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Bundeswehr-Einsatz in Mali: Gut ausgebildete Putschisten

Schult die Bundeswehr in Mali Militärs, die sich gegen den demokratischen Übergang stellen? Ein neuer Putsch im Krisenland wirft knifflige Fragen auf.

Von Hans Monath

Nach dem zweiten Militärputsch in Mali innerhalb von neun Monaten wachsen die Zweifel an einem der wichtigsten Auslandseinsätze der Bundeswehr. Vor wenigen Tagen hatten malische Generale die Regierung in dem westafrikanischen Krisenstaat abgesetzt. Die Bundeswehr beteiligt sich dort mit bis zu 1100 Kräften am UN-Blauhelmeinsatz Minusma. Zudem bilden bis zu 600 deutsche Soldaten im Rahmen der EU-Ausbildungsmission (EUTM) Sicherheitskräfte aus. Im Mai hatte der Bundestag beide Mandate verlängert.

Wegen der jüngsten Entwicklung kommen kritische Stimmen nun auch aus der Koalition. Sofern malische Offiziere „zu Putschisten werden und zur Zusammenarbeit mit Islamisten bereit sein sollten, wird unsere Ausbildungsmission als Teil des Antiterrorkampfes zur Farce“, sagte der Chef des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU) in der „Süddeutschen Zeitung“. Viele malische Offiziere wurden in westlichen Ländern geschult, viele auch durch die europäische Ausbildungsmission.

Frankreichs Präsident droht mit dem Abzug seiner Truppen

Berlin müsse sich in der Bewertung der Lage unabhängiger von Paris machen, forderte Röttgen. Als wichtigen Grund für die Einsätze sehen Experten den deutschen Wunsch, Bündnissolidarität mit Paris zeigen. 

Kanzlerin Angela Merkel hatte ein Ende des Einsatzes Anfang der Woche vorerst ausgeschlossen. „Wir glauben, dass unsere Präsenz vor Ort weiterhin wichtig ist“, erklärte sie nach Beratungen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Der hatte nach dem Putsch mit dem Abzug der französischen Kräfte gedroht. Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas hatte Mali zuvor vorübergehend aus ihren Reihen ausgeschlossen.

Inzwischen setzte Frankreich gemeinsame Armee-Einsätze mit den Sicherheitskräften des Landes aus, um den Druck auf die Junta zu erhöhen, die Zivilregierung wiedereinzusetzen. Die Verantwortlichen in Mali müssten nun rasch reagieren, forderte das Verteidigungsministerium in Paris. Allerdings sind französische Streitkräfte in dem Land weiter eigenständig im Einsatz.

Der Putschistenführer übernimmt das Präsidentenamt: Oberst Assimi Goita, Offizier der malischen Armee.   
Der Putschistenführer übernimmt das Präsidentenamt: Oberst Assimi Goita, Offizier der malischen Armee.   

© dpa

Auch Merkels Koalitionspartner hält an dem Einsatz fest. „Einseitiges Handeln gefährdet nur die Sicherheit der malischen Bevölkerung und der eingesetzten Kräfte“, sagte die verteidigungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Siemtje Möller, dem Tagesspiegel. Die Bundeswehr leiste „wertvolle Arbeit für die Sicherheit und Stabilität Malis und in der Region“ und sei „unerlässlich“ für zivile Aufbauhelfer. Möller forderte „die Re-Etablierung demokratischer Strukturen“.

Die anstehende Regierungsbildung in dem Land könne „auch eine Chance sein, politische Kräfte aus Parteien und Zivilgesellschaft einzubinden, und damit mehr Akzeptanz und Legitimität zu erzeugen“, sagte Denis M. Tull von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) dieser Zeitung. Die internationale Gemeinschaft dränge nun darauf, dass der Übergang im Frühjahr mit regulären Präsidentschaftswahlen beendet werde. „Eine weitere Zusammenarbeit mit einer militärisch geführten Regierung wäre aus politischen Gründen nicht akzeptabel“, sagte der Mali-Experte. 

Beim internationalen Vorgehen zur Stabilisierung Malis und der Region sieht der SPW-Mitarbeiter allerdings problematische und selbstverschuldete Widersprüche und Zielkonflikte. Der seit 2013 bestehende Fokus auf der Terrorismusbekämpfung werte Rolle und Einfluss der Militärs in Mali und der Region faktisch auf, urteilt er.

Ein Abzug der Franzosen würde es für die Partner schwer machen

Hinzu komme der Umgang mit dem Putsch im Tschad im vergangenen Monat, den weite Teile der internationalen Gemeinschaft einschließlich Frankreichs und der Afrikanischen Union nicht verurteilt hätten. Tull: "Von diesem kompromittierenden Vorgehen hinsichtlich des Putsches im Tschad gehen de facto Signale der Ermutigung an die Militärs in Mali und der Region aus."

Die Drohung Macrons mit dem Abzug wertet der Experte vor allem als Versuch, Einfluss auf die Militärs und die Transition in Mali zurückzugewinnen. Paris habe schon vor einiger Zeit Planungen zum schrittweisen Abzug vom nationalen Anti-Terror-Einsatz Barkhane eingeleitet. Mit einem abrupten Abzug sei nicht zu rechnen. "Würde er dennoch erfolgen dann würde die Lage für die internationalen Partner in Mali schwierig", sagt Tull voraus.

Wo die ausländischen Militärkräfte in dem westafrikanischen Krisenland stationiert sind.
Wo die ausländischen Militärkräfte in dem westafrikanischen Krisenland stationiert sind.

© AFP

Die internationalen Helfer bräuchten bei ihren Stabilisierungsbemühungen auch die Hilfe und Kooperation der lokalen Partner. Ohne diese drohe "eine Intervention ohne Ende und „Mission creep“, das heißt, die stetige Ausweitung des Engagements, um durch mehr eigene Anstrengungen die Defizite vor Ort zu beheben.

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Tulls Schlussfolgerung: "Genau das kann man im Sahel beobachten: je weniger die Dinge in die richtige Richtung laufen, desto mehr haben die internationalen Akteure ihren Fußabdruck ausgeweitet und vertieft."

Ganz unabhängig von dem zweiten Militärputsch sei deshalb eine Grundsatzdebatte über die Ziele des Bundeswehreinsatzes nötig. 

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