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Das Thema Europa erwies sich im Bundestag für Angela Merkel (CDU, o.) und Andrea Nahles (SPD) nur begrenzt konflikttauglich.

© Kay Nietfeld/dpa

Bundestag: Die verdeckten Spitzen der Angela Merkel gegen die SPD

CDU und SPD haben es nicht leicht im Bundestag – immer ist ein anderer lauter. Und untereinander sind sie sich auch nicht grün.

Von Robert Birnbaum

Angela Merkel ist ja ohnehin nicht so der Typ für direkte Ansprachen vom Podium des Bundestages aus. Die Wortwatte, in die die Kanzlerin ihren kleinen Einwand gegen den Koalitionspartner in spe hüllt, ist aber selbst für merkelsche Verhältnisse rekordverdächtig flauschig. Eigentlich geht es um Europa in ihrer Regierungserklärung am Donnerstagmorgen. Doch Merkel macht aktualitätshalber einen kleinen Abstecher zum Militär, lobt die Arbeit der Soldaten im In- und Ausland, gibt dem Wehrbeauftragten Recht mit seiner Kritik an Ausrüstungsmängeln und mahnt zuletzt an, nicht zu vergessen, „welchem Ausgabenkorridor im Rahmen der Nato wir zugestimmt haben.“

Die Schülergruppe auf der Besuchertribüne guckt noch ausdrucksloser in den Plenarsaal als vorher. Woher sollen die jungen Leute wissen, dass dieser rätselhafte Korridor das Zwei-Prozent-Ausgabenziel der Allianz meint, das die SPD im Wahlkampf lautstark abgelehnt hat?

Auf Unionsseite freuen sich ein paar über die verdeckte Spitze, bei den Sozialdemokraten rührt sich keine Hand. Dabei redet die CDU-Chefin wahrscheinlich ihnen zuliebe so unverständlich daher. Am Tag nach dem Start der SPD-Mitgliederbefragung tritt Merkel betont vertragstreu auf. Fast vermeint man Martin Schulz zu hören, wenn sie schwärmt, dass noch in keinem Koalitionsvertrag zuvor das erste Kapitel Europa gewidmet war, und beschwört: „Wir brauchen einen neuen Aufbruch in Europa.“ Schulz ist nicht da, was aber keine politischen Gründe hat.

Politische Gründe hat hingegen der sparsame Applaus, den Merkel durchgängig von der SPD erhält. Die Sitzung ist nämlich auch von ihrer Seite als Demonstration angelegt. Die Fraktions- und designierte Parteichefin Andrea Nahles hatte ihrer Partei schließlich versprochen, dass die SPD in einer großen Koalition eigenständiger auftreten werde.

Begrenzt konflikttauglich

Also beklatscht die Union ihre Chefin am Ende sehr, sehr lange und die SPD tut es nicht. Ansonsten erweist sich das Thema Europa freilich auch für Nahles nur als begrenzt konflikttauglich. Merkel kündigt an, den nächsten EU-Haushalt „auf den Prüfstand“ zu stellen, will den „massiven“ Ausbau der Grenzschutzbehörde Frontex und zugleich Solidarität bei der Flüchtlingsverteilung einfordern. Nahles stimmt allem zu, legt aber ihren Schwerpunkt auf Sozialpolitisches, verlangt EU-Rechtsrahmen für Mindestlöhne und eine staatliche Pflicht zur Existenzsicherung. „Wir brauchen eine ganz klare Neuausrichtung der Europapolitik“, sagt die Sozialdemokratin, „einen Investitionshaushalt und keinen Sparhaushalt.“

Hinter ihr zieht Wolfgang Schäuble sein leicht unwirsches Standardgesicht. Als Finanzminister hätte er einiges dazu gesagt. Als Bundestagspräsident erteilt er nur das Wort, als nächstes der AfD-Fraktionschefin Alice Weidel. Die erregt sich über den Umgang mit den Brexit-Briten, an denen ein Exempel statuiert werden solle, und wirft ansonsten der Regierung in spe vor, sie wolle immer mehr Geld deutscher Steuerzahler in ein europäisches Projekt stecken, das längst nicht mehr deren Interessen diene. Die AfD, sagt Weidel, wolle ein „Europa der Vaterländer“.

Das will nun allerdings dem FDP-Chef Christian Lindner zu viel der vorgeblichen Europazuneigung scheinen. Er erinnert daran, dass sich die AfD vor der Bundestagswahl mit Leuten wie dem Chef-Brexitprediger und „Europahasser“ Nigel Farage gezeigt habe.

Aber auch mit Merkel und Nahles ist der Freidemokrat nicht zufrieden: „Keine klaren Visionen“ habe die Kanzlerin vorgelegt, die SPD-Frau wiederum wolle den Partnern jetzt auch noch Sozialpolitik nach deutscher Art vorschreiben. Was, nächster Redner, der Linke Dietmar Bartsch ganz allgemein verdammt: eine „Politik deutscher Hegemonie“ habe Merkel betrieben, mit der Folge, dass nach 13 Jahren unter ihrer Regierung Europa in schlechterem Zustand sei als bei ihrem ersten Amtsantritt 2005. Bleiben die Grünen, für die Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sich „Leidenschaft“ statt „Verwaltung“ wünscht.

Neu ist daran nichts. Doch eins ist deutlich geworden in den knapp zwei Stunden: Mit der Selbstbehauptung wird es für die Parteien einer großen Koalition hier nicht ganz leicht. Immer ist ein anderer lauter. Selbst die CSU packt angesichts des neuen Nachbarn zur Rechten ihre Euroskepsis in leicht gewundene Formeln: „Ein schlankes Europa der Stärke“ wünscht sich ihr Redner Florian Hahn.

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