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Die Stimmung in Deutschland vor zwei Jahren: Drei junge Frauen stehen in Frankfurt am Main im Hauptbahnhof mit einem Begrüßungsplakat.

© Frank Rumpenhorst/dpa

Bundestagswahl 2017: Schwarz-Grün im Bund? Das geht gar nicht!

Polarisiert durch die Flüchtlingspolitik: Zwischen der Humanität der Grünen und der real existierenden Humanität von CDU/CSU liegen heute Welten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Es war einmal ein Traum. Alles in ihm war schön und gut. Nette, undogmatische Konservative reichten einer bürgerlichen Schöpfungsbewahrungs-Avantgarde die Hand. Union und Grüne bildeten eine Koalition. Endlich.

Akut rumpelt es zwar etwas bei der Frage nach der Zukunft des Verbrennungsmotors. Aber daran darf das Projekt nicht scheitern, oder? Wenn doch die Zeit für dieses Bündnis überreif ist. In der Energiepolitik und beim Klimawandel war man sich ohnehin längst nahegekommen.

In der Außenpolitik steht man zur Westbindung, zu Europa, gegen Putin. Die Ehe für alle konnte als Zündstoff entschärft werden. Und was sind die Alternativen? Wieder eine ermüdende große Koalition? Oder eine Neuauflage von Schwarz-Gelb mit Christian Lindner statt Guido Westerwelle? Oder ein instabiler flotter Dreier? Also wann, wenn nicht jetzt, wer, wenn nicht die?

So träumte es lebhaft in Angela Merkel, Norbert Röttgen und Peter Tauber, Katrin Göring-Eckardt, Winfried Kretschmann und Cem Özdemir. Dann geschah vor zwei Jahren etwas, was das Kalkül schleichend, aber nachhaltig platzen ließ – die Flüchtlingspolitik änderte sich. Zwar zeigte sich die Kanzlerin anfangs bemüht, so grün wie möglich zu handeln.

Doch nach und nach verschärfte sie nicht allein den Ton: Das Asylrecht wurde eingeschränkt, der Familiennachzug ausgesetzt, Abschiebungen wurden forciert, Grenzen überwacht. Auf Drängen Merkels schloss die EU mit der Türkei ein Kontrollabkommen der Ägäis. Und bei einem Gipfel in Paris mit Frankreich, Italien und Spanien wurde den Staatschefs von Niger, Tschad und Libyen viel Geld versprochen, wenn sie helfen, die Flüchtlingsströme über das Mittelmeer einzudämmen. Kurz: Aus „Wir schaffen das“ wurde „Das darf sich nie wiederholen“.

Die Union kann sich eine Remoralisierung ihres Flüchtlingsdiskurses nicht leisten

Und die Grünen? Sind dagegen. Gegen das EU-Türkei-Abkommen, gegen den Pariser „Abschottungsgipfel“, gegen die Türkei und Libyen als Verhandlungspartner, gegen eine härtere Abschiebungspraxis, gegen die Begrenzung des Familiennachzugs, gegen eine Ausweitung der Liste von sicheren Herkunftsstaaten. „Wir lehnen diese inhumane Flüchtlingspolitik ab“, steht in ihrem Parteiprogramm über die Beschlüsse der Regierung. „Wir wollen die Willkommenskultur gemeinsam mit vielen Engagierten weiterleben.“ Denn: „Das Asylgrundrecht in unserer Verfassung ist eine Lehre aus der Verfolgungs- und Vernichtungspolitik des Nationalsozialismus.“

Wo die Grünen politische Verantwortung tragen, in Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Hessen, urteilen sie über Reizthemen wie Abschiebungen und sichere Herkunftsstaaten nuancierter als auf Bundesebene. Eine geistig-moralische Heimat aber findet das Gros ihrer Anhänger auf Kirchentagen, bei Pro Asyl und Amnesty International.

Wer versuchen wollte, in einer schwarz-grünen Koalition im Bund die Flüchtlingspolitik in eine neue Balance aus Moral und gesellschaftlicher Verträglichkeit zu bringen, könnte diese Klientel leicht verprellen.

Zwischen der Humanität der Grünen und der real existierenden Humanität von CDU/CSU liegen Welten. Die Union kann sich eine Remoralisierung ihres Flüchtlingsdiskurses ebenso wenig leisten, wie die Grünen bei ihrem letzten originären Markenkern einen Kompromiss nach dem anderen schließen dürfen. Der Traum wird ein Wunschtraum bleiben. Auf ziemlich lange Zeit.

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