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Bundestag: Westerwelle verteidigt Äußerungen zur Sozialpolitik

In der von ihm angestoßenen Debatte über den Sozialstaat hat Guido Westerwelle die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen. "Wer Leistungsgerechtigkeit vergisst, wird die soziale Gerechtigkeit verlieren", erklärte der FDP-Chef in einer nicht angekündigten Rede im Bundestag.

Vizekanzler Guido Wersterwelle stellte am Donnerstag im Bundestag klar, er habe nach dem "Hartz-IV"-Urteil des Verfassungsgerichts weder das Gericht kritisiert noch diejenigen, die "ein schweres Schicksal" hätten. Vielmehr habe er sich gegen die anschließenden Forderungen gewandt, das Vorhaben der Steuerentlastungen aufzugeben. Westerwelle bekräftigte: "Leistung muss sich lohnen. Und wer arbeitet, muss mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet. Das werde ich heute sagen und auch morgen noch."

Alles, was verteilt werden solle, müsse zuvor erwirtschaftet werden, bekräftigte Westerwelle. Deshalb seien Steuererleichterungen weiter auf der Tagesordnung. Die Mittelschicht ziehe "den Karren", deshalb dürfe ihr die Last "nicht immer schwerer gemacht werden". Westerwelle nannte es einen "Fehler", wenn nach dem Karlsruher Urteil nur noch über Verteilungsgerechtigkeit gesprochen werde. "Wer Leistungsgerechtigkeit vergisst, wird die soziale Gerechtigkeit verlieren."

Westerwelle verwies in seiner nicht angekündigten Rede darauf, dass die Koalition sich bereits auf Erleichterungen für Langzeitarbeitslose verständigt habe. Er sicherte zu, dass die Hinzuverdienstmöglichkeiten ausgebaut werden sollten, "damit es Brücken zurück in die Arbeitswelt geben kann". Auch solle das Schonvermögen verdreifacht werden. "So viel soziale Sensibilität haben Sie in den gesamten elf Jahren nicht gezeigt wie wir in den ersten Monaten unserer neuen Regierung", sagte Westerwelle mit Blick auf die SPD. Flächendeckenden Mindestlöhnen erteilte Westerwelle hingegen eine Absage.

Der Außenminister wies außerdem den Vorwurf des Rechtspopulismus zurück. "Wenn man in Deutschland Leistungsgerechtigkeit als rechtsradikal ansieht, dann zeigt das nur, welches linke Gedankengut man mittlerweile im Kopf hat", sagte der FDP-Chef. Die nordrhein-westfälische SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft hatte Westerwelle vorgeworfen, im rechten Sumpf zu fischen und Schleswig-Holsteins SPD-Landeschef Ralf Stegner hatte ihn mit dem verstorbenen österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider verglichen.

Von der Leyen warnt vor "Generalverdacht"

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) warnte davor, Arbeitslose unter "Generalverdacht" zu stellen. "Genauso wie es Steuerhinterziehung gibt, gibt es Missbrauch in 'Harz IV'", sagte die Ministerin im Bundestag. Sie werde aber nicht zulassen, dass dieser "harte Kern" die Debatte bestimme. "Das wird der großen Zahl der Langzeitarbeitslosen, die herauswollen aus der Arbeitslosigkeit, nicht gerecht", unterstrich von der Leyen. Die Arbeitenden düften zudem nicht gegen Arbeitslose ausgespielt werden.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezeichnete von der Leyen als "weise". Das Gericht habe dargelegt, dass die Regelsätze "menschenwürdige Lebensverhältnisse" garantieren, aber nicht zwangsläufig "in Euro und Cent" ausgezahlt werden müssten. Die Ministerin sprach sich für den Einsatz von Sach- und Dienstleistungen aus, da diese oft zielgerichteter seien als finanzielle Zuwendungen. Zugleich stellte sie klar: "Wir spielen nicht die Sach- und Dienstleistungen gegen die Geldleistungen aus". Die Umsetzung des Gerichtsurteils werde viel Geld kosten. Dies sei jedoch eine Frage der Prioritätensetzung.

Von der Leyen versicherte, dass die Bundesregierung für einen verlässlichen Sozialstaat stehe. "Es ist ein Gütesiegel der sozialen Marktwirtschaft, dass wir Menschen nicht aufgeben, sondern dass wir gerade denjenigen, die in eine Notlage gekommen sind, auch Ausstiegsperspektiven wieder geben." Sie verwies darauf, dass Arbeitslosigkeit unterschiedliche Ursachen habe. Deshalb müsse die Arbeitsvermittlung "konsequenter und zügiger" werden.

Neue Hartz-IV-Regelsätze erst im Herbst

Die gut 6,5 Millionen Bezieher von Hartz-IV-Leistungen müssen bis zum Herbst auf eine Neuberechnung ihrer Regelsätze warten. Das machten Union und FDP im Bundestag klar. Erst dann lägen die neuen Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vor, anhand derer die Hilfeleistungen für die Langzeitarbeitslosen und ihre Familien neu ermittelt werden. Dies hatte unlängst das Bundesverfassungsgericht gefordert und dafür eine Frist bis Jahresende gesetzt.

Redner der Regierungskoalition erteilten wie erwartet den Anträgen von Linkspartei und Grünen auf rasche Erhöhung der Regelsätze eine Absage. Die Linken fordern 500 Euro, die Grünen 420 Euro. Derzeit liegt der Regelsatz bei 359 Euro im Monat. (ddp/dpa)

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