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Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales.

© Sebastian Gollnow/dpa

Bundesverfassungsgericht: Arbeitsminister Heil verteidigt Hartz-IV-Sanktionen in Karlsruhe

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt zurzeit, ob der Staat Hartz-IV-Empfängern Leistungen kürzen darf. Hubertus Heil hält die Praxis für angemessen.

Arbeitsminister Hubertus Heil hat die Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher, die Jobangebote ausschlagen oder Fördermaßnahmen ablehnen, vor dem Bundesverfassungsgericht verteidigt. „Der Sozialstaat muss ein Mittel haben, die zumutbare Mitwirkung auch verbindlich einzufordern“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag zum Verhandlungsauftakt in Karlsruhe. Dazu gehörten auch Leistungskürzungen. Das sei mit Blick auf die Gemeinschaft und insbesondere die Steuerzahler geboten. (Az. 1 BvL 7/16)

Nach dem Prinzip „Fördern und Fordern“ können die Jobcenter Hartz-IV-Empfängern, die ihren Pflichten nicht nachkommen, den Geldhahn zudrehen. Bei Verfehlungen, die über einen verpassten Termin hinausgehen, droht die dreimonatige Kürzung der Leistungen um 30 Prozent des sogenannten Regelbedarfs. Wer innerhalb eines Jahres mehrfach negativ auffällt, verliert 60 Prozent oder sogar das gesamte Arbeitslosengeld II, samt der Kosten für Unterkunft und Heizung.

Das Sozialgericht im thüringischen Gotha hält das für verfassungswidrig und hat ein Verfahren ausgesetzt, um die Vorschriften in Karlsruhe unter die Lupe nehmen zu lassen. In dem Fall musste ein Arbeitsloser mit 234,60 Euro weniger auskommen, weil er ein Jobangebot abgelehnt und Probearbeit verweigert hatte.

Die Anwältin des Mannes, Susanne Böhme, kritisierte in der Verhandlung, dass die Sanktionen oft nicht den gewünschten Effekt hätten. Es bestehe die Gefahr, dass Betroffene ein Gefühl der Resignation und Existenzangst entwickelten. Das stehe der Vermittlung eher entgegen. Der starre Zeitraum von drei Monaten sei demotivierend - es zahle sich nicht aus, sein Verhalten zu ändern. So hätten die Sanktionen vor allem strafenden Charakter.

Der neue Vizegerichtspräsident Stephan Harbarth sagte, dem Senat sei bewusst, dass die Thematik für viele Menschen in schwierigen Lebenslagen sehr wichtig sei und grundlegende Bedürfnisse betreffe. „Das nehmen wir ernst.“ Gleichzeitig dämpfte er überzogene Erwartungen. Es gehe nicht um die Frage, ob Sozialleistungen mit einem Sanktionssystem politisch sinnvoll seien und erst recht nicht um die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen.

Der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, wies darauf hin, dass die Sanktionen über keinen Hartz-IV-Empfänger unvorbereitet hereinbrächen. Gleich zu Beginn werde im Gespräch zur Eingliederungsvereinbarung auch über die Pflichten gesprochen.

2017 verhängten die Jobcenter fast eine Million Sanktionen. Davon kann mehrfach dieselbe Person betroffen sein. In gut drei Viertel der Fälle hatten die Betroffenen einen Termin beim Jobcenter versäumt. Dafür werden die Leistungen um zehn Prozent gekürzt. Um diese Meldeversäumnisse geht es in dem Karlsruher Verfahren nicht, wie Harbarth klarstellte, sondern nur um die Streichungen ab 30 Prozent.

Es wurde erwartet, dass die Verhandlung den ganzen Tag über dauern wird. Das Urteil dürfte erst in einigen Monaten verkündet werden. (dpa)

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