadt Bamako ist sie im Rahmen von EUTM an der Ausbildung malischer Soldaten beteiligt.

© AFP

Die Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger sieht den Einsatz kritischer. Sie fordert, die wegen Corona ausgesetzte Ausbildung malischer Soldaten weiter zu pausieren. „Man sollte auf keinen Fall zu früh wieder damit anfangen.“

Der Bundesregierung wirft sie Versäumnisse vor. „Der politische Prozess in Mali wurde von Deutschland viel zu lange vernachlässigt“, sagt sie. Zu wenig Druck habe die Bundesregierung auf den nun abgesetzten Präsidenten Keïta gemacht, damit der die Korruption im eigenen Land stärker bekämpft. Dass in der Vergangenheit zu wenig gegen die Bestechlichkeit im Staatsapparat getan wurde, sorgte zuletzt für viel Protest in der malischen Bevölkerung – und war auch einer der Hauptgründe für den Militärputsch der jungen Offiziere um Junta-Chef Goita.

Agnieszka Brugger ist seit 2009 Mitglied des Bundestags und seit Januar 2018 stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion.
Agnieszka Brugger ist seit 2009 Mitglied des Bundestags und seit Januar 2018 stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion.

© picture alliance/Christophe Gateau

„Die Stille der Bundesregierung angesichts der dramatischen Lage in Mali in den vergangenen Jahren ist sehr irritierend“, sagt Brugger. „Der Fokus auf die Sicherheitspolitik ist falsch.“ Der Putsch habe erneut  gezeigt, wie wichtig es sei, die Probleme von fehlender Bildung bis hin zur Eindämmung der Korruption anzugehen – „anstatt vorwiegend auf die Reform der örtlichen Sicherheitskräfte zu setzen“.

Wie es mit der „Stabilität“ in Mali aussieht, steht indes auf einem anderen Blatt. Die Sicherheitslage in dem Land ist nach wie vor prekär, wie sich erneut diese Woche zeigte: Bei einem Angriff von Islamisten verloren am Montag zwölf malische Soldaten ihr Leben.

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