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Xavier Naidoo

© Imago / Daniel Goetzhaber

Bundesverfassungsgericht kippt Urteil zu Xavier Naidoo: Der Antisemit, der nicht Antisemit genannt werden wollte

Xavier Naidoo ging gegen eine Kritikerin vor – und bekam zunächst recht. Nun entschied das Bundesverfassungsgericht. Ein Kommentar.

Selbstverständlich ist Xavier Naidoo ein Antisemit. Wer daran zweifelt, hat einfach nicht gelesen, was der Sänger auf Telegram schreibt. Naidoo behauptete dort etwa, „Lügen, Hochverrat, Bestechung und Erpressung” lägen in der “Art und Lebensweise der Juden”. Den “Zentralrat der Juden” beschimpft er als “Zentralrat der Lügen”. Laut Naidoo sind alle hellhäutigen Juden Betrüger. Er schreibt in seinem Kanal Sätze wie „Ich kann den sogenannten Juden nichts mehr glauben” oder “Ziemlich viele Juden in diesen Kinderschänder-Dreck verwickelt”.

Dass sich das Bundesverfassungsgericht an diesem Mittwoch überhaupt ernsthaft mit der Frage befassen musste, ob man den Antisemiten Xavier Naidoo einen Antisemiten nennen darf, liegt allein daran, dass die konkrete juristische Auseinandersetzung auf einen Vorfall im Juli 2017 zurückgeht und Naidoo seine Ansichten damals noch nicht so schamlos äußerte wie heute. Nach einem Vortrag über Reichsbürger war eine Referentin der Amadeu Antonio Stiftung um ihre Einschätzung zu Naidoo gebeten worden, und sie hatte ihren Antisemitismus-Vorwurf mit dessen Songtexten begründet. 

Die wiesen in der Tat schon damals deutliche antisemitische Denkmuster und Codes auf, waren aber eben noch nicht so plump formuliert wie seine späteren Aussagen auf Telegram.

Gegen die Einschätzung der Referentin im Jahr 2017 reichte Naidoo damals Klage ein. Vor dem Landgericht Regensburg argumentierte er, er habe sich niemals feindselig gegen das Judentum, Juden, den Staat Israel oder jüdische Einrichtungen geäußert. Das Gericht gab ihm recht und untersagte der Referentin, den Sänger als Antisemiten zu bezeichnen. Sie habe ihren Vorwurf nicht ausreichend belegen können, urteilte das Gericht.

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Die zuständige Richterin wusste damals nicht, wie offen Xavier Naidoo später auf Telegram hetzen würde. Dass er ein Video mit der Aussage verbreiten würde, der Holocaust sei eine „gelungene historische Fiktion”. Oder die Behauptung, Juden würden Nichtjuden in der Pandemie mit Giftspritzen ermorden. Oder die antisemitische Hetzschrift „Die Protokolle der Weisen von Zion“, versehen mit dem Hinweis, das Buch sei eines der “wichtigsten Dokumente der Menschheitsgeschichte”.

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Die Referentin ging in Berufung, 2019 wies das Oberlandesgericht Nürnberg diese zurück - in der Urteilsbegründung hob es gar positiv hervor, der Sänger habe ein Konzert zum 40-jährigen Jubiläum deutsch-israelischer Beziehungen gegeben.

Es ist sehr gut, dass Karlsruhe das Nürnberger Urteil nun aufgehoben hat. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen.

Die Rechtssicherheit, Naidoo einen Antisemiten nennen zu dürfen, hat der Sänger in der Zwischenzeit allerdings längst selbst geschaffen.

In seiner Begründung schreibt das Bundesverfassungsgericht, das Urteil aus Regensburg habe das Grundrecht der Referentin auf Meinungsfreiheit verletzt, weil „die Fachgerichte insbesondere keine konkrete Sinndeutung der Äußerung der Beschwerdeführerin vorgenommen haben, um die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers des Ausgangsverfahrens klären zu können. Darüber hinaus verkennen sie im Ergebnis die Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit im öffentlichen Meinungskampf.“

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