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Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, v.l. Peter M. Huber, Andreas Voßkuhle (Vorsitzender des Senats und Präsident des Gerichts), Monika Hermanns, Sibylle Kessal-Wulf und Ulrich Maidowski verkündet am Dienstag das Urteil über die Auskunftsrechte des Bundestags.

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Bundesverfassungsgericht: Was das Urteil zum Auskunftsrecht des Bundestags bedeutet

Das Bundesverfassungsgericht hat die Bundesregierung erneut zurechtgewiesen und zur Auskunft verpflichtet. Worum es dabei ging.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht im Mai hatte es sich abgezeichnet, am Dienstag bekam es die Bundesregierung mit Brief und Siegel: Wieder einmal hat sie geschwiegen, wo sie nicht hätte schweigen dürfen. „Das heute verkündete Urteil führt zu einer Stärkung des parlamentarischen Informationsrechts, ohne dessen weitreichende verfassungsrechtliche Absicherung eine effektive Oppositionsarbeit im Deutschen Bundestag und damit eine öffentlich wirksame Kontrolle der Regierung nicht möglich wären“, sagte der Präsident und Vorsitzende des Zweiten Senats, Andreas Voßkuhle. Geklagt hatte die Grünen-Fraktion.

Mündliche und schriftliche Anfragen sind das wirksamste Instrument der Opposition und bilden einen Gegenpol zur staatlichen Informationstätigkeit. Während die Regierung von sich aus auf vielen Kanälen erklärt, wie nützlich ihre Vorhaben und Reformen sind, gehört es zur Aufgabe der Oppositionen, die unangenehmen Fragen zu stellen. Die Regierung ist dann grundsätzlich zu einer wahrheitsgemäßen Auskunft verpflichtet, so wollen es die Spielregeln der Demokratie.

In der Praxis werden sie häufiger unterlaufen. Diesmal ging es um Auskünfte über Vereinbarungen zwischen der Bundesregierung und der Deutschen Bahn AG bei Investitionen in das Schienennetz, zu einem Gutachten zum Bahnhofs- Projekt „Stuttgart 21“, zu Zugverspätungen und deren Ursachen sowie zu aufsichtsrechtlichen Maßnahmen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gegenüber mehreren Banken in den Jahren der Finanzkrise 2005 bis 2008. Auf den ersten Blick handelt es sich dabei nicht um Stellen der Regierung: Die Bahn ist, obwohl sie dem Bund gehört, als Aktiengesellschaft privatrechtlich organisiert, die Bafin eine rechtsfähige Anstalt mit eigenständiger Kompetenz. Die Regierung folgerte daraus, dass das Handeln der Bafin außerhalb ihrer Zuständigkeit liege, während die Bahn als Wirtschaftsunternehmen unabhängig agiere und deshalb keine Informationspflichten über das operative Geschäft bestehen könnten.

Regierung unterläuft Prinzipien der Transparenz

Diese Argumente lassen die Richter nicht gelten und schnitten den „Verantwortungsbereich“ der Regierung anders zu, als diese es bislang wahrhaben wollte. „Erfasst sind sowohl die von der Regierung selbst wahrgenommenen Aufgaben als auch der von ihr verantwortete Aufgabenbereich, mithin der Aufgabenbereich nachgeordneter Behörden“, stellte Voßkuhle fest. Ähnlich sei es bei der Bahn. Hier erstrecke sich der Verantwortungsbereich „auf alle Tätigkeiten von mehrheitlich oder vollständig in der Hand des Bundes befindlichen Unternehmen in Privatrechtsform und damit auch auf die Deutsche Bahn AG“. Dabei sei die Verantwortlichkeit der Regierung nicht auf die ihr gesetzlich eingeräumten Einwirkungs- und Kontrollrechte beschränkt. Vielmehr beziehe sie sich „auf die Ausübung der Beteiligungsverwaltung, auf die Regulierungstätigkeit der Bundesbehörden und die sachgerechte Erfüllung des grundgesetzlichen Gewährleistungsauftrags sowie die unternehmerische Tätigkeit der Deutschen Bahn AG“.

Der Gerichtspräsident betonte, der parlamentarische Informationsanspruch sei auf das Verhandeln von Argument und Gegenargument in öffentlichen Debatten angelegt, weshalb Regierungsantworten öffentlich zu geben seien. Die Opposition beklagt häufig, dass Antworten nur in der Geheimschutzstelle des Bundestags hinterlegt und die Abgeordneten zu Stillschweigen verpflichtet würden. Voßkuhle erklärte dazu, dass es berechtigte Geheimhaltungsinteressen geben können, diese aber einer „besonderen Begründungspflicht“ unterlägen. Fiskalische Interessen könnten einen solchen Belang des Staatswohls darstellen. In den entschiedenen Fällen sei die Regierung ihren Antwortpflichten allerdings nicht hinreichend gerecht geworden. So hatte die Regierung bei der Bahn pauschal auf die Nichtexistenz von Listen und Statistiken sowie aktienrechtliche Verschwiegenheitspflichten verwiesen. Zu Bafin gab es viele Antworten nur in der Geheimschutzstelle. Nach Ansicht der Richter gehörten sie in die Öffentlichkeit. Negative Reaktionen der Märkte bei Kenntnis der Details damaliger Aufsichtsmaßnahmen seien nicht zu befürchten.

Das Urteil steht in einer Reihe von Transparenzentscheidungen der Verfassungshüter. Dabei ging es unter anderem um Rüstungsexporte, die Datensammlung von Geheimdiensten zu Abgeordneten sowie Einsätze von Bundespolizei und V-Leuten.

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