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Der Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU).

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Update

Bundestagspräsident Schäuble appelliert: „Jeder muss dem Judenhass entgegentreten“

Der Bundestagspräsident reagiert auf Morddrohungen gegen den Pianisten Igor Levit. Grünen-Chef Habeck fordert ein härteres Vorgehen gegen antisemitische Taten.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat alle Bürgerinnen und Bürger aufgefordert, dem Antisemitismus in Deutschland Einhalt zu gebieten. „Wir Demokraten sind gefordert: Jeder und jede sollte jedem Anflug von Judenhass zu jeder Zeit energisch entgegentreten“, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel. Jeder neue Fall von Antisemitismus zeuge von neuer Dringlichkeit. „Damit muss Schluss sein, erst recht 2020, in dem sich die Befreiung von Auschwitz zum 75ten Mal jährt.“

Schäuble reagierte mit seinem Appell auch auf einen Gastbeitrag des russisch-deutschen Pianisten Igor Levit für den Tagesspiegel, in dem der Musiker von antisemitischen Morddrohungen berichtet. Darin würden die Absender ankündigen, ihm als „Judensau“ das „Maul“ zu stopfen. Nach Tagesspiegel-Informationen erhielt Levit Mitte November eine E-Mail, in der ihm ein Mordanschlag bei einem Konzert angedroht wurde. Er schaltete daraufhin die Polizei ein und trat unter Personenschutz auf.

Grünen-Chef Robert Habeck zollte Levit Respekt für dessen Umgang mit der Bedrohung: „Es spricht für das Kämpferherz von Igor Levit, dass er das öffentlich macht, sich wehrt“, sagte er dem Tagesspiegel. Es sei "schlimm, dass es so weit kommen muss". Das deutsche Grundgesetz sei aus der Erfahrung von und Verantwortung für die Vernichtung jüdischen Lebens geschrieben worden, sagte Habeck. "Artikel 1 und 3 stehen in direkter Referenz zur Shoa. Dass alle Jüdinnen und Juden ihren Glauben frei leben können, ist Staatsräson. Sie muss durchgesetzt werden", sagte er.

Habeck forderte ein härteres Vorgehen gegen antisemitische Straftaten. „Antisemitische Äußerungen müssen zur Anzeige gebracht werden, das gilt für rechten wie für islamischen Antisemitismus.“ Rechtsterroristische Umtriebe in staatlichen Institutionen müssten unter konsequenter Anwendung des Dienstrechts unterbunden werden. Notwendig sei auch eine Bildungs- und Demokratiearbeit von Schulen, Vereinen, Kirchen, die nicht jährlich Mittelkürzungen fürchten müsse.

Habeck verlangte auch die Beobachtung der gesamten AfD durch den Verfassungsschutz, sollte sich die Partei nicht vom sogenannten Flügel distanzieren, in dem die nationalistische Strömung um Björn Höcke organisiert ist. Auch außenpolitisch dürfe es keine Relativierung von Antisemitismus geben, forderte der Grünen-Chef: "Das gilt für Victor Orbans unsägliche Kampagne vor der Europawahl wie für Wladimir Putins jüngste Äußerungen."

Zahl der antisemitischen Straftaten gestiegen

In Deutschland ist die Zahl der antisemitischen Straftaten in den vergangenen Jahren gestiegen. Im Jahr 2018 erfasste das Bundeskriminalamt 1799 Angriffe auf Juden und jüdische Einrichtungen, 2019 wird die Zahl nach Einschätzung von BKA-Chef Holger Münch höher ausfallen. Einer der bittersten Momente des Jahres war der Angriff auf eine Synagoge in Halle: Am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur versuchte ein schwer bewaffneter Attentäter, die Synagoge zu stürmen, in der sich mehr als 50 Gläubige versammelt hatten.

Trotz des zunehmenden Antisemitismus rät Israels Botschafter Jeremy Issacharoff den in Deutschland lebenden Juden davon ab, das Land zu verlassen. Weder für die Juden noch für die deutsche Gesellschaft wäre das „die richtige Antwort“, sagte er der dpa. Er glaube auch nicht, dass der Anschlag von Halle oder andere antisemitische Straftaten Touristen aus Israel abschrecken würden, nach Deutschland zu kommen.

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